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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Tempe ziehn, auf dem fortwährend der den Apollon
darstellende Knabe als Führer einer Theorie einherzog;
die Richtung desselben haben wir oben möglichst genau
angegeben 1. Die Hauptbegebenheit auf dieser Wan-
derung war die Knechtschaft (theteusis) bei Admetos
dem Pheräer, der sich der Gott, um die Schuld abzu-
büßen, unterzog; auch diese stellte der Knabe mimisch
dar, und ahmte wahrscheinlich nach, wie der Gott als
Hirt und Sklave in den niedrigsten Geschäften ge-
dient 2. Admetos kann der Frömmigkeit wegen, die
die Sage an ihm rühmte, zur Ehre gekommen sein,
einen solchen Knecht zu besitzen; doch müssen wir zwei-
feln, ob überhaupt unter diesem Namen ursprünglich
irgend ein menschlicher Heros, und nicht vielmehr, dem
Geiste des alten Mythus gemäß, ein ideelles Wesen
zu verstehen sei. Admetos ist ein gebräuchlicher Bei-
name des Gottes der Unterwelt; ein solcher mochte
wie Hekate (thea Pheraia) zu Pherä in Thessalien seit
alten Zeiten verehrt werden, diesem wurde, nach ur-
sprünglicher Idee, Apollon dienstbar. Liegt nicht noch
in dem Mythos von der Errettung der Alkestis aus
der Unterwelt durch Apollon 3 und Herakles die Hin-
weisung, daß die Fabel von Admet sich auf einen Cul-
tus unterirdischer Götter bezieht? Man sang in Grie-
chenland eine alte Nänie, Admetos-Gesang genannt,
angeblich zuerst von Admet beim Tode seiner Gattin
gesungen, ursprünglich vielleicht an Ades admetos ge-
richtet 4. Wie wohl es in den großartigen Zusammen-

1 S. 203. und über die abweichende Sage von Tarrha S.
207.
2 bei Sophokles (Plut. de def. or. 14.) sagte Alkestis:
oumos dalektor auton ege pros mulen.
3 S. besonders
Aeschyl. Eumen. 726. Eurip. Alk. 10. Apolld. 1, 9.
4 S.
Schol. Arist. Wesp. 1231. (aber das Skolion, Admetou logon,
hat damit nichts zu thun) und Zenob Sprüchw. Admetou melos.

Tempe ziehn, auf dem fortwaͤhrend der den Apollon
darſtellende Knabe als Fuͤhrer einer Theorie einherzog;
die Richtung deſſelben haben wir oben moͤglichſt genau
angegeben 1. Die Hauptbegebenheit auf dieſer Wan-
derung war die Knechtſchaft (ϑήτευσις) bei Admetos
dem Pheraͤer, der ſich der Gott, um die Schuld abzu-
buͤßen, unterzog; auch dieſe ſtellte der Knabe mimiſch
dar, und ahmte wahrſcheinlich nach, wie der Gott als
Hirt und Sklave in den niedrigſten Geſchaͤften ge-
dient 2. Admetos kann der Froͤmmigkeit wegen, die
die Sage an ihm ruͤhmte, zur Ehre gekommen ſein,
einen ſolchen Knecht zu beſitzen; doch muͤſſen wir zwei-
feln, ob uͤberhaupt unter dieſem Namen urſpruͤnglich
irgend ein menſchlicher Heros, und nicht vielmehr, dem
Geiſte des alten Mythus gemaͤß, ein ideelles Weſen
zu verſtehen ſei. Ἄδμητος iſt ein gebraͤuchlicher Bei-
name des Gottes der Unterwelt; ein ſolcher mochte
wie Hekate (ϑεὰ Φεραία) zu Pheraͤ in Theſſalien ſeit
alten Zeiten verehrt werden, dieſem wurde, nach ur-
ſpruͤnglicher Idee, Apollon dienſtbar. Liegt nicht noch
in dem Mythos von der Errettung der Alkeſtis aus
der Unterwelt durch Apollon 3 und Herakles die Hin-
weiſung, daß die Fabel von Admet ſich auf einen Cul-
tus unterirdiſcher Goͤtter bezieht? Man ſang in Grie-
chenland eine alte Naͤnie, Admetos-Geſang genannt,
angeblich zuerſt von Admet beim Tode ſeiner Gattin
geſungen, urſpruͤnglich vielleicht an Ἅδης ἄδμητος ge-
richtet 4. Wie wohl es in den großartigen Zuſammen-

1 S. 203. und uͤber die abweichende Sage von Tarrha S.
207.
2 bei Sophokles (Plut. de def. or. 14.) ſagte Alkeſtis:
οὑμός δ̛ἀλέκτωϱ αὐτὸν ἦγε πϱὸς μύλην.
3 S. beſonders
Aeſchyl. Eumen. 726. Eurip. Alk. 10. Apolld. 1, 9.
4 S.
Schol. Ariſt. Weſp. 1231. (aber das Skolion, Ἀδμήτου λόγον,
hat damit nichts zu thun) und Zenob Spruͤchw. Ἀδμήτου μέλος.
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[320/0350] Tempe ziehn, auf dem fortwaͤhrend der den Apollon darſtellende Knabe als Fuͤhrer einer Theorie einherzog; die Richtung deſſelben haben wir oben moͤglichſt genau angegeben 1. Die Hauptbegebenheit auf dieſer Wan- derung war die Knechtſchaft (ϑήτευσις) bei Admetos dem Pheraͤer, der ſich der Gott, um die Schuld abzu- buͤßen, unterzog; auch dieſe ſtellte der Knabe mimiſch dar, und ahmte wahrſcheinlich nach, wie der Gott als Hirt und Sklave in den niedrigſten Geſchaͤften ge- dient 2. Admetos kann der Froͤmmigkeit wegen, die die Sage an ihm ruͤhmte, zur Ehre gekommen ſein, einen ſolchen Knecht zu beſitzen; doch muͤſſen wir zwei- feln, ob uͤberhaupt unter dieſem Namen urſpruͤnglich irgend ein menſchlicher Heros, und nicht vielmehr, dem Geiſte des alten Mythus gemaͤß, ein ideelles Weſen zu verſtehen ſei. Ἄδμητος iſt ein gebraͤuchlicher Bei- name des Gottes der Unterwelt; ein ſolcher mochte wie Hekate (ϑεὰ Φεραία) zu Pheraͤ in Theſſalien ſeit alten Zeiten verehrt werden, dieſem wurde, nach ur- ſpruͤnglicher Idee, Apollon dienſtbar. Liegt nicht noch in dem Mythos von der Errettung der Alkeſtis aus der Unterwelt durch Apollon 3 und Herakles die Hin- weiſung, daß die Fabel von Admet ſich auf einen Cul- tus unterirdiſcher Goͤtter bezieht? Man ſang in Grie- chenland eine alte Naͤnie, Admetos-Geſang genannt, angeblich zuerſt von Admet beim Tode ſeiner Gattin geſungen, urſpruͤnglich vielleicht an Ἅδης ἄδμητος ge- richtet 4. Wie wohl es in den großartigen Zuſammen- 1 S. 203. und uͤber die abweichende Sage von Tarrha S. 207. 2 bei Sophokles (Plut. de def. or. 14.) ſagte Alkeſtis: οὑμός δ̛ἀλέκτωϱ αὐτὸν ἦγε πϱὸς μύλην. 3 S. beſonders Aeſchyl. Eumen. 726. Eurip. Alk. 10. Apolld. 1, 9. 4 S. Schol. Ariſt. Weſp. 1231. (aber das Skolion, Ἀδμήτου λόγον, hat damit nichts zu thun) und Zenob Spruͤchw. Ἀδμήτου μέλος.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/350>, abgerufen am 29.04.2024.