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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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abnehmen wollte -- in ganz Griechenland angekündigt
hatten 1, und viele Neubürger zusammen gekommen
waren: wurde auch mit der Zeit eine neue Verfassung
nöthig, welche Demonax von Mantineia nach demokra-
tischen Grundsätzen anordnete. Er hob die alten Stäm-
me auf, und setzte an ihre Stelle neue, in welchen die
gesammte Griechische Bevölkerung von Kyrene zusam-
mengefaßt war 2. "Er machte drei Phylen, welche
er so einrichtete. Den einen Theil des Volkes ließ er
aus den Theräern und den Periöken bestehn, den andern
aus Peloponnesiern und Kretern, den dritten aus allen
Inselbewohnern" 3. Hieraus ist deutlich, daß auch
fortwährend nur die ursprünglichen Colonisten Periöken
hatten, die andern nicht, und jene immer noch eine Art
von Bevorrechteten waren, deren Existenz wohl größ-
tentheils vom eigenen Betrieb des Landbaues unabhän-
gig war; so ehrte der weise Demonax die geschichtliche
Vergangenheit. Von der Zusammensetzung und dem
Zustande jener Periöken haben wir keine Nachricht und
nicht einmal eine andeutende Spur.

6.

So kommen wir endlich zum Schluß dieser
weitschichtigen Zusammenstellung. Es ist deutlich ge-
worden, daß zur Grundlage des Dorischen Staates
ein Periöken- und ein Helotenstand gehört, so daß die
Aufhebung der Dienstbarkeit auch gewöhnlich den Um-
sturz der Dorischen Institute herbeiführte. Daher
zeichnen sich die Dorier und namentlich Sparta durch
hartnäckige Festhaltung derselben aus. Aber eigentlich

1 Das Orakel bei Herod. 4, 159.
os de ken es Aibuan polueraton usteron elthe
gas anadaiomenas, meta oi poka phami melesein.
Vgl. usterein tes klerodosias Diod. 5, 53.
2 Arist. Pol.
6, 4. vgl. Platner a. O. S. 70.
3 Worte Herodots 4, 161.
vgl. Thrige Cyrene p. 166.

abnehmen wollte — in ganz Griechenland angekuͤndigt
hatten 1, und viele Neubuͤrger zuſammen gekommen
waren: wurde auch mit der Zeit eine neue Verfaſſung
noͤthig, welche Demonax von Mantineia nach demokra-
tiſchen Grundſaͤtzen anordnete. Er hob die alten Staͤm-
me auf, und ſetzte an ihre Stelle neue, in welchen die
geſammte Griechiſche Bevoͤlkerung von Kyrene zuſam-
mengefaßt war 2. “Er machte drei Phylen, welche
er ſo einrichtete. Den einen Theil des Volkes ließ er
aus den Theraͤern und den Perioͤken beſtehn, den andern
aus Peloponneſiern und Kretern, den dritten aus allen
Inſelbewohnern” 3. Hieraus iſt deutlich, daß auch
fortwaͤhrend nur die urſpruͤnglichen Coloniſten Perioͤken
hatten, die andern nicht, und jene immer noch eine Art
von Bevorrechteten waren, deren Exiſtenz wohl groͤß-
tentheils vom eigenen Betrieb des Landbaues unabhaͤn-
gig war; ſo ehrte der weiſe Demonax die geſchichtliche
Vergangenheit. Von der Zuſammenſetzung und dem
Zuſtande jener Perioͤken haben wir keine Nachricht und
nicht einmal eine andeutende Spur.

6.

So kommen wir endlich zum Schluß dieſer
weitſchichtigen Zuſammenſtellung. Es iſt deutlich ge-
worden, daß zur Grundlage des Doriſchen Staates
ein Perioͤken- und ein Helotenſtand gehoͤrt, ſo daß die
Aufhebung der Dienſtbarkeit auch gewoͤhnlich den Um-
ſturz der Doriſchen Inſtitute herbeifuͤhrte. Daher
zeichnen ſich die Dorier und namentlich Sparta durch
hartnaͤckige Feſthaltung derſelben aus. Aber eigentlich

1 Das Orakel bei Herod. 4, 159.
ὃς δέ κεν ἐς Αιβύαν πολυήϱατον ὕστεϱον ἔλθῃ
γᾶς ἀναδαιομένας, μετά οἵ ποκά φαμι μελήσειν.
Vgl. ὑστεϱεῖν τῆς κληϱοδοσὶας Diod. 5, 53.
2 Ariſt. Pol.
6, 4. vgl. Platner a. O. S. 70.
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[64/0070] abnehmen wollte — in ganz Griechenland angekuͤndigt hatten 1, und viele Neubuͤrger zuſammen gekommen waren: wurde auch mit der Zeit eine neue Verfaſſung noͤthig, welche Demonax von Mantineia nach demokra- tiſchen Grundſaͤtzen anordnete. Er hob die alten Staͤm- me auf, und ſetzte an ihre Stelle neue, in welchen die geſammte Griechiſche Bevoͤlkerung von Kyrene zuſam- mengefaßt war 2. “Er machte drei Phylen, welche er ſo einrichtete. Den einen Theil des Volkes ließ er aus den Theraͤern und den Perioͤken beſtehn, den andern aus Peloponneſiern und Kretern, den dritten aus allen Inſelbewohnern” 3. Hieraus iſt deutlich, daß auch fortwaͤhrend nur die urſpruͤnglichen Coloniſten Perioͤken hatten, die andern nicht, und jene immer noch eine Art von Bevorrechteten waren, deren Exiſtenz wohl groͤß- tentheils vom eigenen Betrieb des Landbaues unabhaͤn- gig war; ſo ehrte der weiſe Demonax die geſchichtliche Vergangenheit. Von der Zuſammenſetzung und dem Zuſtande jener Perioͤken haben wir keine Nachricht und nicht einmal eine andeutende Spur. 6. So kommen wir endlich zum Schluß dieſer weitſchichtigen Zuſammenſtellung. Es iſt deutlich ge- worden, daß zur Grundlage des Doriſchen Staates ein Perioͤken- und ein Helotenſtand gehoͤrt, ſo daß die Aufhebung der Dienſtbarkeit auch gewoͤhnlich den Um- ſturz der Doriſchen Inſtitute herbeifuͤhrte. Daher zeichnen ſich die Dorier und namentlich Sparta durch hartnaͤckige Feſthaltung derſelben aus. Aber eigentlich 1 Das Orakel bei Herod. 4, 159. ὃς δέ κεν ἐς Αιβύαν πολυήϱατον ὕστεϱον ἔλθῃ γᾶς ἀναδαιομένας, μετά οἵ ποκά φαμι μελήσειν. Vgl. ὑστεϱεῖν τῆς κληϱοδοσὶας Diod. 5, 53. 2 Ariſt. Pol. 6, 4. vgl. Platner a. O. S. 70. 3 Worte Herodots 4, 161. vgl. Thrige Cyrene p. 166.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/70>, abgerufen am 30.04.2024.