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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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und verhaßt ist 1. Auch gewinnen wir dadurch Licht
über die wunderliche und räthselhafte Geschichte, wie
Pythagoras im Heräon zu Argos den Schild des Eu-
phorbos als seinen erkennt und sich dadurch als diesen
Heros in früherem Leben erweist. Denn den Euphor-
bos wählte er aus keinem andern Grunde, als weil
er ihn, wie sich selbst, als Apollopriester betrachtete.
Wir können uns wohl überzeugt halten, daß die alte
Pythagorische Schule noch Epopöen kannte, in denen
mancher bedeutende Zug alter Mythen erhalten war,
der im Homer fast gänzlich verwischt ist 2. Das an-
dere Haus, welches die Homerische Poesie in eigene
Verbindung mit Apollon setzt, ist das des Aeneas,
welchen der Gott selbst, als ihn Achilleus verwundet
hat, in seinen Tempel auf der Burg Pergamos trägt
und der ärzlichen Pflege der Leto und Artemis über-
giebt 3. Auch fahren diesen Helden ja Rosse aus der
Zucht Apollons. Daß der Dichter aber dies Verhält-
niß nicht willkührlich erfunden hat: läßt sich bestimmt
erweisen. Wir wissen, daß als Trojas Zinnen längst
gefallen, sich noch ein Rest von Teukrern in den Ge-
bürgen der Gegend hielt, und zu Herodots Zeit als
ein abgesonderter Staat in den Schluchten des Ida
in der festen Stadt Gergis bestand 4, ja noch nach

1 Auch den Achill tödtet Apoll nach Homer, Arktinos und Aeschy-
los in der Psychostasia (vgl. Heyne zu Il. 22, 359. Tychsen zu Qu.
Comment. p. 61.); Neoptolem wird zu Pytho erschlagen. Achill tödtet
deswegen auch den Apollosohn (Tzetz. Lyk. 232.) Tennes, in dessen
Tempel der Name des Phthiers nicht ausgesprochen werden durfte. Plut.
Qu. Gr. 28. S. 933.
2 S. Herakl. Pont. bei Diog. L. 8, 4. u. Aa.
Aus demselben Grunde wollte Pythagoras Aethalides gewesen sein;
und ein Kreter Pytrhos (Schol. Apoll. 1, 644.).
3 Il. 5, 446.
4 Herod. 6, 122. 7, 43. Es lag in Lampsakos Gebiet (Str.
13, 589.) im Ida (Athen. 6, 256 c.) Dardanos gegenüber (Herod.);

und verhaßt iſt 1. Auch gewinnen wir dadurch Licht
uͤber die wunderliche und raͤthſelhafte Geſchichte, wie
Pythagoras im Heraͤon zu Argos den Schild des Eu-
phorbos als ſeinen erkennt und ſich dadurch als dieſen
Heros in fruͤherem Leben erweiſt. Denn den Euphor-
bos waͤhlte er aus keinem andern Grunde, als weil
er ihn, wie ſich ſelbſt, als Apolloprieſter betrachtete.
Wir koͤnnen uns wohl uͤberzeugt halten, daß die alte
Pythagoriſche Schule noch Epopoͤen kannte, in denen
mancher bedeutende Zug alter Mythen erhalten war,
der im Homer faſt gaͤnzlich verwiſcht iſt 2. Das an-
dere Haus, welches die Homeriſche Poëſie in eigene
Verbindung mit Apollon ſetzt, iſt das des Aeneas,
welchen der Gott ſelbſt, als ihn Achilleus verwundet
hat, in ſeinen Tempel auf der Burg Pergamos traͤgt
und der aͤrzlichen Pflege der Leto und Artemis uͤber-
giebt 3. Auch fahren dieſen Helden ja Roſſe aus der
Zucht Apollons. Daß der Dichter aber dies Verhaͤlt-
niß nicht willkuͤhrlich erfunden hat: laͤßt ſich beſtimmt
erweiſen. Wir wiſſen, daß als Trojas Zinnen laͤngſt
gefallen, ſich noch ein Reſt von Teukrern in den Ge-
buͤrgen der Gegend hielt, und zu Herodots Zeit als
ein abgeſonderter Staat in den Schluchten des Ida
in der feſten Stadt Gergis beſtand 4, ja noch nach

1 Auch den Achill toͤdtet Apoll nach Homer, Arktinos und Aeſchy-
los in der Pſychoſtaſia (vgl. Heyne zu Il. 22, 359. Tychſen zu Qu.
Comment. p. 61.); Neoptolem wird zu Pytho erſchlagen. Achill toͤdtet
deswegen auch den Apolloſohn (Tzetz. Lyk. 232.) Tennes, in deſſen
Tempel der Name des Phthiers nicht ausgeſprochen werden durfte. Plut.
Qu. Gr. 28. S. 933.
2 S. Herakl. Pont. bei Diog. L. 8, 4. u. Aa.
Aus demſelben Grunde wollte Pythagoras Aethalides geweſen ſein;
und ein Kreter Pytrhos (Schol. Apoll. 1, 644.).
3 Il. 5, 446.
4 Herod. 6, 122. 7, 43. Es lag in Lampſakos Gebiet (Str.
13, 589.) im Ida (Athen. 6, 256 c.) Dardanos gegenuͤber (Herod.);
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[221/0251] und verhaßt iſt 1. Auch gewinnen wir dadurch Licht uͤber die wunderliche und raͤthſelhafte Geſchichte, wie Pythagoras im Heraͤon zu Argos den Schild des Eu- phorbos als ſeinen erkennt und ſich dadurch als dieſen Heros in fruͤherem Leben erweiſt. Denn den Euphor- bos waͤhlte er aus keinem andern Grunde, als weil er ihn, wie ſich ſelbſt, als Apolloprieſter betrachtete. Wir koͤnnen uns wohl uͤberzeugt halten, daß die alte Pythagoriſche Schule noch Epopoͤen kannte, in denen mancher bedeutende Zug alter Mythen erhalten war, der im Homer faſt gaͤnzlich verwiſcht iſt 2. Das an- dere Haus, welches die Homeriſche Poëſie in eigene Verbindung mit Apollon ſetzt, iſt das des Aeneas, welchen der Gott ſelbſt, als ihn Achilleus verwundet hat, in ſeinen Tempel auf der Burg Pergamos traͤgt und der aͤrzlichen Pflege der Leto und Artemis uͤber- giebt 3. Auch fahren dieſen Helden ja Roſſe aus der Zucht Apollons. Daß der Dichter aber dies Verhaͤlt- niß nicht willkuͤhrlich erfunden hat: laͤßt ſich beſtimmt erweiſen. Wir wiſſen, daß als Trojas Zinnen laͤngſt gefallen, ſich noch ein Reſt von Teukrern in den Ge- buͤrgen der Gegend hielt, und zu Herodots Zeit als ein abgeſonderter Staat in den Schluchten des Ida in der feſten Stadt Gergis beſtand 4, ja noch nach 1 Auch den Achill toͤdtet Apoll nach Homer, Arktinos und Aeſchy- los in der Pſychoſtaſia (vgl. Heyne zu Il. 22, 359. Tychſen zu Qu. Comment. p. 61.); Neoptolem wird zu Pytho erſchlagen. Achill toͤdtet deswegen auch den Apolloſohn (Tzetz. Lyk. 232.) Tennes, in deſſen Tempel der Name des Phthiers nicht ausgeſprochen werden durfte. Plut. Qu. Gr. 28. S. 933. 2 S. Herakl. Pont. bei Diog. L. 8, 4. u. Aa. Aus demſelben Grunde wollte Pythagoras Aethalides geweſen ſein; und ein Kreter Pytrhos (Schol. Apoll. 1, 644.). 3 Il. 5, 446. 4 Herod. 6, 122. 7, 43. Es lag in Lampſakos Gebiet (Str. 13, 589.) im Ida (Athen. 6, 256 c.) Dardanos gegenuͤber (Herod.);

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/251>, abgerufen am 27.04.2024.