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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Weisen, die man sang und zu denen man tanzte, müssen
von dem Vortrage der Homerischen Rhapsoden sehr
verschieden gewesen sein, dem erst Terpandros, wie den
Gesetzen des Lykurg 1, Melodien nach bestimmten No-
men zugefügt haben soll, die jene Cultushymnen von
Anfang hatten; die Tonart aber, in der sie gesetzt wa-
ren, kann keine andere gewesen sein als die Dorische.
Das Bestreben zu vermannigfaltigen hat wahrscheinlich
dabei begonnen, den sechsfüßigen Daktylen in verschieden-
artige Reihen zu brechen, um daraus neue Ganze zu
construiren, wodurch denn eigentlich erst das Antistrophi-
sche möglich wurde; und wenn mehrere solche abge-
brochne Daktyliken von Alkman den Namen tragen 2, so
hat er doch gewiß nicht den ersten Anfang darin gemacht.
Dabei muß man aber immer noch den anapästischen
Marschliedern einen besondern, in der eigenthümlichen
Veranlassung gegebnen, Anfang zugestehn; auch Päanen

hang nichts von lyrischen Maaßen aussagt, sondern blos Melodieen
bezeichnet, und das mele peritithenai tois epesi der alten Me-
lopöen nicht ein Vermischen des Hexameters mit andern Maaßen,
sondern blos die musikalische Composition anzeigt. Die Erinnerung
verdanke ich Böckh.
1 Oben Bd. 2. S. 134. wo derselbe Irrthum zu berichti-
gen. Die Gesetze wurden ohne Zweifel episch oder elegisch abge-
faßt, möglich von Terpandros selbst, der auch epopoios, und prooi-
mia zur Einleitung Homerischer Gesänge dichtete. Doch dichtete
derselbe auch Skolien, wohl der Dorischen Art, Plut. Mus. 8.,
und Spondiaka in Dorischer Tonart, wie das herrliche bei Klem.
Al. 6. p. 658.: Zeu panton arkha, panton egetor Zei, Soi
pempo tautan umnon arkhan. Auch seine epe waren, wenigstens
zum Theil, in Dorischem Dialekt, in welchem auch die ältern Or-
phika nach Jamblich und viele Delphische Orakel, von denen Beil.
4., gedichtet waren.
2 Worauf auch das: numeros minuit
in carmine
(Welcker p. 11.) geht.

Weiſen, die man ſang und zu denen man tanzte, muͤſſen
von dem Vortrage der Homeriſchen Rhapſoden ſehr
verſchieden geweſen ſein, dem erſt Terpandros, wie den
Geſetzen des Lykurg 1, Melodien nach beſtimmten No-
men zugefuͤgt haben ſoll, die jene Cultushymnen von
Anfang hatten; die Tonart aber, in der ſie geſetzt wa-
ren, kann keine andere geweſen ſein als die Doriſche.
Das Beſtreben zu vermannigfaltigen hat wahrſcheinlich
dabei begonnen, den ſechsfuͤßigen Daktylen in verſchieden-
artige Reihen zu brechen, um daraus neue Ganze zu
conſtruiren, wodurch denn eigentlich erſt das Antiſtrophi-
ſche moͤglich wurde; und wenn mehrere ſolche abge-
brochne Daktyliken von Alkman den Namen tragen 2, ſo
hat er doch gewiß nicht den erſten Anfang darin gemacht.
Dabei muß man aber immer noch den anapaͤſtiſchen
Marſchliedern einen beſondern, in der eigenthuͤmlichen
Veranlaſſung gegebnen, Anfang zugeſtehn; auch Paͤanen

hang nichts von lyriſchen Maaßen ausſagt, ſondern blos Melodieen
bezeichnet, und das μέλη πεϱιτιϑέναι τοῖς ἔπεσι der alten Me-
lopoͤen nicht ein Vermiſchen des Hexameters mit andern Maaßen,
ſondern blos die muſikaliſche Compoſition anzeigt. Die Erinnerung
verdanke ich Boͤckh.
1 Oben Bd. 2. S. 134. wo derſelbe Irrthum zu berichti-
gen. Die Geſetze wurden ohne Zweifel epiſch oder elegiſch abge-
faßt, moͤglich von Terpandros ſelbſt, der auch ἐποποιὸς, und πϱοοί-
μια zur Einleitung Homeriſcher Geſaͤnge dichtete. Doch dichtete
derſelbe auch Skolien, wohl der Doriſchen Art, Plut. Muſ. 8.,
und Spondiaka in Doriſcher Tonart, wie das herrliche bei Klem.
Al. 6. p. 658.: Ζεῦ πάντων ἀϱχὰ, πάντων ἡγῆτοϱ Ζεῖ, Σοὶ
πέμπω ταύταν ὕμνων ἀϱχάν. Auch ſeine ἔπη waren, wenigſtens
zum Theil, in Doriſchem Dialekt, in welchem auch die aͤltern Or-
phika nach Jamblich und viele Delphiſche Orakel, von denen Beil.
4., gedichtet waren.
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(Welcker p. 11.) geht.
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[377/0383] Weiſen, die man ſang und zu denen man tanzte, muͤſſen von dem Vortrage der Homeriſchen Rhapſoden ſehr verſchieden geweſen ſein, dem erſt Terpandros, wie den Geſetzen des Lykurg 1, Melodien nach beſtimmten No- men zugefuͤgt haben ſoll, die jene Cultushymnen von Anfang hatten; die Tonart aber, in der ſie geſetzt wa- ren, kann keine andere geweſen ſein als die Doriſche. Das Beſtreben zu vermannigfaltigen hat wahrſcheinlich dabei begonnen, den ſechsfuͤßigen Daktylen in verſchieden- artige Reihen zu brechen, um daraus neue Ganze zu conſtruiren, wodurch denn eigentlich erſt das Antiſtrophi- ſche moͤglich wurde; und wenn mehrere ſolche abge- brochne Daktyliken von Alkman den Namen tragen 2, ſo hat er doch gewiß nicht den erſten Anfang darin gemacht. Dabei muß man aber immer noch den anapaͤſtiſchen Marſchliedern einen beſondern, in der eigenthuͤmlichen Veranlaſſung gegebnen, Anfang zugeſtehn; auch Paͤanen 4 1 Oben Bd. 2. S. 134. wo derſelbe Irrthum zu berichti- gen. Die Geſetze wurden ohne Zweifel epiſch oder elegiſch abge- faßt, moͤglich von Terpandros ſelbſt, der auch ἐποποιὸς, und πϱοοί- μια zur Einleitung Homeriſcher Geſaͤnge dichtete. Doch dichtete derſelbe auch Skolien, wohl der Doriſchen Art, Plut. Muſ. 8., und Spondiaka in Doriſcher Tonart, wie das herrliche bei Klem. Al. 6. p. 658.: Ζεῦ πάντων ἀϱχὰ, πάντων ἡγῆτοϱ Ζεῖ, Σοὶ πέμπω ταύταν ὕμνων ἀϱχάν. Auch ſeine ἔπη waren, wenigſtens zum Theil, in Doriſchem Dialekt, in welchem auch die aͤltern Or- phika nach Jamblich und viele Delphiſche Orakel, von denen Beil. 4., gedichtet waren. 2 Worauf auch das: numeros minuit in carmine (Welcker p. 11.) geht. 4 hang nichts von lyriſchen Maaßen ausſagt, ſondern blos Melodieen bezeichnet, und das μέλη πεϱιτιϑέναι τοῖς ἔπεσι der alten Me- lopoͤen nicht ein Vermiſchen des Hexameters mit andern Maaßen, ſondern blos die muſikaliſche Compoſition anzeigt. Die Erinnerung verdanke ich Boͤckh.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/383>, abgerufen am 29.04.2024.