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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Dagegen nannten freilich schon Hesiodos, Pindar und
ein alter Genealog 1 die Mutter des Tlepolemos Asty-
dameia und Tochter des Amyntor von Ormenion in
Magnesten, welche Stadt Herakles ebenfalls mit dem
Schwerdt erobert: denn es wollte die alte Heldenpoesie
überhaupt oft nur die Dorischen Herakkidengeschlechter von
Söhnen des Heros mit Jungfrauen bezwungener Städte
(Astudameia) ableiten, und dadurch das Gedächtniß
jener alten Heldenthaten verewigen, aber sie scheute
nicht sonderlich eine Verwechselung der einen mit der
andern. -- Ferner ließ man auch von Ephyra in Thes-
protien ausgehn die Söhne des Thessalos, Enkel des
Herakles, Antiphos und Pheidippos, von denen
die angesehensten Geschlechter Thessaliens sowohl als
auch die Herakliden zu Kos ihren Ursprung herleiteten 2;
obgleich die letztern nach einer andern aber gewiß spä-
tern (wenn auch früher bezeugten) Sagenwendung aus
einer von Herakles auf Kos selbst geschlossenen Verbin-
dung abstammten 3. So viel ich durch diese Verwir-
rung der Mythen sehe, war die Bildung der Fabel
die. Schon im ältern Vaterlande der Dorier gab es
edle Geschlechter, die ihren Ursprung an die Eroberung
Ephyra's anknüpften, bezeichnet durch Tlepolemos und
Antiphos nebst Pheidippos; diese zogen mit den übri-
gen in den Peloponnes hinab, und kamen über Argos

1 Pind. O. 7, 24. Schol. und Böckh p. 166. Pherek. bei
d. Schol. nennt als Vater Phylas, einen Dryoper K., die Tochter
Astygeneia. Apolld. 2, 7, 6. folgt zum Theil der Ilias, zum Theil
dem Pherek.
2 Str. 9, 443. Polyän Strat. 7, 44. Vellej.
1, 3, 2. Schol. Ap. Rh. 3, 1089. vgl. besonders Böckh Expl.
Pind. P. 10. p. 332.
Auch die Könige der Molosser leiteten ihr
Geschlecht von einer Lanassa, T. des Kleodäos Hyllischen Stammes,
her. Plut. Pyrrh. 1. Justin 17, 3.
3 Il. 2, 678. vgl.
oben S. 109.

Dagegen nannten freilich ſchon Heſiodos, Pindar und
ein alter Genealog 1 die Mutter des Tlepolemos Aſty-
dameia und Tochter des Amyntor von Ormenion in
Magneſten, welche Stadt Herakles ebenfalls mit dem
Schwerdt erobert: denn es wollte die alte Heldenpoëſie
uͤberhaupt oft nur die Doriſchen Herakkidengeſchlechter von
Soͤhnen des Heros mit Jungfrauen bezwungener Staͤdte
(Ἀστυδαμεία) ableiten, und dadurch das Gedaͤchtniß
jener alten Heldenthaten verewigen, aber ſie ſcheute
nicht ſonderlich eine Verwechſelung der einen mit der
andern. — Ferner ließ man auch von Ephyra in Thes-
protien ausgehn die Soͤhne des Theſſalos, Enkel des
Herakles, Antiphos und Pheidippos, von denen
die angeſehenſten Geſchlechter Theſſaliens ſowohl als
auch die Herakliden zu Kos ihren Urſprung herleiteten 2;
obgleich die letztern nach einer andern aber gewiß ſpaͤ-
tern (wenn auch fruͤher bezeugten) Sagenwendung aus
einer von Herakles auf Kos ſelbſt geſchloſſenen Verbin-
dung abſtammten 3. So viel ich durch dieſe Verwir-
rung der Mythen ſehe, war die Bildung der Fabel
die. Schon im aͤltern Vaterlande der Dorier gab es
edle Geſchlechter, die ihren Urſprung an die Eroberung
Ephyra’s anknuͤpften, bezeichnet durch Tlepolemos und
Antiphos nebſt Pheidippos; dieſe zogen mit den uͤbri-
gen in den Peloponnes hinab, und kamen uͤber Argos

1 Pind. O. 7, 24. Schol. und Boͤckh p. 166. Pherek. bei
d. Schol. nennt als Vater Phylas, einen Dryoper K., die Tochter
Aſtygeneia. Apolld. 2, 7, 6. folgt zum Theil der Ilias, zum Theil
dem Pherek.
2 Str. 9, 443. Polyaͤn Strat. 7, 44. Vellej.
1, 3, 2. Schol. Ap. Rh. 3, 1089. vgl. beſonders Boͤckh Expl.
Pind. P. 10. p. 332.
Auch die Koͤnige der Moloſſer leiteten ihr
Geſchlecht von einer Lanaſſa, T. des Kleodaͤos Hylliſchen Stammes,
her. Plut. Pyrrh. 1. Juſtin 17, 3.
3 Il. 2, 678. vgl.
oben S. 109.
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[421/0451] Dagegen nannten freilich ſchon Heſiodos, Pindar und ein alter Genealog 1 die Mutter des Tlepolemos Aſty- dameia und Tochter des Amyntor von Ormenion in Magneſten, welche Stadt Herakles ebenfalls mit dem Schwerdt erobert: denn es wollte die alte Heldenpoëſie uͤberhaupt oft nur die Doriſchen Herakkidengeſchlechter von Soͤhnen des Heros mit Jungfrauen bezwungener Staͤdte (Ἀστυδαμεία) ableiten, und dadurch das Gedaͤchtniß jener alten Heldenthaten verewigen, aber ſie ſcheute nicht ſonderlich eine Verwechſelung der einen mit der andern. — Ferner ließ man auch von Ephyra in Thes- protien ausgehn die Soͤhne des Theſſalos, Enkel des Herakles, Antiphos und Pheidippos, von denen die angeſehenſten Geſchlechter Theſſaliens ſowohl als auch die Herakliden zu Kos ihren Urſprung herleiteten 2; obgleich die letztern nach einer andern aber gewiß ſpaͤ- tern (wenn auch fruͤher bezeugten) Sagenwendung aus einer von Herakles auf Kos ſelbſt geſchloſſenen Verbin- dung abſtammten 3. So viel ich durch dieſe Verwir- rung der Mythen ſehe, war die Bildung der Fabel die. Schon im aͤltern Vaterlande der Dorier gab es edle Geſchlechter, die ihren Urſprung an die Eroberung Ephyra’s anknuͤpften, bezeichnet durch Tlepolemos und Antiphos nebſt Pheidippos; dieſe zogen mit den uͤbri- gen in den Peloponnes hinab, und kamen uͤber Argos 1 Pind. O. 7, 24. Schol. und Boͤckh p. 166. Pherek. bei d. Schol. nennt als Vater Phylas, einen Dryoper K., die Tochter Aſtygeneia. Apolld. 2, 7, 6. folgt zum Theil der Ilias, zum Theil dem Pherek. 2 Str. 9, 443. Polyaͤn Strat. 7, 44. Vellej. 1, 3, 2. Schol. Ap. Rh. 3, 1089. vgl. beſonders Boͤckh Expl. Pind. P. 10. p. 332. Auch die Koͤnige der Moloſſer leiteten ihr Geſchlecht von einer Lanaſſa, T. des Kleodaͤos Hylliſchen Stammes, her. Plut. Pyrrh. 1. Juſtin 17, 3. 3 Il. 2, 678. vgl. oben S. 109.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/451>, abgerufen am 27.04.2024.