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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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über Leben und Tod stellen konnten 1. Dieses größere
Gericht bestand aus den sämmtlichen Geronten, den
Ephoren, die also vor demselben als Kläger auftreten,
aber auch an demselben als Richter theilnehmen konn-
ten, dem andern Könige und wohl noch mehrern Ma-
gistraten, deren aller Stimmen gleich galten 2. Von
ihm konnte keinerlei Appellation statt finden; es konnte
gegen den König auf Tod erkennen 3, den indeß zu
executiren bis auf spätere Zeiten eine heilige Scheu
verbot 4. Daß es mit großer Ruhe und Bedachtsam-
keit zu verfahren pflegte, ist ein Ruhm, der bei Gele-
genheit einer Ausnahme hervorgehoben wird 5. Dieses
große Magistraten-Gericht finden wir öfter über
Staatsverbrechen mit höchster Vollmacht erkennend 6,
und die Ephoren als Ankläger dabei thätig 7: aber
daß die Ephoren je für sich mit Tod hätten strafen
können, läugnen wir entschieden 8; ob sie es mit Ver-

1 Xen. Staat 8, 4. arkhonta kirioi eirxai te kai peri tes
psukhes eis agona katastesai. vgl. Plut. Lys. 30. Dasselbe in
Bezug auf den König Thuk. 1, 131. Nepos Paus. 3, 5. setzt wohl
ex suo "cuivis ephoro" hinzu. Liban. Orat. 1. p. 86 R.
irrt, wenn er sagt: die Ephoren hätten den König desai kai kta-
nein können. So nahmen den Pausanias die Ephoren nur fest;
das Urtheil sprachen oi Spartiatai, nämlich der Gerichtshof, von
dem N. 2.
2 dikasterion sunagagontes Herod. 6, 85. s.
besonders Paus. 3, 5, 3. und Plut. Agis 19. Ungenauer Lak.
Apophth. p. 195.
3 Xen. H. 3, 5, 25.
4 Plut. Agis 19;
5 Thuk. 5, 63.
6 Xen. Anab. 2, 6, 4. ethanatothe upo
ton en te Sparte telon os apeithon, wo ta tele dies hohe
Gericht bezeichnen muß.
7 upegon thanatou, Xen. H. 5, 4,
24. Den Kinadon ließen die Eph. erst nach heimlicher Berathung
mit der Gerusie festnehmen, seine Strafe bestimmte wohl das grö-
ßere Gericht, s. Xen. 3, 3, 5. Polyän 2, 14, 1.
8 Außer
Libanies (N. 1.) scheint es Plut. Perikl. 22. Lys. 19. und Lak.
Apophth. p. 209. zu sagen, aber es kann auch blos Unbestimmtheit
des Ausdrucks sein.

uͤber Leben und Tod ſtellen konnten 1. Dieſes groͤßere
Gericht beſtand aus den ſaͤmmtlichen Geronten, den
Ephoren, die alſo vor demſelben als Klaͤger auftreten,
aber auch an demſelben als Richter theilnehmen konn-
ten, dem andern Koͤnige und wohl noch mehrern Ma-
giſtraten, deren aller Stimmen gleich galten 2. Von
ihm konnte keinerlei Appellation ſtatt finden; es konnte
gegen den Koͤnig auf Tod erkennen 3, den indeß zu
executiren bis auf ſpaͤtere Zeiten eine heilige Scheu
verbot 4. Daß es mit großer Ruhe und Bedachtſam-
keit zu verfahren pflegte, iſt ein Ruhm, der bei Gele-
genheit einer Ausnahme hervorgehoben wird 5. Dieſes
große Magiſtraten-Gericht finden wir oͤfter uͤber
Staatsverbrechen mit hoͤchſter Vollmacht erkennend 6,
und die Ephoren als Anklaͤger dabei thaͤtig 7: aber
daß die Ephoren je fuͤr ſich mit Tod haͤtten ſtrafen
koͤnnen, laͤugnen wir entſchieden 8; ob ſie es mit Ver-

1 Xen. Staat 8, 4. ἄϱχοντα κίϱιοι εἱϱξαί τε καὶ πεϱὶ τῆς
ψυχῆς εἰς ἀγῶνα καταστῆσαι. vgl. Plut. Lyſ. 30. Daſſelbe in
Bezug auf den Koͤnig Thuk. 1, 131. Nepos Pauſ. 3, 5. ſetzt wohl
ex suo “cuivis ephoro hinzu. Liban. Orat. 1. p. 86 R.
irrt, wenn er ſagt: die Ephoren haͤtten den Koͤnig δῆσαι καὶ κτα-
νεῖν koͤnnen. So nahmen den Pauſanias die Ephoren nur feſt;
das Urtheil ſprachen οἱ Σπαϱτιᾶται, naͤmlich der Gerichtshof, von
dem N. 2.
2 δικαστήϱιον συναγαγὀντες Herod. 6, 85. ſ.
beſonders Pauſ. 3, 5, 3. und Plut. Agis 19. Ungenauer Lak.
Apophth. p. 195.
3 Xen. H. 3, 5, 25.
4 Plut. Agis 19;
5 Thuk. 5, 63.
6 Xen. Anab. 2, 6, 4. ἐϑανατώϑη ὑπο
τῶν ἐν τῇ Σπάϱτῃ τελῶν ὡς ἀπειϑῶν, wo τὰ τέλη dies hohe
Gericht bezeichnen muß.
7 ὑπῆγον ϑανάτου, Xen. H. 5, 4,
24. Den Kinadon ließen die Eph. erſt nach heimlicher Berathung
mit der Geruſie feſtnehmen, ſeine Strafe beſtimmte wohl das groͤ-
ßere Gericht, ſ. Xen. 3, 3, 5. Polyaͤn 2, 14, 1.
8 Außer
Libanies (N. 1.) ſcheint es Plut. Perikl. 22. Lyſ. 19. und Lak.
Apophth. p. 209. zu ſagen, aber es kann auch blos Unbeſtimmtheit
des Ausdrucks ſein.
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[119/0125] uͤber Leben und Tod ſtellen konnten 1. Dieſes groͤßere Gericht beſtand aus den ſaͤmmtlichen Geronten, den Ephoren, die alſo vor demſelben als Klaͤger auftreten, aber auch an demſelben als Richter theilnehmen konn- ten, dem andern Koͤnige und wohl noch mehrern Ma- giſtraten, deren aller Stimmen gleich galten 2. Von ihm konnte keinerlei Appellation ſtatt finden; es konnte gegen den Koͤnig auf Tod erkennen 3, den indeß zu executiren bis auf ſpaͤtere Zeiten eine heilige Scheu verbot 4. Daß es mit großer Ruhe und Bedachtſam- keit zu verfahren pflegte, iſt ein Ruhm, der bei Gele- genheit einer Ausnahme hervorgehoben wird 5. Dieſes große Magiſtraten-Gericht finden wir oͤfter uͤber Staatsverbrechen mit hoͤchſter Vollmacht erkennend 6, und die Ephoren als Anklaͤger dabei thaͤtig 7: aber daß die Ephoren je fuͤr ſich mit Tod haͤtten ſtrafen koͤnnen, laͤugnen wir entſchieden 8; ob ſie es mit Ver- 1 Xen. Staat 8, 4. ἄϱχοντα κίϱιοι εἱϱξαί τε καὶ πεϱὶ τῆς ψυχῆς εἰς ἀγῶνα καταστῆσαι. vgl. Plut. Lyſ. 30. Daſſelbe in Bezug auf den Koͤnig Thuk. 1, 131. Nepos Pauſ. 3, 5. ſetzt wohl ex suo “cuivis ephoro” hinzu. Liban. Orat. 1. p. 86 R. irrt, wenn er ſagt: die Ephoren haͤtten den Koͤnig δῆσαι καὶ κτα- νεῖν koͤnnen. So nahmen den Pauſanias die Ephoren nur feſt; das Urtheil ſprachen οἱ Σπαϱτιᾶται, naͤmlich der Gerichtshof, von dem N. 2. 2 δικαστήϱιον συναγαγὀντες Herod. 6, 85. ſ. beſonders Pauſ. 3, 5, 3. und Plut. Agis 19. Ungenauer Lak. Apophth. p. 195. 3 Xen. H. 3, 5, 25. 4 Plut. Agis 19; 5 Thuk. 5, 63. 6 Xen. Anab. 2, 6, 4. ἐϑανατώϑη ὑπο τῶν ἐν τῇ Σπάϱτῃ τελῶν ὡς ἀπειϑῶν, wo τὰ τέλη dies hohe Gericht bezeichnen muß. 7 ὑπῆγον ϑανάτου, Xen. H. 5, 4, 24. Den Kinadon ließen die Eph. erſt nach heimlicher Berathung mit der Geruſie feſtnehmen, ſeine Strafe beſtimmte wohl das groͤ- ßere Gericht, ſ. Xen. 3, 3, 5. Polyaͤn 2, 14, 1. 8 Außer Libanies (N. 1.) ſcheint es Plut. Perikl. 22. Lyſ. 19. und Lak. Apophth. p. 209. zu ſagen, aber es kann auch blos Unbeſtimmtheit des Ausdrucks ſein.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/125>, abgerufen am 29.04.2024.