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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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men Verehrung des Gottes wissen wir nichts, und
können voraussetzen, daß der strenge und nüchterne
Sinn Sparta's sich ihm im Ganzen abhold zeigte.
Wohl ziemlich dasselbe gilt von Argos, das sich in
alter Zeit lange gegen den Cultus gewehrt, aber her-
nach dem Gotte ein Fest turbe (turba) gewidmet
hatte 1. Ganz anders verhalten sich Sikyon und Ko-
rinth in diesem Bezuge. Dort hin war aus Phlius 2
der Dion. Bakcheios, d. i. der zur Raserei Entzün-
dende, der Lysios oder Besänftigende und Beruhigende
aber von Theben -- nach der Sage zur Zeit der Do-
rischen Eroberung -- gekommen 3, und hatte Feste
erhalten, von deren Aufführungen und Darstellungen
uns Mancherlei berichtet wird 4. Frühzeitig hatten
sich aus den dithyrambischen Chören 5 dabei Anfänge
von Tragödien entwickelt, wie die Sage von Epigenes
beweist, wenn auch darum noch nicht an eigentliche
Dramen gedacht werden kann; man hatte auch Heroen,
wie Adrast, schon vor der Tyrannis des Kleisthenes
zum Gegenstande solcher Chorgesänge gemacht 6. Eben
so hatte der Dienst des Gottes ein einheimisches Spott-
spiel, die Phallophoren, hervorgebracht 7. -- Die

1 2, 23. 24. 37. vgl. Hesych `Targides.
2 vgl. oben
S. 80. Phlius ward dieses Dienstes wegen Vaterstadt der satu-
rikoi poietai Aristeas und Pratinas.
3 P. 2, 7, 6. Auch
Dion. khoiropsales daselbst, Klem. Al. Protr. p. 25.
4 Ueber
den Kranz iakkha Athen. 15, 678. vgl. Hesych s. v. liakkha und
iakkha.
5 Deren Aufführung scheint das alte Epigr. bei Athen.
14, 629 a. zu betreffen.
6 Herod. 5, 67. Daß die trag.
khoroi ursprünglich dem Dionysos galten, beweist das apedoke.
Vielleicht schlossen sich die Adrasteen an die Dionysien an.
7 Athen.
14, 621. 622. Darauf geht das Epigr. Onestae 2. Vgl. Her-
mann zu Aristot. Poet. 3. p. 104.

men Verehrung des Gottes wiſſen wir nichts, und
koͤnnen vorausſetzen, daß der ſtrenge und nuͤchterne
Sinn Sparta’s ſich ihm im Ganzen abhold zeigte.
Wohl ziemlich daſſelbe gilt von Argos, das ſich in
alter Zeit lange gegen den Cultus gewehrt, aber her-
nach dem Gotte ein Feſt τύρβη (turba) gewidmet
hatte 1. Ganz anders verhalten ſich Sikyon und Ko-
rinth in dieſem Bezuge. Dort hin war aus Phlius 2
der Dion. Bakcheios, d. i. der zur Raſerei Entzuͤn-
dende, der Lyſios oder Beſaͤnftigende und Beruhigende
aber von Theben — nach der Sage zur Zeit der Do-
riſchen Eroberung — gekommen 3, und hatte Feſte
erhalten, von deren Auffuͤhrungen und Darſtellungen
uns Mancherlei berichtet wird 4. Fruͤhzeitig hatten
ſich aus den dithyrambiſchen Choͤren 5 dabei Anfaͤnge
von Tragoͤdien entwickelt, wie die Sage von Epigenes
beweiſt, wenn auch darum noch nicht an eigentliche
Dramen gedacht werden kann; man hatte auch Heroen,
wie Adraſt, ſchon vor der Tyrannis des Kleiſthenes
zum Gegenſtande ſolcher Chorgeſaͤnge gemacht 6. Eben
ſo hatte der Dienſt des Gottes ein einheimiſches Spott-
ſpiel, die Phallophoren, hervorgebracht 7. — Die

1 2, 23. 24. 37. vgl. Heſych ῾Ταϱγίδες.
2 vgl. oben
S. 80. Phlius ward dieſes Dienſtes wegen Vaterſtadt der σατυ-
ϱικοὶ ποιηταί Ariſteas und Pratinas.
3 P. 2, 7, 6. Auch
Διον. χοιϱοψάλης daſelbſt, Klem. Al. Protr. p. 25.
4 Ueber
den Kranz ἰάκχα Athen. 15, 678. vgl. Heſych s. v. λιακχὰ und
ἰάκχα.
5 Deren Auffuͤhrung ſcheint das alte Epigr. bei Athen.
14, 629 a. zu betreffen.
6 Herod. 5, 67. Daß die τϱαγ.
χοϱοὶ urſpruͤnglich dem Dionyſos galten, beweist das ἀπέδωκε.
Vielleicht ſchloſſen ſich die Adraſteen an die Dionyſien an.
7 Athen.
14, 621. 622. Darauf geht das Epigr. Onestae 2. Vgl. Her-
mann zu Ariſtot. Poët. 3. p. 104.
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[404/0434] men Verehrung des Gottes wiſſen wir nichts, und koͤnnen vorausſetzen, daß der ſtrenge und nuͤchterne Sinn Sparta’s ſich ihm im Ganzen abhold zeigte. Wohl ziemlich daſſelbe gilt von Argos, das ſich in alter Zeit lange gegen den Cultus gewehrt, aber her- nach dem Gotte ein Feſt τύρβη (turba) gewidmet hatte 1. Ganz anders verhalten ſich Sikyon und Ko- rinth in dieſem Bezuge. Dort hin war aus Phlius 2 der Dion. Bakcheios, d. i. der zur Raſerei Entzuͤn- dende, der Lyſios oder Beſaͤnftigende und Beruhigende aber von Theben — nach der Sage zur Zeit der Do- riſchen Eroberung — gekommen 3, und hatte Feſte erhalten, von deren Auffuͤhrungen und Darſtellungen uns Mancherlei berichtet wird 4. Fruͤhzeitig hatten ſich aus den dithyrambiſchen Choͤren 5 dabei Anfaͤnge von Tragoͤdien entwickelt, wie die Sage von Epigenes beweiſt, wenn auch darum noch nicht an eigentliche Dramen gedacht werden kann; man hatte auch Heroen, wie Adraſt, ſchon vor der Tyrannis des Kleiſthenes zum Gegenſtande ſolcher Chorgeſaͤnge gemacht 6. Eben ſo hatte der Dienſt des Gottes ein einheimiſches Spott- ſpiel, die Phallophoren, hervorgebracht 7. — Die 1 2, 23. 24. 37. vgl. Heſych ῾Ταϱγίδες. 2 vgl. oben S. 80. Phlius ward dieſes Dienſtes wegen Vaterſtadt der σατυ- ϱικοὶ ποιηταί Ariſteas und Pratinas. 3 P. 2, 7, 6. Auch Διον. χοιϱοψάλης daſelbſt, Klem. Al. Protr. p. 25. 4 Ueber den Kranz ἰάκχα Athen. 15, 678. vgl. Heſych s. v. λιακχὰ und ἰάκχα. 5 Deren Auffuͤhrung ſcheint das alte Epigr. bei Athen. 14, 629 a. zu betreffen. 6 Herod. 5, 67. Daß die τϱαγ. χοϱοὶ urſpruͤnglich dem Dionyſos galten, beweist das ἀπέδωκε. Vielleicht ſchloſſen ſich die Adraſteen an die Dionyſien an. 7 Athen. 14, 621. 622. Darauf geht das Epigr. Onestae 2. Vgl. Her- mann zu Ariſtot. Poët. 3. p. 104.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/434>, abgerufen am 28.04.2024.