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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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wir indeß von dieser handeln, stellen wir die. Betrach-
tung eines Verhältnisses voran, welches einerseits für
die Erziehung von ungemeiner Wichtigkeit ist, aber
andrerseits zugleich eine gewisse Verwandtschaft mit
dem eben behandelten zeigt: wir meinen das der Kna-
benliebe
nach altdorischen, in der Kretischen und
Lykurgischen Gesetzordnung am sichersten zu erkennen-
den, Grundsätzen. Wir werden erstens das Faktische
möglichst bestimmt und charakteristisch aufstellen, ehe
wir uns eine allgemeine Ansicht zu fassen erlauben;
eine ethische Kritik scheint gar nicht hieher zu gehören.

In Sparta hieß der Liebende eispnelas 1 und
das Lieben von seiner Seite eispnein 2 oder Einhau-
chen, welches ohne Zweifel einen von dem Liebenden
auf den Geliebten übergehenden Affekt und eine da-
durch hervorgebrachte Seelenstimmung im Letztern an-
zeigt, ganz entsprechend der Benennung des Geliebten:
aItas 3, Hörer, die den geistig Empfangenden aus-
drückt. Nun scheint es im Ganzen Regel gewesen zu
sein, daß jedweder tadellose Knabe seinen Liebhaber
hatte 4, und umgekehrt war jeder edelerzogne Mann durch

die akosmountas, wo sie sie trasen, bakteriais paiein. Beiläu-
fig: den Stock betrachteten schon die Sp. als Mittel der Subor-
dination, auch im Kriege. Vgl. Plut. Themist. 11. Thuk. 8, 84.
1 Die ächte Form ist wohl eispnelas, s. Kallim. Frgm.
169. Bentl. Etym. M. 43, 34. 306, 24. Gudian. 23, 2. Orion
p. 617, 49. eispnelos Theokr. 12, 13.
2 Aelian V. G.
3, 12. empneisthai dafür Plut. Kleom. 3.
3 Oben Bd.
2. S. 5. vgl. Etym. M. 43, 31. Gudian. a. O. aeites Ari-
stoph. in Bekk. Anecd. 1. p. 348. Tz. Lyk. 459. Alkman hatte auch
verliebte Jungfrauen aItias koras genannt, vgl. zu Schneiders
Ler. s. v. noch. Etym. Gud. 23, 3. Sonst vgl. das Lex. voc.
peregrin.
im Valpy'schen Thesaur. n. 12. p. 492.
4 Serv.
ad Aen. 10, 325. adeo ut Cic. dicat in libris de rep. (p. 280.

wir indeß von dieſer handeln, ſtellen wir die. Betrach-
tung eines Verhaͤltniſſes voran, welches einerſeits fuͤr
die Erziehung von ungemeiner Wichtigkeit iſt, aber
andrerſeits zugleich eine gewiſſe Verwandtſchaft mit
dem eben behandelten zeigt: wir meinen das der Kna-
benliebe
nach altdoriſchen, in der Kretiſchen und
Lykurgiſchen Geſetzordnung am ſicherſten zu erkennen-
den, Grundſaͤtzen. Wir werden erſtens das Faktiſche
moͤglichſt beſtimmt und charakteriſtiſch aufſtellen, ehe
wir uns eine allgemeine Anſicht zu faſſen erlauben;
eine ethiſche Kritik ſcheint gar nicht hieher zu gehoͤren.

In Sparta hieß der Liebende εἰςπνήλας 1 und
das Lieben von ſeiner Seite εἰςπνεῖν 2 oder Einhau-
chen, welches ohne Zweifel einen von dem Liebenden
auf den Geliebten uͤbergehenden Affekt und eine da-
durch hervorgebrachte Seelenſtimmung im Letztern an-
zeigt, ganz entſprechend der Benennung des Geliebten:
ἀΐτας 3, Hoͤrer, die den geiſtig Empfangenden aus-
druͤckt. Nun ſcheint es im Ganzen Regel geweſen zu
ſein, daß jedweder tadelloſe Knabe ſeinen Liebhaber
hatte 4, und umgekehrt war jeder edelerzogne Mann durch

die ἀκοσμοῦντας, wo ſie ſie traſen, βακτηϱὶαις παὶειν. Beilaͤu-
fig: den Stock betrachteten ſchon die Sp. als Mittel der Subor-
dination, auch im Kriege. Vgl. Plut. Themiſt. 11. Thuk. 8, 84.
1 Die aͤchte Form iſt wohl εἰςπνήλας, ſ. Kallim. Frgm.
169. Bentl. Etym. M. 43, 34. 306, 24. Gudian. 23, 2. Orion
p. 617, 49. εἴςπνηλος Theokr. 12, 13.
2 Aelian V. G.
3, 12. ἐμπνεῖσϑαι dafuͤr Plut. Kleom. 3.
3 Oben Bd.
2. S. 5. vgl. Etym. M. 43, 31. Gudian. a. O. ἀείτης Ari-
ſtoph. in Bekk. Anecd. 1. p. 348. Tz. Lyk. 459. Alkman hatte auch
verliebte Jungfrauen αΐτιας κόϱας genannt, vgl. zu Schneiders
Ler. s. v. noch. Etym. Gud. 23, 3. Sonſt vgl. das Lex. voc.
peregrin.
im Valpy’ſchen Thesaur. n. 12. p. 492.
4 Serv.
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[290/0296] wir indeß von dieſer handeln, ſtellen wir die. Betrach- tung eines Verhaͤltniſſes voran, welches einerſeits fuͤr die Erziehung von ungemeiner Wichtigkeit iſt, aber andrerſeits zugleich eine gewiſſe Verwandtſchaft mit dem eben behandelten zeigt: wir meinen das der Kna- benliebe nach altdoriſchen, in der Kretiſchen und Lykurgiſchen Geſetzordnung am ſicherſten zu erkennen- den, Grundſaͤtzen. Wir werden erſtens das Faktiſche moͤglichſt beſtimmt und charakteriſtiſch aufſtellen, ehe wir uns eine allgemeine Anſicht zu faſſen erlauben; eine ethiſche Kritik ſcheint gar nicht hieher zu gehoͤren. In Sparta hieß der Liebende εἰςπνήλας 1 und das Lieben von ſeiner Seite εἰςπνεῖν 2 oder Einhau- chen, welches ohne Zweifel einen von dem Liebenden auf den Geliebten uͤbergehenden Affekt und eine da- durch hervorgebrachte Seelenſtimmung im Letztern an- zeigt, ganz entſprechend der Benennung des Geliebten: ἀΐτας 3, Hoͤrer, die den geiſtig Empfangenden aus- druͤckt. Nun ſcheint es im Ganzen Regel geweſen zu ſein, daß jedweder tadelloſe Knabe ſeinen Liebhaber hatte 4, und umgekehrt war jeder edelerzogne Mann durch 2 1 Die aͤchte Form iſt wohl εἰςπνήλας, ſ. Kallim. Frgm. 169. Bentl. Etym. M. 43, 34. 306, 24. Gudian. 23, 2. Orion p. 617, 49. εἴςπνηλος Theokr. 12, 13. 2 Aelian V. G. 3, 12. ἐμπνεῖσϑαι dafuͤr Plut. Kleom. 3. 3 Oben Bd. 2. S. 5. vgl. Etym. M. 43, 31. Gudian. a. O. ἀείτης Ari- ſtoph. in Bekk. Anecd. 1. p. 348. Tz. Lyk. 459. Alkman hatte auch verliebte Jungfrauen αΐτιας κόϱας genannt, vgl. zu Schneiders Ler. s. v. noch. Etym. Gud. 23, 3. Sonſt vgl. das Lex. voc. peregrin. im Valpy’ſchen Thesaur. n. 12. p. 492. 4 Serv. ad Aen. 10, 325. adeo ut Cic. dicat in libris de rep. (p. 280. 2 die ἀκοσμοῦντας, wo ſie ſie traſen, βακτηϱὶαις παὶειν. Beilaͤu- fig: den Stock betrachteten ſchon die Sp. als Mittel der Subor- dination, auch im Kriege. Vgl. Plut. Themiſt. 11. Thuk. 8, 84.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/296>, abgerufen am 28.04.2024.