Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Aristoteles Zeit -- nach der Epoche des Epitadeus --
konnten sie auch mit Landbesitz dotirt werden 1. Dies,
wenn ein Sohn im Hause war; war keiner: so war
die Tochter (unter mehreren wohl immer die älteste,)
epikleros, dorisch epipamatis 2, d. h. ihr Besitz mit
dem der Erbschaft nothwendig verbunden. Verfügun-
gen über diese waren bei der Sorge für die Erhaltung
der Häuser ein Hauptpunkt alter Gesetzgebungen, wie
in der des Rheginer Androdamas für die Thrakischen
Chalkidier 3, und in der Attischen des Solon 4, mit
der die Chalkidische des Charondas im Wesentlichen
übereingestimmt zu haben scheint 5. Wir heben das
Nöthigste daraus hervor. Die Erbtochter gehört mit
dem Erbe den Verwandten des Hauses (agkhisteis)
an, und wie der Vater nicht ohne deren Einwilligung
über sie testiren kann: so wird dieselbe, bei Mangel
eines Testaments, von diesen Verwandten gerichtlich als
ihnen angehörig gefordert, und das Recht, sie zu ehe-
lichen, geht in ordentlicher Succession weiter 6. Aber
nicht blos das Recht, sondern auch die Pflicht, sie zu
ehelichen, hat der ledige Mann, welchem sie im Kreise

1 S. 2, 6, 10. Bel Plut. Agis 6. kommt eine sehr reiche
Schwester eines armen und verschuldeten Bruders vor. S. noch
Plut. Kleom. 1. über den Reichthum der Frauen in Sp. Aber die
reiche Frau Archidam II. (Athen. 13. p. 566 d.) Eupolia, Mele-
sippidas Tochter, muß epikleros gewesen sein.
2 vgl. Bun-
sen de jure hered. Attico 1, 1. p. 18.
3 Arist. 2, 8, 9.
4 vgl. außer Bunsen a. O. Platner Beiträge S. 117 ff. Sluiter
Lectt. Andocid. 5. p. 80 sq.
5 Diod. 12, 18. Heyne
Opuscc. Ac. 2. p. 119.
6 Isäos Erbsch. des Pyrrhos p. 54.
-- Auffallend ähnlich war das Jüdische Recht. S. Moses 4, 27.
v. Anf. Die Töchter haben das Loos ihres Vaters, aber sie dür-
fen nicht aus dem Geschlechte heirathen; der nächste Verwandte
hat das erste Anrecht auf sie, tritt er sie ab, folgt alsdann der
nächste u. s. w. Ruth 4.

Ariſtoteles Zeit — nach der Epoche des Epitadeus —
konnten ſie auch mit Landbeſitz dotirt werden 1. Dies,
wenn ein Sohn im Hauſe war; war keiner: ſo war
die Tochter (unter mehreren wohl immer die aͤlteſte,)
ἐπίκληρος, doriſch ἐπιπαματίς 2, d. h. ihr Beſitz mit
dem der Erbſchaft nothwendig verbunden. Verfuͤgun-
gen uͤber dieſe waren bei der Sorge fuͤr die Erhaltung
der Haͤuſer ein Hauptpunkt alter Geſetzgebungen, wie
in der des Rheginer Androdamas fuͤr die Thrakiſchen
Chalkidier 3, und in der Attiſchen des Solon 4, mit
der die Chalkidiſche des Charondas im Weſentlichen
uͤbereingeſtimmt zu haben ſcheint 5. Wir heben das
Noͤthigſte daraus hervor. Die Erbtochter gehoͤrt mit
dem Erbe den Verwandten des Hauſes (ἀγχιστεῖς)
an, und wie der Vater nicht ohne deren Einwilligung
uͤber ſie teſtiren kann: ſo wird dieſelbe, bei Mangel
eines Teſtaments, von dieſen Verwandten gerichtlich als
ihnen angehoͤrig gefordert, und das Recht, ſie zu ehe-
lichen, geht in ordentlicher Succeſſion weiter 6. Aber
nicht blos das Recht, ſondern auch die Pflicht, ſie zu
ehelichen, hat der ledige Mann, welchem ſie im Kreiſe

1 S. 2, 6, 10. Bel Plut. Agis 6. kommt eine ſehr reiche
Schweſter eines armen und verſchuldeten Bruders vor. S. noch
Plut. Kleom. 1. uͤber den Reichthum der Frauen in Sp. Aber die
reiche Frau Archidam II. (Athen. 13. p. 566 d.) Eupolia, Mele-
ſippidas Tochter, muß ἐπίκληϱος geweſen ſein.
2 vgl. Bun-
ſen de jure hered. Attico 1, 1. p. 18.
3 Ariſt. 2, 8, 9.
4 vgl. außer Bunſen a. O. Platner Beitraͤge S. 117 ff. Sluiter
Lectt. Andocid. 5. p. 80 sq.
5 Diod. 12, 18. Heyne
Opuscc. Ac. 2. p. 119.
6 Iſaͤos Erbſch. des Pyrrhos p. 54.
— Auffallend aͤhnlich war das Juͤdiſche Recht. S. Moſes 4, 27.
v. Anf. Die Toͤchter haben das Loos ihres Vaters, aber ſie duͤr-
fen nicht aus dem Geſchlechte heirathen; der naͤchſte Verwandte
hat das erſte Anrecht auf ſie, tritt er ſie ab, folgt alsdann der
naͤchſte u. ſ. w. Ruth 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0203" n="197"/>
Ari&#x017F;toteles Zeit &#x2014; nach der Epoche des Epitadeus &#x2014;<lb/>
konnten &#x017F;ie auch mit Landbe&#x017F;itz dotirt werden <note place="foot" n="1">S. 2, 6, 10. Bel Plut. Agis 6. kommt eine &#x017F;ehr reiche<lb/>
Schwe&#x017F;ter eines armen und ver&#x017F;chuldeten Bruders vor. S. noch<lb/>
Plut. Kleom. 1. u&#x0364;ber den Reichthum der Frauen in Sp. Aber die<lb/>
reiche Frau Archidam <hi rendition="#aq">II.</hi> (Athen. 13. <hi rendition="#aq">p. 566 d.</hi>) Eupolia, Mele-<lb/>
&#x017F;ippidas Tochter, muß &#x1F10;&#x03C0;&#x03AF;&#x03BA;&#x03BB;&#x03B7;&#x03F1;&#x03BF;&#x03C2; gewe&#x017F;en &#x017F;ein.</note>. Dies,<lb/>
wenn ein Sohn im Hau&#x017F;e war; war keiner: &#x017F;o war<lb/>
die Tochter (unter mehreren wohl immer die a&#x0364;lte&#x017F;te,)<lb/>
&#x1F10;&#x03C0;&#x03AF;&#x03BA;&#x03BB;&#x03B7;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2;, dori&#x017F;ch &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03C0;&#x03B1;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03AF;&#x03C2; <note place="foot" n="2">vgl. Bun-<lb/>
&#x017F;en <hi rendition="#aq">de jure hered. Attico 1, 1. p.</hi> 18.</note>, d. h. ihr Be&#x017F;itz mit<lb/>
dem der Erb&#x017F;chaft nothwendig verbunden. Verfu&#x0364;gun-<lb/>
gen u&#x0364;ber die&#x017F;e waren bei der Sorge fu&#x0364;r die Erhaltung<lb/>
der Ha&#x0364;u&#x017F;er ein Hauptpunkt alter Ge&#x017F;etzgebungen, wie<lb/>
in der des Rheginer Androdamas fu&#x0364;r die Thraki&#x017F;chen<lb/>
Chalkidier <note place="foot" n="3">Ari&#x017F;t. 2, 8, 9.</note>, und in der Atti&#x017F;chen des Solon <note place="foot" n="4">vgl. außer Bun&#x017F;en a. O. Platner Beitra&#x0364;ge S. 117 ff. Sluiter<lb/><hi rendition="#aq">Lectt. Andocid. 5. p. 80 sq.</hi></note>, mit<lb/>
der die Chalkidi&#x017F;che des Charondas im We&#x017F;entlichen<lb/>
u&#x0364;bereinge&#x017F;timmt zu haben &#x017F;cheint <note place="foot" n="5">Diod. 12, 18. Heyne<lb/><hi rendition="#aq">Opuscc. Ac. 2. p.</hi> 119.</note>. Wir heben das<lb/>
No&#x0364;thig&#x017F;te daraus hervor. Die Erbtochter geho&#x0364;rt mit<lb/>
dem Erbe den Verwandten des Hau&#x017F;es (&#x1F00;&#x03B3;&#x03C7;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03C2;)<lb/>
an, und wie der Vater nicht ohne deren Einwilligung<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ie te&#x017F;tiren kann: &#x017F;o wird die&#x017F;elbe, bei Mangel<lb/>
eines Te&#x017F;taments, von die&#x017F;en Verwandten gerichtlich als<lb/>
ihnen angeho&#x0364;rig gefordert, und das Recht, &#x017F;ie zu ehe-<lb/>
lichen, geht in ordentlicher Succe&#x017F;&#x017F;ion weiter <note place="foot" n="6">I&#x017F;a&#x0364;os Erb&#x017F;ch. des Pyrrhos <hi rendition="#aq">p.</hi> 54.<lb/>
&#x2014; Auffallend a&#x0364;hnlich war das Ju&#x0364;di&#x017F;che Recht. S. Mo&#x017F;es 4, 27.<lb/>
v. Anf. Die To&#x0364;chter haben das Loos ihres Vaters, aber &#x017F;ie du&#x0364;r-<lb/>
fen nicht aus dem Ge&#x017F;chlechte heirathen; der na&#x0364;ch&#x017F;te Verwandte<lb/>
hat das er&#x017F;te Anrecht auf &#x017F;ie, tritt er &#x017F;ie ab, folgt alsdann der<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;te u. &#x017F;. w. Ruth 4.</note>. Aber<lb/>
nicht blos das Recht, &#x017F;ondern auch die Pflicht, &#x017F;ie zu<lb/>
ehelichen, hat der ledige Mann, welchem &#x017F;ie im Krei&#x017F;e<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0203] Ariſtoteles Zeit — nach der Epoche des Epitadeus — konnten ſie auch mit Landbeſitz dotirt werden 1. Dies, wenn ein Sohn im Hauſe war; war keiner: ſo war die Tochter (unter mehreren wohl immer die aͤlteſte,) ἐπίκληρος, doriſch ἐπιπαματίς 2, d. h. ihr Beſitz mit dem der Erbſchaft nothwendig verbunden. Verfuͤgun- gen uͤber dieſe waren bei der Sorge fuͤr die Erhaltung der Haͤuſer ein Hauptpunkt alter Geſetzgebungen, wie in der des Rheginer Androdamas fuͤr die Thrakiſchen Chalkidier 3, und in der Attiſchen des Solon 4, mit der die Chalkidiſche des Charondas im Weſentlichen uͤbereingeſtimmt zu haben ſcheint 5. Wir heben das Noͤthigſte daraus hervor. Die Erbtochter gehoͤrt mit dem Erbe den Verwandten des Hauſes (ἀγχιστεῖς) an, und wie der Vater nicht ohne deren Einwilligung uͤber ſie teſtiren kann: ſo wird dieſelbe, bei Mangel eines Teſtaments, von dieſen Verwandten gerichtlich als ihnen angehoͤrig gefordert, und das Recht, ſie zu ehe- lichen, geht in ordentlicher Succeſſion weiter 6. Aber nicht blos das Recht, ſondern auch die Pflicht, ſie zu ehelichen, hat der ledige Mann, welchem ſie im Kreiſe 1 S. 2, 6, 10. Bel Plut. Agis 6. kommt eine ſehr reiche Schweſter eines armen und verſchuldeten Bruders vor. S. noch Plut. Kleom. 1. uͤber den Reichthum der Frauen in Sp. Aber die reiche Frau Archidam II. (Athen. 13. p. 566 d.) Eupolia, Mele- ſippidas Tochter, muß ἐπίκληϱος geweſen ſein. 2 vgl. Bun- ſen de jure hered. Attico 1, 1. p. 18. 3 Ariſt. 2, 8, 9. 4 vgl. außer Bunſen a. O. Platner Beitraͤge S. 117 ff. Sluiter Lectt. Andocid. 5. p. 80 sq. 5 Diod. 12, 18. Heyne Opuscc. Ac. 2. p. 119. 6 Iſaͤos Erbſch. des Pyrrhos p. 54. — Auffallend aͤhnlich war das Juͤdiſche Recht. S. Moſes 4, 27. v. Anf. Die Toͤchter haben das Loos ihres Vaters, aber ſie duͤr- fen nicht aus dem Geſchlechte heirathen; der naͤchſte Verwandte hat das erſte Anrecht auf ſie, tritt er ſie ab, folgt alsdann der naͤchſte u. ſ. w. Ruth 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/203
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/203>, abgerufen am 28.04.2024.