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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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vorgeschichtlichen Zeitalters Griechenlands in aller ihrer
seltsamen Eigenthümlichkeit kennen gelernt haben. Zwar
steht der sog. Thesauros des Atreus, das einzige ge-
nauer bekannte Denkmal einer gewiß sehr ausgebreite-
ten Gattung 1, jetzt nackt da; aber auch so zeigt es
sich schon durch seine paraboloidische Construktion als
ein von späterer Hellenischer Baukunst eben so, wie
von Orientalischer durchaus abweichendes Bauwerk.
Nun haben neuere Reisende dabei mehrere Stücke von
Säulen gefunden 2, welche durch ihre combinirten For-
men wie durch den Reichthum an Schmuck zwar einer-
seits seltsam überraschen, aber doch durch den Ort, so
wie durch ihre von allem geschichtlich Bekannten durch-
aus verschiedene Beschaffenheit, keinem Zweifel Raum
lassen, daß sie jenem vorgeschichtlichen Zeitalter ange-
hören. Es gehören dazu eine Säulenbasis aus einer
Plinthe, darüber Hohlkehle, dann Torus von ellipti-
schem Profil, geschmückt mit einer Abwechselung hervor-
und zurücktretender Felder, von denen die ersten zum
Theil die durchgehende Verzierung von schneckenförmi-
gen Windungen haben, dann ein Ablauf mit andern Ver-
zierungen; zweitens ein Stück Säulenschaft von bronze-
farbenen Marmor mit ähnlicher Verzierung in Feldern;

1 Wir nennen als Gebäude derselben Gattung aus Neuen
und Alten, 1, ein ähnliches in der Nähe aber zerstörtes. 2, das
von Gropius entdeckte am Eurotas. 3, die Entdeckung von Dod-
well bei Pharsalos. 4, das des Minnas. 5, das des Hyrieus.
6, das des Augeas. 7, das eherne Faß der Aloiden. 8, das sog.
unterirdische Faß, wohin Eurystheus flüchtet. 9, den ehernen Thc
lamos der Danae (nach Hirt). 10, den unterirdischen ehernen ky-
klopischen Tempel von Delphi (Bd. 1. 242.).
2 W. Gell
Argolis pl. 7. Dodwell Class. tour 2. p. 229. 240. Besonders
benutze ich hiebei Zeichnungen von Lusieri (niedergelegt im Print-
room
des Britt. Museums), der auch sehr sinnreich das Ganze
zu restauriren versucht hat.

vorgeſchichtlichen Zeitalters Griechenlands in aller ihrer
ſeltſamen Eigenthuͤmlichkeit kennen gelernt haben. Zwar
ſteht der ſog. Theſauros des Atreus, das einzige ge-
nauer bekannte Denkmal einer gewiß ſehr ausgebreite-
ten Gattung 1, jetzt nackt da; aber auch ſo zeigt es
ſich ſchon durch ſeine paraboloidiſche Conſtruktion als
ein von ſpaͤterer Helleniſcher Baukunſt eben ſo, wie
von Orientaliſcher durchaus abweichendes Bauwerk.
Nun haben neuere Reiſende dabei mehrere Stuͤcke von
Saͤulen gefunden 2, welche durch ihre combinirten For-
men wie durch den Reichthum an Schmuck zwar einer-
ſeits ſeltſam uͤberraſchen, aber doch durch den Ort, ſo
wie durch ihre von allem geſchichtlich Bekannten durch-
aus verſchiedene Beſchaffenheit, keinem Zweifel Raum
laſſen, daß ſie jenem vorgeſchichtlichen Zeitalter ange-
hoͤren. Es gehoͤren dazu eine Saͤulenbaſis aus einer
Plinthe, daruͤber Hohlkehle, dann Torus von ellipti-
ſchem Profil, geſchmuͤckt mit einer Abwechſelung hervor-
und zuruͤcktretender Felder, von denen die erſten zum
Theil die durchgehende Verzierung von ſchneckenfoͤrmi-
gen Windungen haben, dann ein Ablauf mit andern Ver-
zierungen; zweitens ein Stuͤck Saͤulenſchaft von bronze-
farbenen Marmor mit aͤhnlicher Verzierung in Feldern;

1 Wir nennen als Gebaͤude derſelben Gattung aus Neuen
und Alten, 1, ein aͤhnliches in der Naͤhe aber zerſtoͤrtes. 2, das
von Gropius entdeckte am Eurotas. 3, die Entdeckung von Dod-
well bei Pharſalos. 4, das des Minnas. 5, das des Hyrieus.
6, das des Augeas. 7, das eherne Faß der Aloiden. 8, das ſog.
unterirdiſche Faß, wohin Euryſtheus fluͤchtet. 9, den ehernen Thc
lamos der Danaë (nach Hirt). 10, den unterirdiſchen ehernen ky-
klopiſchen Tempel von Delphi (Bd. 1. 242.).
2 W. Gell
Argolis pl. 7. Dodwell Class. tour 2. p. 229. 240. Beſonders
benutze ich hiebei Zeichnungen von Luſieri (niedergelegt im Print-
room
des Britt. Muſeums), der auch ſehr ſinnreich das Ganze
zu reſtauriren verſucht hat.
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[256/0262] vorgeſchichtlichen Zeitalters Griechenlands in aller ihrer ſeltſamen Eigenthuͤmlichkeit kennen gelernt haben. Zwar ſteht der ſog. Theſauros des Atreus, das einzige ge- nauer bekannte Denkmal einer gewiß ſehr ausgebreite- ten Gattung 1, jetzt nackt da; aber auch ſo zeigt es ſich ſchon durch ſeine paraboloidiſche Conſtruktion als ein von ſpaͤterer Helleniſcher Baukunſt eben ſo, wie von Orientaliſcher durchaus abweichendes Bauwerk. Nun haben neuere Reiſende dabei mehrere Stuͤcke von Saͤulen gefunden 2, welche durch ihre combinirten For- men wie durch den Reichthum an Schmuck zwar einer- ſeits ſeltſam uͤberraſchen, aber doch durch den Ort, ſo wie durch ihre von allem geſchichtlich Bekannten durch- aus verſchiedene Beſchaffenheit, keinem Zweifel Raum laſſen, daß ſie jenem vorgeſchichtlichen Zeitalter ange- hoͤren. Es gehoͤren dazu eine Saͤulenbaſis aus einer Plinthe, daruͤber Hohlkehle, dann Torus von ellipti- ſchem Profil, geſchmuͤckt mit einer Abwechſelung hervor- und zuruͤcktretender Felder, von denen die erſten zum Theil die durchgehende Verzierung von ſchneckenfoͤrmi- gen Windungen haben, dann ein Ablauf mit andern Ver- zierungen; zweitens ein Stuͤck Saͤulenſchaft von bronze- farbenen Marmor mit aͤhnlicher Verzierung in Feldern; 1 Wir nennen als Gebaͤude derſelben Gattung aus Neuen und Alten, 1, ein aͤhnliches in der Naͤhe aber zerſtoͤrtes. 2, das von Gropius entdeckte am Eurotas. 3, die Entdeckung von Dod- well bei Pharſalos. 4, das des Minnas. 5, das des Hyrieus. 6, das des Augeas. 7, das eherne Faß der Aloiden. 8, das ſog. unterirdiſche Faß, wohin Euryſtheus fluͤchtet. 9, den ehernen Thc lamos der Danaë (nach Hirt). 10, den unterirdiſchen ehernen ky- klopiſchen Tempel von Delphi (Bd. 1. 242.). 2 W. Gell Argolis pl. 7. Dodwell Class. tour 2. p. 229. 240. Beſonders benutze ich hiebei Zeichnungen von Luſieri (niedergelegt im Print- room des Britt. Muſeums), der auch ſehr ſinnreich das Ganze zu reſtauriren verſucht hat.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/262>, abgerufen am 30.04.2024.