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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Das dritte Lob eines Königs und Fürsten
könnte seyn: Er ist weise. Was Weisheit heis-
se? wissen wir Alten noch aus den Psalmen
des längst aus der Mode gekommenen Jüdischen
Königs David, der in seiner Einfalt die Furcht
des Herrn zu der Weisheit Anfang rechnet,
und sogar zum Preis ein ewiges Lob darauf
sezet; die Jüngern aber lernen solches aus al-
len Wörterbüchern, Encyclopedien, Almana-
chen und Compendien, biss auf Kant, den neue-
sten Fürsten der Philosophen, salvo beneficio
Ordinis
der noch grössern Nachkommenden.

Was ehedem ein weiser Fürst genennt ward,
zeigt uns die Geschichte, die uns belehret, dass,
bey allen dieses Lobes Würdigen, Herzens-Güte
mit Verstandes-Klugheit immer innig vereini-
get war.

Was man heut zu Tage unter einem weisen
Fürsten verstehen müsse und könne? weiss ich
nicht -- und nur so viel, dass viele der jeztle-
benden an der Herz- oder Kopflosigkeit, manch-
mal an beyden zugleich, krank liegen, und da-
her, wenn dieses Uebel gar epidemisch werden
sollte, gar sehr zu besorgen sey, dass das alte
Sprüchwort: Mundus parva sapientia regi-


Das dritte Lob eines Königs und Fürsten
könnte seyn: Er ist weise. Was Weisheit heis-
se? wissen wir Alten noch aus den Psalmen
des längst aus der Mode gekommenen Jüdischen
Königs David, der in seiner Einfalt die Furcht
des Herrn zu der Weisheit Anfang rechnet,
und sogar zum Preis ein ewiges Lob darauf
sezet; die Jüngern aber lernen solches aus al-
len Wörterbüchern, Encyclopedien, Almana-
chen und Compendien, biſs auf Kant, den neue-
sten Fürsten der Philosophen, salvo beneficio
Ordinis
der noch grössern Nachkommenden.

Was ehedem ein weiser Fürst genennt ward,
zeigt uns die Geschichte, die uns belehret, daſs,
bey allen dieses Lobes Würdigen, Herzens-Güte
mit Verstandes-Klugheit immer innig vereini-
get war.

Was man heut zu Tage unter einem weisen
Fürsten verstehen müsse und könne? weiſs ich
nicht — und nur so viel, daſs viele der jeztle-
benden an der Herz- oder Kopflosigkeit, manch-
mal an beyden zugleich, krank liegen, und da-
her, wenn dieses Uebel gar epidemisch werden
sollte, gar sehr zu besorgen sey, daſs das alte
Sprüchwort: Mundus parva sapientia regi-

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[140/0146] Das dritte Lob eines Königs und Fürsten könnte seyn: Er ist weise. Was Weisheit heis- se? wissen wir Alten noch aus den Psalmen des längst aus der Mode gekommenen Jüdischen Königs David, der in seiner Einfalt die Furcht des Herrn zu der Weisheit Anfang rechnet, und sogar zum Preis ein ewiges Lob darauf sezet; die Jüngern aber lernen solches aus al- len Wörterbüchern, Encyclopedien, Almana- chen und Compendien, biſs auf Kant, den neue- sten Fürsten der Philosophen, salvo beneficio Ordinis der noch grössern Nachkommenden. Was ehedem ein weiser Fürst genennt ward, zeigt uns die Geschichte, die uns belehret, daſs, bey allen dieses Lobes Würdigen, Herzens-Güte mit Verstandes-Klugheit immer innig vereini- get war. Was man heut zu Tage unter einem weisen Fürsten verstehen müsse und könne? weiſs ich nicht — und nur so viel, daſs viele der jeztle- benden an der Herz- oder Kopflosigkeit, manch- mal an beyden zugleich, krank liegen, und da- her, wenn dieses Uebel gar epidemisch werden sollte, gar sehr zu besorgen sey, daſs das alte Sprüchwort: Mundus parva sapientia regi-

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/146>, abgerufen am 30.04.2024.