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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Man verwechselt manchmahl so wohl bey
dem Loben der Fürsten als bey den Beschuldi-
gungen des Criminis laesae den Menschen mit
dem Fürsten, und rechnet diesem zu gut, was
nur jenen angeht.


Es ist immer gewagt, zuweilen gefährlich,
einen Fürsten wegen Tugenden zu loben, die
der, zu welchem man spricht, nicht auch --
sondern wohl gar das Gegentheil davon hat.
Er sieht ein solches Lob als einen stillschwei-
genden Vorwurf, wo nicht gar als eine vorsetz-
liche Spottrede; lässt es den lobenden unange-
nehm empfinden, und, wann er kann und darf,
rächt er sich wohl desswegen.


Die Könige loben selten anders, als mit de-
nen Worten: Er hat als ein braver Mann seine
Schuldigkeit gethan. Sie meynen immer, sie
entziehen und vergeben sich selbst was, wenn
sie andere loben; und es ist noch immer wahr,
was vor bald hundert Jahren die Frau von
Maintenon
an den Marschall von Noailles,
schrieb": Enfin le Roi (Louis XIV.) Vous a
donne de louanges, et il n'en sort gueres de


Man verwechselt manchmahl so wohl bey
dem Loben der Fürsten als bey den Beschuldi-
gungen des Criminis laesæ den Menschen mit
dem Fürsten, und rechnet diesem zu gut, was
nur jenen angeht.


Es ist immer gewagt, zuweilen gefährlich,
einen Fürsten wegen Tugenden zu loben, die
der, zu welchem man spricht, nicht auch —
sondern wohl gar das Gegentheil davon hat.
Er sieht ein solches Lob als einen stillschwei-
genden Vorwurf, wo nicht gar als eine vorsetz-
liche Spottrede; läſst es den lobenden unange-
nehm empfinden, und, wann er kann und darf,
rächt er sich wohl deſswegen.


Die Könige loben selten anders, als mit de-
nen Worten: Er hat als ein braver Mann seine
Schuldigkeit gethan. Sie meynen immer, sie
entziehen und vergeben sich selbst was, wenn
sie andere loben; und es ist noch immer wahr,
was vor bald hundert Jahren die Frau von
Maintenon
an den Marschall von Noailles,
schrieb„: Enfin le Roi (Louis XIV.) Vous a
donné de louanges, et il n’en sort gueres de

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[92/0098] Man verwechselt manchmahl so wohl bey dem Loben der Fürsten als bey den Beschuldi- gungen des Criminis laesæ den Menschen mit dem Fürsten, und rechnet diesem zu gut, was nur jenen angeht. Es ist immer gewagt, zuweilen gefährlich, einen Fürsten wegen Tugenden zu loben, die der, zu welchem man spricht, nicht auch — sondern wohl gar das Gegentheil davon hat. Er sieht ein solches Lob als einen stillschwei- genden Vorwurf, wo nicht gar als eine vorsetz- liche Spottrede; läſst es den lobenden unange- nehm empfinden, und, wann er kann und darf, rächt er sich wohl deſswegen. Die Könige loben selten anders, als mit de- nen Worten: Er hat als ein braver Mann seine Schuldigkeit gethan. Sie meynen immer, sie entziehen und vergeben sich selbst was, wenn sie andere loben; und es ist noch immer wahr, was vor bald hundert Jahren die Frau von Maintenon an den Marschall von Noailles, schrieb„: Enfin le Roi (Louis XIV.) Vous a donné de louanges, et il n’en sort gueres de

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/98>, abgerufen am 27.04.2024.