Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

chung des Wiederkehrens der Mondphasen mit den Auf-
und Untergängen einiger Hauptsterne, namentlich der
Pleiaden; der Sonnenstand konnte ohne mathematische
Vorkenntnisse dabei nicht einmal zur Berechnung die-
nen. Auch sind die Feste des Cultus gar nicht an be-
stimmte auffallende Epochen des Sonnenlaufs geknüpft;
weit mehr an die Phasen des Mondes. Denn erstens
ist der Neumond dem Apollon heilig, und er hieß da-
von selbst Neomenios 1; dann wieder das erste Viertel
oder der siebente Tag, endlich auch der Vollmond
(dikhomenia), dieser namentlich in Zakynthos 2. Dar-
um wird aber Niemand behaupten wollen: Apollon
sei ein Mondgott. -- Bei alledem läugnen wir indeß
nicht, daß die Begriffe Apollons und des Sonnengottes
in einzelnen Verzweigungen eine Vergleichung und Pa-
rallele zulassen; die Quelle des äußern Lichts konnte
Symbol des "hellen Gottes" sein, dessen Mutter Lato,
die Verborgene, äußerlich als Nacht gefaßt werden
mochte 3, etwa wie Neuplatoniker, nur zu sublim
sagten: "wie sich die Sonne zum Auge verhalte, in
welchem sie die Kraft zu sehen zur Wirksamkeit bringe,
so Apollon zum Geiste des Menschen" und "der an-
schaubare Helios habe die Menschen von der Erkennt-
niß Apollons entfernt" 4. Doch ist auch ein solches
Verhältniß durchaus ungeschichtlich. Ein Symbol des
Cultus muß äußerlich hervortreten, und wo wäre dies
hier der Fall? Der Sonnendienst bestand in Griechen-
land fortwährend auf der Korinthischen Akropole, zu
Rhodos, in Athen, wie früher auch zu Kalauria und

1 Philochor. bei den schol. vulg. Od. 20, 155. vgl. zu 21,
258.
2 Plutarch Dion 23.
3 wie bei Plut. von den Dädalen
Fragm. 4. 5. S. 288. 89. H.
4 Plut. de def. or. 7. 12.
de Pyth. or. 12. Symp. Qu.
3, 10.

chung des Wiederkehrens der Mondphaſen mit den Auf-
und Untergaͤngen einiger Hauptſterne, namentlich der
Pleiaden; der Sonnenſtand konnte ohne mathematiſche
Vorkenntniſſe dabei nicht einmal zur Berechnung die-
nen. Auch ſind die Feſte des Cultus gar nicht an be-
ſtimmte auffallende Epochen des Sonnenlaufs geknuͤpft;
weit mehr an die Phaſen des Mondes. Denn erſtens
iſt der Neumond dem Apollon heilig, und er hieß da-
von ſelbſt Νεομήνιος 1; dann wieder das erſte Viertel
oder der ſiebente Tag, endlich auch der Vollmond
(διχομηνία), dieſer namentlich in Zakynthos 2. Dar-
um wird aber Niemand behaupten wollen: Apollon
ſei ein Mondgott. — Bei alledem laͤugnen wir indeß
nicht, daß die Begriffe Apollons und des Sonnengottes
in einzelnen Verzweigungen eine Vergleichung und Pa-
rallele zulaſſen; die Quelle des aͤußern Lichts konnte
Symbol des “hellen Gottes” ſein, deſſen Mutter Lato,
die Verborgene, aͤußerlich als Nacht gefaßt werden
mochte 3, etwa wie Neuplatoniker, nur zu ſublim
ſagten: “wie ſich die Sonne zum Auge verhalte, in
welchem ſie die Kraft zu ſehen zur Wirkſamkeit bringe,
ſo Apollon zum Geiſte des Menſchen” und “der an-
ſchaubare Helios habe die Menſchen von der Erkennt-
niß Apollons entfernt” 4. Doch iſt auch ein ſolches
Verhaͤltniß durchaus ungeſchichtlich. Ein Symbol des
Cultus muß aͤußerlich hervortreten, und wo waͤre dies
hier der Fall? Der Sonnendienſt beſtand in Griechen-
land fortwaͤhrend auf der Korinthiſchen Akropole, zu
Rhodos, in Athen, wie fruͤher auch zu Kalauria und

1 Philochor. bei den schol. vulg. Od. 20, 155. vgl. zu 21,
258.
2 Plutarch Dion 23.
3 wie bei Plut. von den Daͤdalen
Fragm. 4. 5. S. 288. 89. H.
4 Plut. de def. or. 7. 12.
de Pyth. or. 12. Symp. Qu.
3, 10.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0317" n="287"/>
chung des Wiederkehrens der Mondpha&#x017F;en mit den Auf-<lb/>
und Unterga&#x0364;ngen einiger Haupt&#x017F;terne, namentlich der<lb/>
Pleiaden; der Sonnen&#x017F;tand konnte ohne mathemati&#x017F;che<lb/>
Vorkenntni&#x017F;&#x017F;e dabei nicht einmal zur Berechnung die-<lb/>
nen. Auch &#x017F;ind die Fe&#x017F;te des Cultus gar nicht an be-<lb/>
&#x017F;timmte auffallende Epochen des Sonnenlaufs geknu&#x0364;pft;<lb/>
weit mehr an die Pha&#x017F;en des Mondes. Denn er&#x017F;tens<lb/>
i&#x017F;t der Neumond dem Apollon heilig, und er hieß da-<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t &#x039D;&#x03B5;&#x03BF;&#x03BC;&#x03AE;&#x03BD;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2; <note place="foot" n="1">Philochor. bei den <hi rendition="#aq">schol. vulg.</hi> Od. 20, 155. vgl. zu 21,<lb/>
258.</note>; dann wieder das er&#x017F;te Viertel<lb/>
oder der &#x017F;iebente Tag, endlich auch der Vollmond<lb/>
(&#x03B4;&#x03B9;&#x03C7;&#x03BF;&#x03BC;&#x03B7;&#x03BD;&#x03AF;&#x03B1;), die&#x017F;er namentlich in Zakynthos <note place="foot" n="2">Plutarch Dion 23.</note>. Dar-<lb/>
um wird aber Niemand behaupten wollen: Apollon<lb/>
&#x017F;ei ein Mondgott. &#x2014; Bei alledem la&#x0364;ugnen wir indeß<lb/>
nicht, daß die Begriffe Apollons und des Sonnengottes<lb/>
in einzelnen Verzweigungen eine Vergleichung und Pa-<lb/>
rallele zula&#x017F;&#x017F;en; die Quelle des a&#x0364;ußern Lichts <hi rendition="#g">konnte</hi><lb/>
Symbol des &#x201C;hellen Gottes&#x201D; &#x017F;ein, de&#x017F;&#x017F;en Mutter Lato,<lb/>
die Verborgene, a&#x0364;ußerlich als Nacht gefaßt werden<lb/>
mochte <note place="foot" n="3">wie bei Plut. von den Da&#x0364;dalen<lb/>
Fragm. 4. 5. S. 288. 89. H.</note>, etwa wie Neuplatoniker, nur zu &#x017F;ublim<lb/>
&#x017F;agten: &#x201C;wie &#x017F;ich die Sonne zum Auge verhalte, in<lb/>
welchem &#x017F;ie die Kraft zu &#x017F;ehen zur Wirk&#x017F;amkeit bringe,<lb/>
&#x017F;o Apollon zum Gei&#x017F;te des Men&#x017F;chen&#x201D; und &#x201C;der an-<lb/>
&#x017F;chaubare Helios habe die Men&#x017F;chen von der Erkennt-<lb/>
niß Apollons entfernt&#x201D; <note place="foot" n="4">Plut. <hi rendition="#aq">de def. or. 7. 12.<lb/>
de Pyth. or. 12. Symp. Qu.</hi> 3, 10.</note>. Doch i&#x017F;t auch ein &#x017F;olches<lb/>
Verha&#x0364;ltniß durchaus unge&#x017F;chichtlich. Ein Symbol des<lb/>
Cultus muß a&#x0364;ußerlich hervortreten, und wo wa&#x0364;re dies<lb/>
hier der Fall? Der Sonnendien&#x017F;t be&#x017F;tand in Griechen-<lb/>
land fortwa&#x0364;hrend auf der Korinthi&#x017F;chen Akropole, zu<lb/>
Rhodos, in Athen, wie fru&#x0364;her auch zu Kalauria und<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0317] chung des Wiederkehrens der Mondphaſen mit den Auf- und Untergaͤngen einiger Hauptſterne, namentlich der Pleiaden; der Sonnenſtand konnte ohne mathematiſche Vorkenntniſſe dabei nicht einmal zur Berechnung die- nen. Auch ſind die Feſte des Cultus gar nicht an be- ſtimmte auffallende Epochen des Sonnenlaufs geknuͤpft; weit mehr an die Phaſen des Mondes. Denn erſtens iſt der Neumond dem Apollon heilig, und er hieß da- von ſelbſt Νεομήνιος 1; dann wieder das erſte Viertel oder der ſiebente Tag, endlich auch der Vollmond (διχομηνία), dieſer namentlich in Zakynthos 2. Dar- um wird aber Niemand behaupten wollen: Apollon ſei ein Mondgott. — Bei alledem laͤugnen wir indeß nicht, daß die Begriffe Apollons und des Sonnengottes in einzelnen Verzweigungen eine Vergleichung und Pa- rallele zulaſſen; die Quelle des aͤußern Lichts konnte Symbol des “hellen Gottes” ſein, deſſen Mutter Lato, die Verborgene, aͤußerlich als Nacht gefaßt werden mochte 3, etwa wie Neuplatoniker, nur zu ſublim ſagten: “wie ſich die Sonne zum Auge verhalte, in welchem ſie die Kraft zu ſehen zur Wirkſamkeit bringe, ſo Apollon zum Geiſte des Menſchen” und “der an- ſchaubare Helios habe die Menſchen von der Erkennt- niß Apollons entfernt” 4. Doch iſt auch ein ſolches Verhaͤltniß durchaus ungeſchichtlich. Ein Symbol des Cultus muß aͤußerlich hervortreten, und wo waͤre dies hier der Fall? Der Sonnendienſt beſtand in Griechen- land fortwaͤhrend auf der Korinthiſchen Akropole, zu Rhodos, in Athen, wie fruͤher auch zu Kalauria und 1 Philochor. bei den schol. vulg. Od. 20, 155. vgl. zu 21, 258. 2 Plutarch Dion 23. 3 wie bei Plut. von den Daͤdalen Fragm. 4. 5. S. 288. 89. H. 4 Plut. de def. or. 7. 12. de Pyth. or. 12. Symp. Qu. 3, 10.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/317
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/317>, abgerufen am 01.05.2024.