Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

zu begreifen, Rhion ist das Vorgebirge von Methone
und die benachbarte Südküste, Hyamia möchte ich für
das Gestade des Messenischen Busens zunächst an der
Gränze Lakoniens halten, Mesola bedeutet das Mit-
telland 1 am Pamisos, Stenyklaros die nördlichere
Ebene Messeniens. --

14.

Ganz nahe liegt ein anderes Beispiel, auf
welche willkührliche Weise sich Ephoros die Geschichte
zusammenräsonnirte. Er geht davon aus, daß Eury-
sthenes
und Prokles, obgleich Gründer Sparta's,
doch nicht als solche (als arkhegetai) verehrt würden,
keiner göttlichen Ehre genössen, keinem Stamme den
Namen gegeben hätten u. s. w. -- Hier ist nun schon
der Anfang falsch, da Eurysthenes und Prokles nach
ächter Landessage gar nicht die Gründer waren, wie
eben gezeigt wurde. -- Daraus schließt nun aber der
Historiker, daß sie die Dorier müssen beleidigt haben,
und findet diese Beleidigung in der Aufnahme fremder
Bürger, durch deren Hülfe sie ihre Herrschaft ausge-
dehnt hätten. -- Solches Verfahren entschuldigt hin-
länglich, wenn wir auf allen Wegen Ephoros Behand-
lung aufheben und seine Resultate umstoßen müssen.

Uebrigens muß es im Alterthum über Prokles und
Eurysthenes viele Sagen gegeben haben, die uns nicht
zugekommen sind. Allgemein verbreitet war die Sage
von ihrer beständigen Uneinigkeit, und wir wissen, daß
man viel von Prokles, wenig von Eurysthenes Helden-
thaten erzählte 2. Merkwürdig aber ist besonders, was
Cicero gelegentlich anführt, daß Prokles ein Jahr vor

1 Vgl. den Namen der alten Lakonischen Stadt Ippo-la.
Paus. 3, 25, 6. Steph. Byz. und das alte Ethnikon von Argos
Argo-las.
2 Bei Herodot, Pausanias, Cicero de divin.
2, 43.

zu begreifen, Rhion iſt das Vorgebirge von Methone
und die benachbarte Suͤdkuͤſte, Hyamia moͤchte ich fuͤr
das Geſtade des Meſſeniſchen Buſens zunaͤchſt an der
Graͤnze Lakoniens halten, Meſola bedeutet das Mit-
telland 1 am Pamiſos, Stenyklaros die noͤrdlichere
Ebene Meſſeniens. —

14.

Ganz nahe liegt ein anderes Beiſpiel, auf
welche willkuͤhrliche Weiſe ſich Ephoros die Geſchichte
zuſammenraͤſonnirte. Er geht davon aus, daß Eury-
ſthenes
und Prokles, obgleich Gruͤnder Sparta’s,
doch nicht als ſolche (als ἀϱχηγέται) verehrt wuͤrden,
keiner goͤttlichen Ehre genoͤſſen, keinem Stamme den
Namen gegeben haͤtten u. ſ. w. — Hier iſt nun ſchon
der Anfang falſch, da Euryſthenes und Prokles nach
aͤchter Landesſage gar nicht die Gruͤnder waren, wie
eben gezeigt wurde. — Daraus ſchließt nun aber der
Hiſtoriker, daß ſie die Dorier muͤſſen beleidigt haben,
und findet dieſe Beleidigung in der Aufnahme fremder
Buͤrger, durch deren Huͤlfe ſie ihre Herrſchaft ausge-
dehnt haͤtten. — Solches Verfahren entſchuldigt hin-
laͤnglich, wenn wir auf allen Wegen Ephoros Behand-
lung aufheben und ſeine Reſultate umſtoßen muͤſſen.

Uebrigens muß es im Alterthum uͤber Prokles und
Euryſthenes viele Sagen gegeben haben, die uns nicht
zugekommen ſind. Allgemein verbreitet war die Sage
von ihrer beſtaͤndigen Uneinigkeit, und wir wiſſen, daß
man viel von Prokles, wenig von Euryſthenes Helden-
thaten erzaͤhlte 2. Merkwuͤrdig aber iſt beſonders, was
Cicero gelegentlich anfuͤhrt, daß Prokles ein Jahr vor

1 Vgl. den Namen der alten Lakoniſchen Stadt Ἱππό-λα.
Pauſ. 3, 25, 6. Steph. Byz. und das alte Ethnikon von Argos
Αϱγό-λας.
2 Bei Herodot, Pauſanias, Cicero de divin.
2, 43.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0126" n="96"/>
zu begreifen, Rhion i&#x017F;t das Vorgebirge von Methone<lb/>
und die benachbarte Su&#x0364;dku&#x0364;&#x017F;te, Hyamia mo&#x0364;chte ich fu&#x0364;r<lb/>
das Ge&#x017F;tade des Me&#x017F;&#x017F;eni&#x017F;chen Bu&#x017F;ens zuna&#x0364;ch&#x017F;t an der<lb/>
Gra&#x0364;nze Lakoniens halten, Me&#x017F;ola bedeutet das Mit-<lb/>
telland <note place="foot" n="1">Vgl. den Namen der alten Lakoni&#x017F;chen Stadt &#x1F39;&#x03C0;&#x03C0;&#x03CC;-&#x03BB;&#x03B1;.<lb/>
Pau&#x017F;. 3, 25, 6. Steph. Byz. und das alte Ethnikon von Argos<lb/>
&#x0391;&#x03F1;&#x03B3;&#x03CC;-&#x03BB;&#x03B1;&#x03C2;.</note> am Pami&#x017F;os, Stenyklaros die no&#x0364;rdlichere<lb/>
Ebene Me&#x017F;&#x017F;eniens. &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>14.</head><lb/>
            <p>Ganz nahe liegt ein anderes Bei&#x017F;piel, auf<lb/>
welche willku&#x0364;hrliche Wei&#x017F;e &#x017F;ich Ephoros die Ge&#x017F;chichte<lb/>
zu&#x017F;ammenra&#x0364;&#x017F;onnirte. Er geht davon aus, daß <hi rendition="#g">Eury-<lb/>
&#x017F;thenes</hi> und <hi rendition="#g">Prokles</hi>, obgleich Gru&#x0364;nder Sparta&#x2019;s,<lb/>
doch nicht als &#x017F;olche (als &#x1F00;&#x03F1;&#x03C7;&#x03B7;&#x03B3;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;) verehrt wu&#x0364;rden,<lb/>
keiner go&#x0364;ttlichen Ehre geno&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, keinem Stamme den<lb/>
Namen gegeben ha&#x0364;tten u. &#x017F;. w. &#x2014; Hier i&#x017F;t nun &#x017F;chon<lb/>
der Anfang fal&#x017F;ch, da Eury&#x017F;thenes und Prokles nach<lb/>
a&#x0364;chter Landes&#x017F;age gar nicht die Gru&#x0364;nder waren, wie<lb/>
eben gezeigt wurde. &#x2014; Daraus &#x017F;chließt nun aber der<lb/>
Hi&#x017F;toriker, daß &#x017F;ie die Dorier mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en beleidigt haben,<lb/>
und findet die&#x017F;e Beleidigung in der Aufnahme fremder<lb/>
Bu&#x0364;rger, durch deren Hu&#x0364;lfe &#x017F;ie ihre Herr&#x017F;chaft ausge-<lb/>
dehnt ha&#x0364;tten. &#x2014; Solches Verfahren ent&#x017F;chuldigt hin-<lb/>
la&#x0364;nglich, wenn wir auf allen Wegen Ephoros Behand-<lb/>
lung aufheben und &#x017F;eine Re&#x017F;ultate um&#x017F;toßen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Uebrigens muß es im Alterthum u&#x0364;ber Prokles und<lb/>
Eury&#x017F;thenes viele Sagen gegeben haben, die uns nicht<lb/>
zugekommen &#x017F;ind. Allgemein verbreitet war die Sage<lb/>
von ihrer be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Uneinigkeit, und wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
man viel von Prokles, wenig von Eury&#x017F;thenes Helden-<lb/>
thaten erza&#x0364;hlte <note place="foot" n="2">Bei Herodot, Pau&#x017F;anias, Cicero <hi rendition="#aq">de divin.</hi><lb/>
2, 43.</note>. Merkwu&#x0364;rdig aber i&#x017F;t be&#x017F;onders, was<lb/>
Cicero gelegentlich anfu&#x0364;hrt, daß Prokles ein Jahr vor<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0126] zu begreifen, Rhion iſt das Vorgebirge von Methone und die benachbarte Suͤdkuͤſte, Hyamia moͤchte ich fuͤr das Geſtade des Meſſeniſchen Buſens zunaͤchſt an der Graͤnze Lakoniens halten, Meſola bedeutet das Mit- telland 1 am Pamiſos, Stenyklaros die noͤrdlichere Ebene Meſſeniens. — 14. Ganz nahe liegt ein anderes Beiſpiel, auf welche willkuͤhrliche Weiſe ſich Ephoros die Geſchichte zuſammenraͤſonnirte. Er geht davon aus, daß Eury- ſthenes und Prokles, obgleich Gruͤnder Sparta’s, doch nicht als ſolche (als ἀϱχηγέται) verehrt wuͤrden, keiner goͤttlichen Ehre genoͤſſen, keinem Stamme den Namen gegeben haͤtten u. ſ. w. — Hier iſt nun ſchon der Anfang falſch, da Euryſthenes und Prokles nach aͤchter Landesſage gar nicht die Gruͤnder waren, wie eben gezeigt wurde. — Daraus ſchließt nun aber der Hiſtoriker, daß ſie die Dorier muͤſſen beleidigt haben, und findet dieſe Beleidigung in der Aufnahme fremder Buͤrger, durch deren Huͤlfe ſie ihre Herrſchaft ausge- dehnt haͤtten. — Solches Verfahren entſchuldigt hin- laͤnglich, wenn wir auf allen Wegen Ephoros Behand- lung aufheben und ſeine Reſultate umſtoßen muͤſſen. Uebrigens muß es im Alterthum uͤber Prokles und Euryſthenes viele Sagen gegeben haben, die uns nicht zugekommen ſind. Allgemein verbreitet war die Sage von ihrer beſtaͤndigen Uneinigkeit, und wir wiſſen, daß man viel von Prokles, wenig von Euryſthenes Helden- thaten erzaͤhlte 2. Merkwuͤrdig aber iſt beſonders, was Cicero gelegentlich anfuͤhrt, daß Prokles ein Jahr vor 1 Vgl. den Namen der alten Lakoniſchen Stadt Ἱππό-λα. Pauſ. 3, 25, 6. Steph. Byz. und das alte Ethnikon von Argos Αϱγό-λας. 2 Bei Herodot, Pauſanias, Cicero de divin. 2, 43.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/126
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/126>, abgerufen am 30.04.2024.