Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.ruhenden Vorfahren bey sich selbst sprechen Vor zweyhundert Jahren begnügte man sich, Noch tief in das jezige Jahrhundert hinein nach- *) Wer daran zweifelt, kann sich aus den alten Canzley-
Formular-Büchern des sechszehenden Jahrhunderts und aus den zu Ende des vorigen Säculi erschienenen zween Folianten von Spatens Deutschen Secretariat-Kunst zur Genüge überzeugen. ruhenden Vorfahren bey sich selbst sprechen Vor zweyhundert Jahren begnügte man sich, Noch tief in das jezige Jahrhundert hinein nach- *) Wer daran zweifelt, kann sich aus den alten Canzley-
Formular-Büchern des sechszehenden Jahrhunderts und aus den zu Ende des vorigen Säculi erschienenen zween Folianten von Spatens Deutschen Secretariat-Kunst zur Genüge überzeugen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0198" n="192"/> ruhenden Vorfahren bey sich selbst sprechen<lb/> mag: <hi rendition="#i">Sit Divus, dummodo non sit vivus.</hi></p><lb/> <p>Vor zweyhundert Jahren begnügte man sich,<lb/> von einem verstorbenen Chur- und Fürsten zu<lb/> sagen: Unser lieber, oder frommer, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">seeliger</hi></hi><lb/> Herr; denn damahls waren viele von ihnen<lb/> noch lieb und fromm: Im vorigen Jahrhundert<lb/> wurden sie <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">höchstseelig</hi></hi> gemacht; heut zu<lb/> Tag heissen sie: Unser <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">in Gott ruhender</hi></hi><lb/> Herr Vater, oder Oheim, höchstseeliger Ge-<lb/> dächtniſs, oder <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">glorwürdigen Andenkens</hi>;</hi><lb/> ohngeachtet alle Welt glaubt, daſs der Verstor-<lb/> bene an ganz einem anderm Ort als in Gott<lb/> ruhen mag, und sein Andenken, der Wahrheit<lb/> nach, eher schandreich als glorreich genannt<lb/> zu werden verdiente <note place="foot" n="*)">Wer daran zweifelt, kann sich aus den alten Canzley-<lb/> Formular-Büchern des sechszehenden Jahrhunderts und<lb/> aus den zu Ende des vorigen Säculi erschienenen zween<lb/> Folianten von <hi rendition="#i">Spatens</hi> Deutschen Secretariat-Kunst zur<lb/> Genüge überzeugen.</note>.</p><lb/> <p>Noch tief in das jezige Jahrhundert hinein<lb/> wuſste man von nichts anders, als von Für-<lb/> sten-<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Hut</hi></hi> und Fürsten-<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Stuhl</hi>;</hi> heut zu Tag<lb/> ists Fürsten-<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Crone</hi></hi> und Fürsten-<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Thron</hi>;</hi> kein<lb/> Wunder also, daſs die Reichsgrafen ebenfalls<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nach-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0198]
ruhenden Vorfahren bey sich selbst sprechen
mag: Sit Divus, dummodo non sit vivus.
Vor zweyhundert Jahren begnügte man sich,
von einem verstorbenen Chur- und Fürsten zu
sagen: Unser lieber, oder frommer, seeliger
Herr; denn damahls waren viele von ihnen
noch lieb und fromm: Im vorigen Jahrhundert
wurden sie höchstseelig gemacht; heut zu
Tag heissen sie: Unser in Gott ruhender
Herr Vater, oder Oheim, höchstseeliger Ge-
dächtniſs, oder glorwürdigen Andenkens;
ohngeachtet alle Welt glaubt, daſs der Verstor-
bene an ganz einem anderm Ort als in Gott
ruhen mag, und sein Andenken, der Wahrheit
nach, eher schandreich als glorreich genannt
zu werden verdiente *).
Noch tief in das jezige Jahrhundert hinein
wuſste man von nichts anders, als von Für-
sten-Hut und Fürsten-Stuhl; heut zu Tag
ists Fürsten-Crone und Fürsten-Thron; kein
Wunder also, daſs die Reichsgrafen ebenfalls
nach-
*) Wer daran zweifelt, kann sich aus den alten Canzley-
Formular-Büchern des sechszehenden Jahrhunderts und
aus den zu Ende des vorigen Säculi erschienenen zween
Folianten von Spatens Deutschen Secretariat-Kunst zur
Genüge überzeugen.
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