Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

rückziehen durch Entziehung anderer Vortheile
entgelten lassen.

Vorzüglich muss ein König oder Fürst, der
gerecht gepriesen seyn will, gerecht gegen
sich selbst
,
gegen seine Lieblings-Neigungen
und Leidenschaften, gegen seinen Stolz, Hoch-
muth, Ehrgeiz, Geldgeiz, Habsucht, Vergrös-
serungssucht, gegen die Gelüste und Versuchun-
gen seines eigenen Geistes und Cabinets-Politik
seyn. Sonst wird aus der vorgeblichen Ge-
rechtigkeit niemahls Regel, sie bleibt immer
nur Ausnahme. Die Forderung ist stark, deren
Erfüllung aber ist nicht ganz unmöglich, so
lange die Geschichte noch Beyspiele von ganz
gerechten, auch gegen sich selbst gerechten
Königen und Fürsten aufzuweisen hat, so sehr
auch, leider! das Wort allgemeiner und wahrer
ist, das ich lieber durch die Feder des Repub-
licaners Bayle *) sagen lasse, als selbst aus-

*) En conversation Agesilaus ne parloit que de justice: c'e-
toient les plus beaux discours du monde, que les siens. En-
tendant dire qu'une certaine chose etoit agreable au grand
Roi
(de Perse): Par ou est-il plus grand Roi que
moi, s'il n'est plus juste
? demanda-t. il. Voila une
belle Theorie; mais la Pratique n'y repondoit pas, lors qu'il
s'agissoit de son Roiaume. Je veux croire, que pour des
interets particuliers il n'auroit pas facilement contrevenu

rückziehen durch Entziehung anderer Vortheile
entgelten lassen.

Vorzüglich muſs ein König oder Fürst, der
gerecht gepriesen seyn will, gerecht gegen
sich selbst
,
gegen seine Lieblings-Neigungen
und Leidenschaften, gegen seinen Stolz, Hoch-
muth, Ehrgeiz, Geldgeiz, Habsucht, Vergrös-
serungssucht, gegen die Gelüste und Versuchun-
gen seines eigenen Geistes und Cabinets-Politik
seyn. Sonst wird aus der vorgeblichen Ge-
rechtigkeit niemahls Regel, sie bleibt immer
nur Ausnahme. Die Forderung ist stark, deren
Erfüllung aber ist nicht ganz unmöglich, so
lange die Geschichte noch Beyspiele von ganz
gerechten, auch gegen sich selbst gerechten
Königen und Fürsten aufzuweisen hat, so sehr
auch, leider! das Wort allgemeiner und wahrer
ist, das ich lieber durch die Feder des Repub-
licaners Bayle *) sagen lasse, als selbst aus-

*) En conversation Agesilaus ne parloit que de justice: c’é-
toient les plus beaux discours du monde, que les siens. En-
tendant dire qu’une certaine chose etoit agreable au grand
Roi
(de Perse): Par où est-il plus grand Roi que
moi, s’il n’est plus juste
? demanda-t. il. Voila une
belle Theorie; mais la Pratique n’y repondoit pas, lors qu’il
s’agissoit de son Roiaume. Je veux croire, que pour des
interêts particuliers il n’auroit pas facilement contrevenu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="138"/>
rückziehen durch Entziehung anderer Vortheile<lb/>
entgelten lassen.</p><lb/>
          <p>Vorzüglich mu&#x017F;s ein König oder Fürst, der<lb/>
gerecht gepriesen seyn will, gerecht <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">gegen<lb/>
sich selbst</hi>,</hi> gegen seine Lieblings-Neigungen<lb/>
und Leidenschaften, gegen seinen Stolz, Hoch-<lb/>
muth, Ehrgeiz, Geldgeiz, Habsucht, Vergrös-<lb/>
serungssucht, gegen die Gelüste und Versuchun-<lb/>
gen seines eigenen Geistes und Cabinets-Politik<lb/>
seyn. Sonst wird aus der vorgeblichen Ge-<lb/>
rechtigkeit niemahls Regel, sie bleibt immer<lb/>
nur Ausnahme. Die Forderung ist stark, deren<lb/>
Erfüllung aber ist nicht ganz unmöglich, so<lb/>
lange die Geschichte noch Beyspiele von ganz<lb/>
gerechten, auch gegen sich selbst gerechten<lb/>
Königen und Fürsten aufzuweisen hat, so sehr<lb/>
auch, leider! das Wort allgemeiner und wahrer<lb/>
ist, das ich lieber durch die Feder des Repub-<lb/>
licaners <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Bayle</hi></hi> <note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">En conversation Agesilaus ne parloit que de justice: c&#x2019;é-<lb/>
toient les plus beaux discours du monde, que les siens. En-<lb/>
tendant dire qu&#x2019;une certaine chose etoit agreable au grand<lb/>
Roi</hi> (<hi rendition="#i">de Perse</hi>)<hi rendition="#i">: <hi rendition="#g">Par où est-il plus grand Roi que<lb/>
moi, s&#x2019;il n&#x2019;est plus juste</hi>? demanda-t. il. Voila une<lb/>
belle Theorie; mais la Pratique n&#x2019;y repondoit pas, lors qu&#x2019;il<lb/>
s&#x2019;agissoit de son Roiaume. Je veux croire, que pour des<lb/>
interêts particuliers il n&#x2019;auroit pas facilement contrevenu</hi></note> sagen lasse, als selbst aus-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0144] rückziehen durch Entziehung anderer Vortheile entgelten lassen. Vorzüglich muſs ein König oder Fürst, der gerecht gepriesen seyn will, gerecht gegen sich selbst, gegen seine Lieblings-Neigungen und Leidenschaften, gegen seinen Stolz, Hoch- muth, Ehrgeiz, Geldgeiz, Habsucht, Vergrös- serungssucht, gegen die Gelüste und Versuchun- gen seines eigenen Geistes und Cabinets-Politik seyn. Sonst wird aus der vorgeblichen Ge- rechtigkeit niemahls Regel, sie bleibt immer nur Ausnahme. Die Forderung ist stark, deren Erfüllung aber ist nicht ganz unmöglich, so lange die Geschichte noch Beyspiele von ganz gerechten, auch gegen sich selbst gerechten Königen und Fürsten aufzuweisen hat, so sehr auch, leider! das Wort allgemeiner und wahrer ist, das ich lieber durch die Feder des Repub- licaners Bayle *) sagen lasse, als selbst aus- *) En conversation Agesilaus ne parloit que de justice: c’é- toient les plus beaux discours du monde, que les siens. En- tendant dire qu’une certaine chose etoit agreable au grand Roi (de Perse): Par où est-il plus grand Roi que moi, s’il n’est plus juste? demanda-t. il. Voila une belle Theorie; mais la Pratique n’y repondoit pas, lors qu’il s’agissoit de son Roiaume. Je veux croire, que pour des interêts particuliers il n’auroit pas facilement contrevenu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/144
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/144>, abgerufen am 30.04.2024.