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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Es ist kein Fürst oder Herr so klein, dass er
nicht seine Portion Lob verdienen kann. Ja von
manchem kann man sagen: Je kleiner, je bes-
ser; je grösser, je schlechter.

Es ist kein Fürst so schlimm, der nicht manch-
mahl eine einzele schöne und gerechte Hand-
lung thäte. Man hat ja sogar glaubwürdige
Geschichten von grossmüthigen Raübern.

Kein Königs- und Fürsten-Haus ist so schlecht,
dass sich nicht unter seinen Ahnen Ein guter
fände; keines aber ist so gut, dass es nicht un-
ter seinen Voreltern einen Narren oder Tyran-
nen aufzuweisen hätte.

Das ist jedoch betrübt, wann in Jahrhunder-
ten eine ganze Geschlechts-Reihe auf einan-
der folgt, die höchstens lauter Mittelgut sind;
unter denen sich nicht auch nur ein Einziger
als einen grossen, guten und weisen Mann aus-
zeichnet.

Das Publicum weiss sich aber in solchen Fäl-
len zu helfen; es sucht so lange und geht so
weit in die vorige Zeiten zurück, biss es end-
lich Einen findet, zu dem es sich mit Ehren,
oder doch ohne Schande, bekennen kann. So
hielten's die Franzosen, dieweil sie noch Köni-
ge hatten, mit ihrem, bey allen seinen Schwach-

Es ist kein Fürst oder Herr so klein, daſs er
nicht seine Portion Lob verdienen kann. Ja von
manchem kann man sagen: Je kleiner, je bes-
ser; je gröſser, je schlechter.

Es ist kein Fürst so schlimm, der nicht manch-
mahl eine einzele schöne und gerechte Hand-
lung thäte. Man hat ja sogar glaubwürdige
Geschichten von groſsmüthigen Raübern.

Kein Königs- und Fürsten-Haus ist so schlecht,
daſs sich nicht unter seinen Ahnen Ein guter
fände; keines aber ist so gut, daſs es nicht un-
ter seinen Voreltern einen Narren oder Tyran-
nen aufzuweisen hätte.

Das ist jedoch betrübt, wann in Jahrhunder-
ten eine ganze Geschlechts-Reihe auf einan-
der folgt, die höchstens lauter Mittelgut sind;
unter denen sich nicht auch nur ein Einziger
als einen groſsen, guten und weisen Mann aus-
zeichnet.

Das Publicum weiſs sich aber in solchen Fäl-
len zu helfen; es sucht so lange und geht so
weit in die vorige Zeiten zurück, biſs es end-
lich Einen findet, zu dem es sich mit Ehren,
oder doch ohne Schande, bekennen kann. So
hielten’s die Franzosen, dieweil sie noch Köni-
ge hatten, mit ihrem, bey allen seinen Schwach-

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[72/0078] Es ist kein Fürst oder Herr so klein, daſs er nicht seine Portion Lob verdienen kann. Ja von manchem kann man sagen: Je kleiner, je bes- ser; je gröſser, je schlechter. Es ist kein Fürst so schlimm, der nicht manch- mahl eine einzele schöne und gerechte Hand- lung thäte. Man hat ja sogar glaubwürdige Geschichten von groſsmüthigen Raübern. Kein Königs- und Fürsten-Haus ist so schlecht, daſs sich nicht unter seinen Ahnen Ein guter fände; keines aber ist so gut, daſs es nicht un- ter seinen Voreltern einen Narren oder Tyran- nen aufzuweisen hätte. Das ist jedoch betrübt, wann in Jahrhunder- ten eine ganze Geschlechts-Reihe auf einan- der folgt, die höchstens lauter Mittelgut sind; unter denen sich nicht auch nur ein Einziger als einen groſsen, guten und weisen Mann aus- zeichnet. Das Publicum weiſs sich aber in solchen Fäl- len zu helfen; es sucht so lange und geht so weit in die vorige Zeiten zurück, biſs es end- lich Einen findet, zu dem es sich mit Ehren, oder doch ohne Schande, bekennen kann. So hielten’s die Franzosen, dieweil sie noch Köni- ge hatten, mit ihrem, bey allen seinen Schwach-

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/78>, abgerufen am 27.04.2024.