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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Ganzen etc. weiss und versteht er nichts; da-
für ist der Baumeister da. Er verdient sein Brod
im Schweiss seines Angesichts sauer und ehr-
lich; was kann er dafür, dass sein Vater Fürst,
und nicht auch ein Zimmermann war?


Ich habe genau einen andern Fürsten gekannt,
dem wochentlich zweymahl das Cabinets-Pro-
tocoll vorgelesen, seine Entscheidung von dem
geheimen Secretair jedesmahl auf den zur Hälfte
gebrochenen Bogen beygesezt, und jede Reso-
lution, die gemeiniglich mit dem Vortrag bey-
fällig lautete, von dem Fürsten unterzeichnet
wurde. Weil gewöhnlich alles von irgend ei-
nigem Belang einberichtet werden musste, so
war diss Unterzeichnen keine Kleinigkeit, und
der Fürst allemahl froh, diese Frohn-Arbeit
vollbracht zu haben. In einem vergnügten Au-
genblick nachgetragener Last eines solchen Re-
ferats, fragte er mich: Wie vielmahl meynen
Sie wohl, dass ich heute meinen Nahmen un-
terschrieben habe? Auf die Antwort: Doch wohl
zehen biss zwölfmahl! erwiederte der Fürst mit
frohem Erstaunen: Was, zehen-bis zwölfmahl?
sechs und dreissigmahl! Diss unterschreiben sei-
nes Nahmens war in seinem Sinn, regieren.

Ganzen etc. weiſs und versteht er nichts; da-
für ist der Baumeister da. Er verdient sein Brod
im Schweiſs seines Angesichts sauer und ehr-
lich; was kann er dafür, daſs sein Vater Fürst,
und nicht auch ein Zimmermann war?


Ich habe genau einen andern Fürsten gekannt,
dem wochentlich zweymahl das Cabinets-Pro-
tocoll vorgelesen, seine Entscheidung von dem
geheimen Secretair jedesmahl auf den zur Hälfte
gebrochenen Bogen beygesezt, und jede Reso-
lution, die gemeiniglich mit dem Vortrag bey-
fällig lautete, von dem Fürsten unterzeichnet
wurde. Weil gewöhnlich alles von irgend ei-
nigem Belang einberichtet werden muſste, so
war diſs Unterzeichnen keine Kleinigkeit, und
der Fürst allemahl froh, diese Frohn-Arbeit
vollbracht zu haben. In einem vergnügten Au-
genblick nachgetragener Last eines solchen Re-
ferats, fragte er mich: Wie vielmahl meynen
Sie wohl, daſs ich heute meinen Nahmen un-
terschrieben habe? Auf die Antwort: Doch wohl
zehen biſs zwölfmahl! erwiederte der Fürst mit
frohem Erstaunen: Was, zehen-bis zwölfmahl?
sechs und dreiſsigmahl! Diſs unterschreiben sei-
nes Nahmens war in seinem Sinn, regieren.

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[55/0061] Ganzen etc. weiſs und versteht er nichts; da- für ist der Baumeister da. Er verdient sein Brod im Schweiſs seines Angesichts sauer und ehr- lich; was kann er dafür, daſs sein Vater Fürst, und nicht auch ein Zimmermann war? Ich habe genau einen andern Fürsten gekannt, dem wochentlich zweymahl das Cabinets-Pro- tocoll vorgelesen, seine Entscheidung von dem geheimen Secretair jedesmahl auf den zur Hälfte gebrochenen Bogen beygesezt, und jede Reso- lution, die gemeiniglich mit dem Vortrag bey- fällig lautete, von dem Fürsten unterzeichnet wurde. Weil gewöhnlich alles von irgend ei- nigem Belang einberichtet werden muſste, so war diſs Unterzeichnen keine Kleinigkeit, und der Fürst allemahl froh, diese Frohn-Arbeit vollbracht zu haben. In einem vergnügten Au- genblick nachgetragener Last eines solchen Re- ferats, fragte er mich: Wie vielmahl meynen Sie wohl, daſs ich heute meinen Nahmen un- terschrieben habe? Auf die Antwort: Doch wohl zehen biſs zwölfmahl! erwiederte der Fürst mit frohem Erstaunen: Was, zehen-bis zwölfmahl? sechs und dreiſsigmahl! Diſs unterschreiben sei- nes Nahmens war in seinem Sinn, regieren.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/61>, abgerufen am 28.04.2024.