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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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es hier nicht mit Griechen sondern Barbaren zu thun
hatten. Gewöhnlich ergaben sich geschichtlich folgende
Stände. Ein Dorischer Staat hatte die Colonie ge-
führt, und dessen Bürger constituirten nun den Adel
in der neuen Stadt, sie theilten das gewonnene Land
in klerous unter sich 1, und bildeten das eigentliche
politeuma 2. Nun waren aber dergleichen Colonien
darauf bedacht, sich durch Volksmenge zu verstärken,
und öffneten ihre Häfen allerlei Heimatlosen und Un-
zufriedenen. Dieses Volk von bunter Zusammensetzung 3,
gemeiniglich Demos genannt, stand gewöhnlich außer-
halb des Politeuma, bis es sich durch Gewalt ein-
drängte, und drang zugleich beständig auf neue Ver-
theilung der Feldmark, auf anadasmos 4. Dazu ka-
men nun drittens die Ureinwohner, welche jetzt als
Leibeigene oder Staatsknechte dienen mußten. So un-
terscheidet man in Syrakus: erstens die Gamoren.
Dies sind die altkorinthischen Colonisten, welche die
großen Kleroi in Besitz genommen und das Land ge-
theilt haben 5. Zweitens einen Demos; drittens

1 S. z. B. von der klerodosia von Knidos Diod. 5, 53.
Daß die Loose schon im Mutterlande ausgetheilt wurden, sieht man
bei der Gründung von Syrakus Bd. 2. S. 116. Vgl. die Ge-
schichte der Coloniensendung nach Epidamnos. Thuk. 1, 27.
2 So
war es z. B. im Korinthischen Apollonia. Herod. 9, 93. Aristot.
Pol. 4, 3, 8. Eben so in Thera. vgl. Bd. 1. S. 337.
3 Thuk.
6, 17. von den Städten Siciliens: okhlois te gar xummiktois po-
luandrousin k. t. l.
4 Das klarste Beispiel, obgleich von
keiner Dorischen Stadt, ist bei Thuk. 5, 4. Die Leontiner hatten
viel neue Bürger gemacht, und diese, nun den Demos zum Theil
bildend, drangen auf anadasmos. Darüber vertrieb der Adel den
Demos ganz. Vgl. unten K. 9.
5 Herod. 7, 155. Aristot. pol.
Surak. bei Phot. S. 96. Dionys. Hal. 6, 62. p. 388, 35. Mar-
mor. Par. l.
52. Hesych: gamoroi -- e oi apo ton eggeion ti-
mematon (a censu agrorum) ta ko[ - 1 Zeichen fehlt]na diepontes. Platner

es hier nicht mit Griechen ſondern Barbaren zu thun
hatten. Gewoͤhnlich ergaben ſich geſchichtlich folgende
Staͤnde. Ein Doriſcher Staat hatte die Colonie ge-
fuͤhrt, und deſſen Buͤrger conſtituirten nun den Adel
in der neuen Stadt, ſie theilten das gewonnene Land
in κλήρους unter ſich 1, und bildeten das eigentliche
πολίτευμα 2. Nun waren aber dergleichen Colonien
darauf bedacht, ſich durch Volksmenge zu verſtaͤrken,
und oͤffneten ihre Haͤfen allerlei Heimatloſen und Un-
zufriedenen. Dieſes Volk von bunter Zuſammenſetzung 3,
gemeiniglich Demos genannt, ſtand gewoͤhnlich außer-
halb des Politeuma, bis es ſich durch Gewalt ein-
draͤngte, und drang zugleich beſtaͤndig auf neue Ver-
theilung der Feldmark, auf ἀναδασμός 4. Dazu ka-
men nun drittens die Ureinwohner, welche jetzt als
Leibeigene oder Staatsknechte dienen mußten. So un-
terſcheidet man in Syrakus: erſtens die Gamoren.
Dies ſind die altkorinthiſchen Coloniſten, welche die
großen Kleroi in Beſitz genommen und das Land ge-
theilt haben 5. Zweitens einen Demos; drittens

1 S. z. B. von der κληϱοδοσία von Knidos Diod. 5, 53.
Daß die Looſe ſchon im Mutterlande ausgetheilt wurden, ſieht man
bei der Gruͤndung von Syrakus Bd. 2. S. 116. Vgl. die Ge-
ſchichte der Colonienſendung nach Epidamnos. Thuk. 1, 27.
2 So
war es z. B. im Korinthiſchen Apollonia. Herod. 9, 93. Ariſtot.
Pol. 4, 3, 8. Eben ſo in Thera. vgl. Bd. 1. S. 337.
3 Thuk.
6, 17. von den Staͤdten Siciliens: ὄχλοις τε γὰϱ ξυμμίκτοις πο-
λυανδϱοῦσιν κ. τ. λ.
4 Das klarſte Beiſpiel, obgleich von
keiner Doriſchen Stadt, iſt bei Thuk. 5, 4. Die Leontiner hatten
viel neue Buͤrger gemacht, und dieſe, nun den Demos zum Theil
bildend, drangen auf ἀναδασμός. Daruͤber vertrieb der Adel den
Demos ganz. Vgl. unten K. 9.
5 Herod. 7, 155. Ariſtot. πολ.
Συϱακ. bei Phot. S. 96. Dionyſ. Hal. 6, 62. p. 388, 35. Mar-
mor. Par. l.
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[61/0067] es hier nicht mit Griechen ſondern Barbaren zu thun hatten. Gewoͤhnlich ergaben ſich geſchichtlich folgende Staͤnde. Ein Doriſcher Staat hatte die Colonie ge- fuͤhrt, und deſſen Buͤrger conſtituirten nun den Adel in der neuen Stadt, ſie theilten das gewonnene Land in κλήρους unter ſich 1, und bildeten das eigentliche πολίτευμα 2. Nun waren aber dergleichen Colonien darauf bedacht, ſich durch Volksmenge zu verſtaͤrken, und oͤffneten ihre Haͤfen allerlei Heimatloſen und Un- zufriedenen. Dieſes Volk von bunter Zuſammenſetzung 3, gemeiniglich Demos genannt, ſtand gewoͤhnlich außer- halb des Politeuma, bis es ſich durch Gewalt ein- draͤngte, und drang zugleich beſtaͤndig auf neue Ver- theilung der Feldmark, auf ἀναδασμός 4. Dazu ka- men nun drittens die Ureinwohner, welche jetzt als Leibeigene oder Staatsknechte dienen mußten. So un- terſcheidet man in Syrakus: erſtens die Gamoren. Dies ſind die altkorinthiſchen Coloniſten, welche die großen Kleroi in Beſitz genommen und das Land ge- theilt haben 5. Zweitens einen Demos; drittens 1 S. z. B. von der κληϱοδοσία von Knidos Diod. 5, 53. Daß die Looſe ſchon im Mutterlande ausgetheilt wurden, ſieht man bei der Gruͤndung von Syrakus Bd. 2. S. 116. Vgl. die Ge- ſchichte der Colonienſendung nach Epidamnos. Thuk. 1, 27. 2 So war es z. B. im Korinthiſchen Apollonia. Herod. 9, 93. Ariſtot. Pol. 4, 3, 8. Eben ſo in Thera. vgl. Bd. 1. S. 337. 3 Thuk. 6, 17. von den Staͤdten Siciliens: ὄχλοις τε γὰϱ ξυμμίκτοις πο- λυανδϱοῦσιν κ. τ. λ. 4 Das klarſte Beiſpiel, obgleich von keiner Doriſchen Stadt, iſt bei Thuk. 5, 4. Die Leontiner hatten viel neue Buͤrger gemacht, und dieſe, nun den Demos zum Theil bildend, drangen auf ἀναδασμός. Daruͤber vertrieb der Adel den Demos ganz. Vgl. unten K. 9. 5 Herod. 7, 155. Ariſtot. πολ. Συϱακ. bei Phot. S. 96. Dionyſ. Hal. 6, 62. p. 388, 35. Mar- mor. Par. l. 52. Heſych: γάμοϱοι — ἢ οἱ ἀπὸ τῶν ἐγγείων τι- μημάτων (a censu agrorum) τὰ κο_νὰ διέποντες. Platner

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/67>, abgerufen am 27.04.2024.