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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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weil es einmahl so der Ton des Hofs und
der Character der Nation ist, zehenmahl sich
eine Sache heissen zu lassen, biss es ihr das
eilftemahl gefällig ist, es zu thun. So liess z.
B. die gütige Kayserin Königin Maria Theresia
einst dem verstorbenen General Fürsten Chri-
stian von Löwenstein, wegen einiger freyen
Reden, den Hof verbieten; der Fürst kam des
andern Tags gleichwohl wieder; die Kayserin
Königin liess ihn bey seiner Erblickung zur
Rede stellen, bekam aber die Antwort: "In
Berlin wird nur einmahl befohlen, in Wien
muss mans einem dreymahl heissen, biss mans
thut"; die gütige Monarchin schmählte mit ver-
bissenem Lachen über das böse Maul des Für-
sten, und damit hatte das Verbot ein Ende.

Joseph II. hat sein Volk, seine Generals, sei-
ne Minister und Diener aller Gattung anders
rechnen gelernt; doch ist's ihm auch, bey sei-
nen zu oft und zu schnell hinter einander kom-
menden Befehlen, wiederfahren, dass man sie
und seine Verordnungen bloss desswegen unbe-
folgt gelassen, um erst abzuwarten, ob er sie
nicht selbst in einigen Tagen oder Stunden wi-
derrufen würde?


weil es einmahl so der Ton des Hofs und
der Character der Nation ist, zehenmahl sich
eine Sache heissen zu lassen, biſs es ihr das
eilftemahl gefällig ist, es zu thun. So lieſs z.
B. die gütige Kayserin Königin Maria Theresia
einst dem verstorbenen General Fürsten Chri-
stian von Löwenstein, wegen einiger freyen
Reden, den Hof verbieten; der Fürst kam des
andern Tags gleichwohl wieder; die Kayserin
Königin lieſs ihn bey seiner Erblickung zur
Rede stellen, bekam aber die Antwort: „In
Berlin wird nur einmahl befohlen, in Wien
muſs mans einem dreymahl heissen, biſs mans
thut„; die gütige Monarchin schmählte mit ver-
bissenem Lachen über das böse Maul des Für-
sten, und damit hatte das Verbot ein Ende.

Joseph II. hat sein Volk, seine Generals, sei-
ne Minister und Diener aller Gattung anders
rechnen gelernt; doch ist’s ihm auch, bey sei-
nen zu oft und zu schnell hinter einander kom-
menden Befehlen, wiederfahren, daſs man sie
und seine Verordnungen bloſs deſswegen unbe-
folgt gelassen, um erst abzuwarten, ob er sie
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[58/0064] weil es einmahl so der Ton des Hofs und der Character der Nation ist, zehenmahl sich eine Sache heissen zu lassen, biſs es ihr das eilftemahl gefällig ist, es zu thun. So lieſs z. B. die gütige Kayserin Königin Maria Theresia einst dem verstorbenen General Fürsten Chri- stian von Löwenstein, wegen einiger freyen Reden, den Hof verbieten; der Fürst kam des andern Tags gleichwohl wieder; die Kayserin Königin lieſs ihn bey seiner Erblickung zur Rede stellen, bekam aber die Antwort: „In Berlin wird nur einmahl befohlen, in Wien muſs mans einem dreymahl heissen, biſs mans thut„; die gütige Monarchin schmählte mit ver- bissenem Lachen über das böse Maul des Für- sten, und damit hatte das Verbot ein Ende. Joseph II. hat sein Volk, seine Generals, sei- ne Minister und Diener aller Gattung anders rechnen gelernt; doch ist’s ihm auch, bey sei- nen zu oft und zu schnell hinter einander kom- menden Befehlen, wiederfahren, daſs man sie und seine Verordnungen bloſs deſswegen unbe- folgt gelassen, um erst abzuwarten, ob er sie nicht selbst in einigen Tagen oder Stunden wi- derrufen würde?

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/64>, abgerufen am 27.04.2024.