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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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gleich man sie deswegen nicht Kriegssklaven nennen
soll 1. Sie waren ferner nicht der Gemeinde im Gan-
zen unterthänig, sondern gehörten einzelnen Häusern und
Familien an 2, daher sie auch Thessaloiketai
heißen 3. Besonders in den großen Häusern der Aleua-
den und Skopaden waren sie sehr zahlreich 4. Ihr
Hauptgeschäft war der Ackerbau 5, von dessen Ertrage
sie den eigentlichen Besitzern der Güter zinseten 6; da-
bei erwarben sie indeß eigenes Vermögen, und waren
oft reicher als ihre Herren 7. Im Kriege umgaben sie
diese schützend und vorkämpfend, wie Knappen ihre
Ritter, gemeiniglich aber, gegen die Sitte anderer
Hellenen, als Reuter 8. Alle diese Angaben und Nach-
richten über sie stimmen wohl überein, und bezeichnen
einen und denselben Zustand; obgleich es gewiß ist,
daß das Streben nach bürgerlicher Freiheit um die
Zeit des Peloponnesischen Krieges unter den Penesten
sehr zugenommen hatte, und bisweilen, wenn auch
nicht consequent, von Athen unterstützt wurde 9. Die

1 Herakl. Pont. 2. -- Bei Eust. Il. 2, 295., Phot. a. O.
u. Hesych heißen sie oi me gono douloi, sehr unklar ausgedrückt.
Ganz falsch ist die Erklärung eines Andern, eleutheroi mistho dou-
leuontes.
2 Eurip. Phrixos bei Athen. 264 c. Latris pe-
nestes (daher Hesych Penestai latreis) amos arkhaion domon.
3 Philokrates Thessalika, ei gnesia, bei Ath. 264 a. Staphylos
a. O. Phorios, wo für Thettalikas ThETTAAOIKETAS zu corr.
4 Theokr. 16, 35. (vgl. Meineke Comment. Miscell. 1. p. 53.).
Aber wenn Theokr. sagt: "sie erhielten monatliche Nahrung zuge-
messen", so verwechselt er sie deutlich mit gemeinen Sklaven. --
Menon führte den Athenen 200 eigene Penesten zu. Demosth. p.
suntax. p. 173.
5 Athen. 264 b. Hesych pen.
6 Ti-
mäos s. v. penestikon. Eust. Il. 13, 954. Aa.
7 Archema-
chos a. O. Eust. a. O. -- obgleich der Name offenbar von penes
kommt.
8 Demosth. g. Aristokr. p. 687, 1.
9 Arist.
Wespen 1263.
5 *

gleich man ſie deswegen nicht Kriegsſklaven nennen
ſoll 1. Sie waren ferner nicht der Gemeinde im Gan-
zen unterthaͤnig, ſondern gehoͤrten einzelnen Haͤuſern und
Familien an 2, daher ſie auch Θεσσαλοικέται
heißen 3. Beſonders in den großen Haͤuſern der Aleua-
den und Skopaden waren ſie ſehr zahlreich 4. Ihr
Hauptgeſchaͤft war der Ackerbau 5, von deſſen Ertrage
ſie den eigentlichen Beſitzern der Guͤter zinſeten 6; da-
bei erwarben ſie indeß eigenes Vermoͤgen, und waren
oft reicher als ihre Herren 7. Im Kriege umgaben ſie
dieſe ſchuͤtzend und vorkaͤmpfend, wie Knappen ihre
Ritter, gemeiniglich aber, gegen die Sitte anderer
Hellenen, als Reuter 8. Alle dieſe Angaben und Nach-
richten uͤber ſie ſtimmen wohl uͤberein, und bezeichnen
einen und denſelben Zuſtand; obgleich es gewiß iſt,
daß das Streben nach buͤrgerlicher Freiheit um die
Zeit des Peloponneſiſchen Krieges unter den Peneſten
ſehr zugenommen hatte, und bisweilen, wenn auch
nicht conſequent, von Athen unterſtuͤtzt wurde 9. Die

1 Herakl. Pont. 2. — Bei Euſt. Il. 2, 295., Phot. a. O.
u. Heſych heißen ſie οἱ μὴ γόνῳ δοῦλοι, ſehr unklar ausgedruͤckt.
Ganz falſch iſt die Erklaͤrung eines Andern, ἐλεύθεϱοι μισϑῷ δου-
λεύοντες.
2 Eurip. Phrixos bei Athen. 264 c. Λάτϱις πε-
νέστης (daher Heſych Πενὲσται λάτϱεις) ἀμὸς ἀϱχαίων δόμων.
3 Philokrates Theſſalika, εἰ γνήσια, bei Ath. 264 a. Staphylos
a. O. Phorios, wo fuͤr Θετταλικὰς ΘΕΤΤΑΑΟΙΚΕΤΑΣ zu corr.
4 Theokr. 16, 35. (vgl. Meineke Comment. Miscell. 1. p. 53.).
Aber wenn Theokr. ſagt: “ſie erhielten monatliche Nahrung zuge-
meſſen”, ſo verwechſelt er ſie deutlich mit gemeinen Sklaven. —
Menon fuͤhrte den Athenen 200 eigene Peneſten zu. Demoſth. π.
συνταξ. p. 173.
5 Athen. 264 b. Heſych πεν.
6 Ti-
maͤos s. v. πενεστικὸν. Euſt. Il. 13, 954. Aa.
7 Archema-
chos a. O. Euſt. a. O. — obgleich der Name offenbar von πένης
kommt.
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5 *
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[67/0073] gleich man ſie deswegen nicht Kriegsſklaven nennen ſoll 1. Sie waren ferner nicht der Gemeinde im Gan- zen unterthaͤnig, ſondern gehoͤrten einzelnen Haͤuſern und Familien an 2, daher ſie auch Θεσσαλοικέται heißen 3. Beſonders in den großen Haͤuſern der Aleua- den und Skopaden waren ſie ſehr zahlreich 4. Ihr Hauptgeſchaͤft war der Ackerbau 5, von deſſen Ertrage ſie den eigentlichen Beſitzern der Guͤter zinſeten 6; da- bei erwarben ſie indeß eigenes Vermoͤgen, und waren oft reicher als ihre Herren 7. Im Kriege umgaben ſie dieſe ſchuͤtzend und vorkaͤmpfend, wie Knappen ihre Ritter, gemeiniglich aber, gegen die Sitte anderer Hellenen, als Reuter 8. Alle dieſe Angaben und Nach- richten uͤber ſie ſtimmen wohl uͤberein, und bezeichnen einen und denſelben Zuſtand; obgleich es gewiß iſt, daß das Streben nach buͤrgerlicher Freiheit um die Zeit des Peloponneſiſchen Krieges unter den Peneſten ſehr zugenommen hatte, und bisweilen, wenn auch nicht conſequent, von Athen unterſtuͤtzt wurde 9. Die 1 Herakl. Pont. 2. — Bei Euſt. Il. 2, 295., Phot. a. O. u. Heſych heißen ſie οἱ μὴ γόνῳ δοῦλοι, ſehr unklar ausgedruͤckt. Ganz falſch iſt die Erklaͤrung eines Andern, ἐλεύθεϱοι μισϑῷ δου- λεύοντες. 2 Eurip. Phrixos bei Athen. 264 c. Λάτϱις πε- νέστης (daher Heſych Πενὲσται λάτϱεις) ἀμὸς ἀϱχαίων δόμων. 3 Philokrates Theſſalika, εἰ γνήσια, bei Ath. 264 a. Staphylos a. O. Phorios, wo fuͤr Θετταλικὰς ΘΕΤΤΑΑΟΙΚΕΤΑΣ zu corr. 4 Theokr. 16, 35. (vgl. Meineke Comment. Miscell. 1. p. 53.). Aber wenn Theokr. ſagt: “ſie erhielten monatliche Nahrung zuge- meſſen”, ſo verwechſelt er ſie deutlich mit gemeinen Sklaven. — Menon fuͤhrte den Athenen 200 eigene Peneſten zu. Demoſth. π. συνταξ. p. 173. 5 Athen. 264 b. Heſych πεν. 6 Ti- maͤos s. v. πενεστικὸν. Euſt. Il. 13, 954. Aa. 7 Archema- chos a. O. Euſt. a. O. — obgleich der Name offenbar von πένης kommt. 8 Demoſth. g. Ariſtokr. p. 687, 1. 9 Ariſt. Weſpen 1263. 5 *

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/73>, abgerufen am 29.04.2024.