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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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noch Epimenides als Kretischer Apollodiener Athen (nach
Ol. 46, 1.) und Delos (noch früher) 1 reinigen mußte.
Von Delos ist dies die erste bekannte Reinigung, die
zweite ist die von Peisistratos veranstaltete (gegen Ol.
60.), die dritte die von Athen für die ganze Insel
vorgenommene (Ol. 88, 3.), bei dieser wurde die In-
sel ganz von den dem Gotte verhaßten Leichen be-
freit 2.

Bei allen diesen Gebräuchen kommt häufige An-
wendung des Lorbeers (der daphne Apollonias) 3
vor, dem bei Besprengungen sowohl als Umtragungen
eine averruncirende Kraft beigemessen wurde 4. Zu-
gleich aber diente dieser Baum nach mannigfach bei der
Weissagung; ein Zweig davon bezeichnete in alter Zeit
den Propheten 5 und den Gott selbst als solchen 6, dem
daher auch von Einigen die Koruthaleia 7, der Lor-
beer selbst, nebst der Aletheia, der Erfüllung 8, zu
Ammen gegeben werden. Warum dem Lorbeer diese
Kraft und Wirkung zugetheilt wurde, ist so dunkel als
die Ursprünge der alten Symbolik überhaupt. Ob es
der Anblick des immergrünen Baums in seiner schlan-

1 Plut. VII. Sap. 14.
2 Vgl. noch das Faktum in
den unächten Briefen d. Aeschines 1. S. 658 R.
3 Hesych
s. v.
4 S. besonders Casaub. zu Theophr. Char. 16.
5 Da-
her die Manto auch Daphne heißt, und einer der Priamiden, ein
Weissager, aisakos, Lorbeerstab. Apolld. 3, 12, 5. vgl. Hesych s. v.
6 Tischbein 1, 33. Millin Vas. 1. pl. 6.
7 Plut. Symp.
3, 9, 2. p. 148 H. Schol. Od. 19, 86. dia to kourotrophon tou
Ap. vgl. Eust. p. 683, 40, Bas. Hesych s. v. koruthalia, wo
auch die Eiresione so heißt. Vgl. Creuzer Symb. 2. S. 161.
8 Aletheia heißt bei Orakeln oft die Bestätigung durch den Aus-
gang; wie Antiphon peri tes Aletheias schrieb, d. i. über die
Erfüllung von Orakeln. Ap. alethes, Tryphiodor V. 641. mit der
Note von Wernicke. Die Weissager spartanisch katalathistai, Hem-
sterhuis zu Timäos p. 113.

noch Epimenides als Kretiſcher Apollodiener Athen (nach
Ol. 46, 1.) und Delos (noch fruͤher) 1 reinigen mußte.
Von Delos iſt dies die erſte bekannte Reinigung, die
zweite iſt die von Peiſiſtratos veranſtaltete (gegen Ol.
60.), die dritte die von Athen fuͤr die ganze Inſel
vorgenommene (Ol. 88, 3.), bei dieſer wurde die In-
ſel ganz von den dem Gotte verhaßten Leichen be-
freit 2.

Bei allen dieſen Gebraͤuchen kommt haͤufige An-
wendung des Lorbeers (der δάφνη Ἀπολλωνιάς) 3
vor, dem bei Beſprengungen ſowohl als Umtragungen
eine averruncirende Kraft beigemeſſen wurde 4. Zu-
gleich aber diente dieſer Baum nach mannigfach bei der
Weiſſagung; ein Zweig davon bezeichnete in alter Zeit
den Propheten 5 und den Gott ſelbſt als ſolchen 6, dem
daher auch von Einigen die Κορυϑάλεια 7, der Lor-
beer ſelbſt, nebſt der Ἀλήϑεια, der Erfuͤllung 8, zu
Ammen gegeben werden. Warum dem Lorbeer dieſe
Kraft und Wirkung zugetheilt wurde, iſt ſo dunkel als
die Urſpruͤnge der alten Symbolik uͤberhaupt. Ob es
der Anblick des immergruͤnen Baums in ſeiner ſchlan-

1 Plut. VII. Sap. 14.
2 Vgl. noch das Faktum in
den unaͤchten Briefen d. Aeſchines 1. S. 658 R.
3 Heſych
s. v.
4 S. beſonders Caſaub. zu Theophr. Char. 16.
5 Da-
her die Manto auch Daphne heißt, und einer der Priamiden, ein
Weiſſager, αἴσακος, Lorbeerſtab. Apolld. 3, 12, 5. vgl. Heſych s. v.
6 Tiſchbein 1, 33. Millin Vas. 1. pl. 6.
7 Plut. Symp.
3, 9, 2. p. 148 H. Schol. Od. 19, 86. διὰ τὸ κουϱοτϱόφον τοῦ
Απ. vgl. Euſt. p. 683, 40, Baſ. Heſych s. v. κοϱυϑαλία, wo
auch die Eireſione ſo heißt. Vgl. Creuzer Symb. 2. S. 161.
8 Ἀλήϑεια heißt bei Orakeln oft die Beſtaͤtigung durch den Aus-
gang; wie Antiphon πεϱὶ τῆς Ἀληϑείας ſchrieb, d. i. uͤber die
Erfuͤllung von Orakeln. Ap. ἀληϑής, Tryphiodor V. 641. mit der
Note von Wernicke. Die Weiſſager ſpartaniſch καταλαϑισταί, Hem-
ſterhuis zu Timaͤos p. 113.
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[336/0366] noch Epimenides als Kretiſcher Apollodiener Athen (nach Ol. 46, 1.) und Delos (noch fruͤher) 1 reinigen mußte. Von Delos iſt dies die erſte bekannte Reinigung, die zweite iſt die von Peiſiſtratos veranſtaltete (gegen Ol. 60.), die dritte die von Athen fuͤr die ganze Inſel vorgenommene (Ol. 88, 3.), bei dieſer wurde die In- ſel ganz von den dem Gotte verhaßten Leichen be- freit 2. Bei allen dieſen Gebraͤuchen kommt haͤufige An- wendung des Lorbeers (der δάφνη Ἀπολλωνιάς) 3 vor, dem bei Beſprengungen ſowohl als Umtragungen eine averruncirende Kraft beigemeſſen wurde 4. Zu- gleich aber diente dieſer Baum nach mannigfach bei der Weiſſagung; ein Zweig davon bezeichnete in alter Zeit den Propheten 5 und den Gott ſelbſt als ſolchen 6, dem daher auch von Einigen die Κορυϑάλεια 7, der Lor- beer ſelbſt, nebſt der Ἀλήϑεια, der Erfuͤllung 8, zu Ammen gegeben werden. Warum dem Lorbeer dieſe Kraft und Wirkung zugetheilt wurde, iſt ſo dunkel als die Urſpruͤnge der alten Symbolik uͤberhaupt. Ob es der Anblick des immergruͤnen Baums in ſeiner ſchlan- 1 Plut. VII. Sap. 14. 2 Vgl. noch das Faktum in den unaͤchten Briefen d. Aeſchines 1. S. 658 R. 3 Heſych s. v. 4 S. beſonders Caſaub. zu Theophr. Char. 16. 5 Da- her die Manto auch Daphne heißt, und einer der Priamiden, ein Weiſſager, αἴσακος, Lorbeerſtab. Apolld. 3, 12, 5. vgl. Heſych s. v. 6 Tiſchbein 1, 33. Millin Vas. 1. pl. 6. 7 Plut. Symp. 3, 9, 2. p. 148 H. Schol. Od. 19, 86. διὰ τὸ κουϱοτϱόφον τοῦ Απ. vgl. Euſt. p. 683, 40, Baſ. Heſych s. v. κοϱυϑαλία, wo auch die Eireſione ſo heißt. Vgl. Creuzer Symb. 2. S. 161. 8 Ἀλήϑεια heißt bei Orakeln oft die Beſtaͤtigung durch den Aus- gang; wie Antiphon πεϱὶ τῆς Ἀληϑείας ſchrieb, d. i. uͤber die Erfuͤllung von Orakeln. Ap. ἀληϑής, Tryphiodor V. 641. mit der Note von Wernicke. Die Weiſſager ſpartaniſch καταλαϑισταί, Hem- ſterhuis zu Timaͤos p. 113.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/366>, abgerufen am 27.04.2024.