Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Baue dem Zeus Hellanios und der Athena
Hellania ein Heiligthum 1, theile die Phy-
len und mache dreißig Oben, richte die Ge-
rusie mit ihren Fürsten
(arkhagetais) ein, be-
rufe die Versammlung 2 zwischen Babyka
und Knakion, und bringe hier vor und rathe
ab; dem Volke
(damo) aber soll Entscheidung
sein und Macht" 3
. Dem Volke wird also hier unbe-
dingte Vollmacht zugeschrieben, zu billigen oder zu
verwerfen, was die Könige vorgetragen. Aber genauer
bestimmt und beschränkt wurde diese Vollmacht durch
die Clausel, deren Hinzufügung man den Königen
Theopomp und Polydoros beimaß: "Wenn aber das
Volk eine krumme Meinung ergreifen sollte

(skolian airoito), sollen die Väter der Stadt
(presbugenees) 4 und die Fürsten Abwender
sein
. Plutarch erklärt diese Worte so, daß, im Fall
das Volk den Vorschlag weder geradezu billigt noch
verwirft, sondern daran abändert und verdreht, die
Könige und Geronten dessen Versammlung auflösen und
ihren Beschluß für ungültig erklären sollten. Sonach
hat dieselbe freilich in sofern die höchste Gewalt, als
nichts ohne ihre Einwilligung zum Gesetze werden kann,
nicht aber so weit, daß aus ihrer Mitte Gesetze und
Beschlüsse hervorgehen können; welches dem aristokrati-
schen Geiste der Verfassung durchaus zuwider gewesen

1 Dios Ellaniou kai Athenas Ellanias ist wohl mit
Bryan zu lesen.
2 oras ex oras apellazein i. e. in con-
cionem vocare,
(vgl. Hesych, Valcken. ad Adon. p. 209. Lennep
Etym. 1. p. 152. Plutarch leitet das Wort offenbar von Apel-
lon, Apoll, her). Die ersten Worte sind fast unerklärlich, und
Mazochis Aenderung Tab. Heracl. T. 1. p. 149. obas (od. oban)
giebt nicht viel Trost.
3 damo de kurian emen (ein Cod.
gurianemen) kai kratos liest man wohl am besten. Valckenaer
p. 291. damo d' anogan emen.
4 Vgl. Plut. an seni 10.

Baue dem Zeus Hellanios und der Athena
Hellania ein Heiligthum 1, theile die Phy-
len und mache dreißig Oben, richte die Ge-
ruſie mit ihren Fuͤrſten
(ἀρχαγέταις) ein, be-
rufe die Verſammlung 2 zwiſchen Babyka
und Knakion, und bringe hier vor und rathe
ab; dem Volke
(δάμῳ) aber ſoll Entſcheidung
ſein und Macht” 3
. Dem Volke wird alſo hier unbe-
dingte Vollmacht zugeſchrieben, zu billigen oder zu
verwerfen, was die Koͤnige vorgetragen. Aber genauer
beſtimmt und beſchraͤnkt wurde dieſe Vollmacht durch
die Clauſel, deren Hinzufuͤgung man den Koͤnigen
Theopomp und Polydoros beimaß: “Wenn aber das
Volk eine krumme Meinung ergreifen ſollte

(σκολιὰν αἱροῖτο), ſollen die Vaͤter der Stadt
(πρεσβυγενέες) 4 und die Fuͤrſten Abwender
ſein
. Plutarch erklaͤrt dieſe Worte ſo, daß, im Fall
das Volk den Vorſchlag weder geradezu billigt noch
verwirft, ſondern daran abaͤndert und verdreht, die
Koͤnige und Geronten deſſen Verſammlung aufloͤſen und
ihren Beſchluß fuͤr unguͤltig erklaͤren ſollten. Sonach
hat dieſelbe freilich in ſofern die hoͤchſte Gewalt, als
nichts ohne ihre Einwilligung zum Geſetze werden kann,
nicht aber ſo weit, daß aus ihrer Mitte Geſetze und
Beſchluͤſſe hervorgehen koͤnnen; welches dem ariſtokrati-
ſchen Geiſte der Verfaſſung durchaus zuwider geweſen

1 Διὸς Ἑλλανίου καὶ Αϑηνᾶς Ἑλλανίας iſt wohl mit
Bryan zu leſen.
2 ὥϱας ἐξ ὥϱας ἀπελλάζειν i. e. in con-
cionem vocare,
(vgl. Heſych, Valcken. ad Adon. p. 209. Lennep
Etym. 1. p. 152. Plutarch leitet das Wort offenbar von Ἀπέλ-
λων, Apoll, her). Die erſten Worte ſind faſt unerklaͤrlich, und
Mazochis Aenderung Tab. Heracl. T. 1. p. 149. ὠβὰς (od. ὠβὰν)
giebt nicht viel Troſt.
3 δάμῳ δὲ κυϱἰαν ἦμεν (ein Cod.
γυϱιανἠμην) καὶ κϱάτος liest man wohl am beſten. Valckenaer
p. 291. δάμῳ δ᾿ ἀνωγὰν ἦμεν.
4 Vgl. Plut. an seni 10.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="85"/><hi rendition="#g">Baue dem Zeus Hellanios und der Athena<lb/>
Hellania ein Heiligthum <note place="foot" n="1">&#x0394;&#x03B9;&#x1F78;&#x03C2; &#x1F19;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B1;&#x03BD;&#x03AF;&#x03BF;&#x03C5; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x0391;&#x03D1;&#x03B7;&#x03BD;&#x1FB6;&#x03C2; &#x1F19;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B1;&#x03BD;&#x03AF;&#x03B1;&#x03C2; i&#x017F;t wohl mit<lb/>
Bryan zu le&#x017F;en.</note>, theile die Phy-<lb/>
len und mache dreißig Oben, richte die Ge-<lb/>
ru&#x017F;ie mit ihren Fu&#x0364;r&#x017F;ten</hi> (&#x1F00;&#x03C1;&#x03C7;&#x03B1;&#x03B3;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C2;) <hi rendition="#g">ein, be-<lb/>
rufe die Ver&#x017F;ammlung <note place="foot" n="2">&#x1F65;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BE; &#x1F65;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F00;&#x03C0;&#x03B5;&#x03BB;&#x03BB;&#x03AC;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; <hi rendition="#aq">i. e. in con-<lb/>
cionem vocare,</hi> (vgl. He&#x017F;ych, Valcken. <hi rendition="#aq">ad Adon. p.</hi> 209. Lennep<lb/><hi rendition="#aq">Etym. 1. p.</hi> 152. Plutarch leitet das Wort offenbar von &#x1F08;&#x03C0;&#x03AD;&#x03BB;-<lb/>
&#x03BB;&#x03C9;&#x03BD;, Apoll, her). Die er&#x017F;ten Worte &#x017F;ind fa&#x017F;t unerkla&#x0364;rlich, und<lb/>
Mazochis Aenderung <hi rendition="#aq">Tab. Heracl. T. 1. p.</hi> 149. &#x1F60;&#x03B2;&#x1F70;&#x03C2; (od. &#x1F60;&#x03B2;&#x1F70;&#x03BD;)<lb/>
giebt nicht viel Tro&#x017F;t.</note> zwi&#x017F;chen Babyka<lb/>
und Knakion, und bringe hier vor und rathe<lb/>
ab; dem Volke</hi> (&#x03B4;&#x03AC;&#x03BC;&#x1FF3;) <hi rendition="#g">aber &#x017F;oll Ent&#x017F;cheidung<lb/>
&#x017F;ein und Macht&#x201D; <note place="foot" n="3">&#x03B4;&#x03AC;&#x03BC;&#x1FF3; &#x03B4;&#x1F72; <hi rendition="#g">&#x03BA;&#x03C5;&#x03F1;&#x1F30;&#x03B1;&#x03BD; &#x1F26;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;</hi> (ein Cod.<lb/>
&#x03B3;&#x03C5;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B1;&#x03BD;&#x1F20;&#x03BC;&#x03B7;&#x03BD;) &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03BA;&#x03F1;&#x03AC;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; liest man wohl am be&#x017F;ten. Valckenaer<lb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 291. &#x03B4;&#x03AC;&#x03BC;&#x1FF3; &#x03B4;&#x1FBF; &#x1F00;&#x03BD;&#x03C9;&#x03B3;&#x1F70;&#x03BD; &#x1F26;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;.</note></hi>. Dem Volke wird al&#x017F;o hier unbe-<lb/>
dingte Vollmacht zuge&#x017F;chrieben, zu billigen oder zu<lb/>
verwerfen, was die Ko&#x0364;nige vorgetragen. Aber genauer<lb/>
be&#x017F;timmt und be&#x017F;chra&#x0364;nkt wurde die&#x017F;e Vollmacht durch<lb/>
die Clau&#x017F;el, deren Hinzufu&#x0364;gung man den Ko&#x0364;nigen<lb/>
Theopomp und Polydoros beimaß: &#x201C;<hi rendition="#g">Wenn aber das<lb/>
Volk eine krumme Meinung ergreifen &#x017F;ollte</hi><lb/>
(&#x03C3;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BB;&#x03B9;&#x1F70;&#x03BD; &#x03B1;&#x1F31;&#x03C1;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C4;&#x03BF;), <hi rendition="#g">&#x017F;ollen die Va&#x0364;ter der Stadt</hi><lb/>
(&#x03C0;&#x03C1;&#x03B5;&#x03C3;&#x03B2;&#x03C5;&#x03B3;&#x03B5;&#x03BD;&#x03AD;&#x03B5;&#x03C2;) <note place="foot" n="4">Vgl. Plut. <hi rendition="#aq">an seni</hi> 10.</note> <hi rendition="#g">und die Fu&#x0364;r&#x017F;ten Abwender<lb/>
&#x017F;ein</hi>. Plutarch erkla&#x0364;rt die&#x017F;e Worte &#x017F;o, daß, im Fall<lb/>
das Volk den Vor&#x017F;chlag weder geradezu billigt noch<lb/>
verwirft, &#x017F;ondern daran aba&#x0364;ndert und verdreht, die<lb/>
Ko&#x0364;nige und Geronten de&#x017F;&#x017F;en Ver&#x017F;ammlung auflo&#x0364;&#x017F;en und<lb/>
ihren Be&#x017F;chluß fu&#x0364;r ungu&#x0364;ltig erkla&#x0364;ren &#x017F;ollten. Sonach<lb/>
hat die&#x017F;elbe freilich in &#x017F;ofern die ho&#x0364;ch&#x017F;te Gewalt, als<lb/>
nichts ohne ihre Einwilligung zum Ge&#x017F;etze werden kann,<lb/>
nicht aber &#x017F;o weit, daß aus ihrer Mitte Ge&#x017F;etze und<lb/>
Be&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e hervorgehen ko&#x0364;nnen; welches dem ari&#x017F;tokrati-<lb/>
&#x017F;chen Gei&#x017F;te der Verfa&#x017F;&#x017F;ung durchaus zuwider gewe&#x017F;en<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] Baue dem Zeus Hellanios und der Athena Hellania ein Heiligthum 1, theile die Phy- len und mache dreißig Oben, richte die Ge- ruſie mit ihren Fuͤrſten (ἀρχαγέταις) ein, be- rufe die Verſammlung 2 zwiſchen Babyka und Knakion, und bringe hier vor und rathe ab; dem Volke (δάμῳ) aber ſoll Entſcheidung ſein und Macht” 3. Dem Volke wird alſo hier unbe- dingte Vollmacht zugeſchrieben, zu billigen oder zu verwerfen, was die Koͤnige vorgetragen. Aber genauer beſtimmt und beſchraͤnkt wurde dieſe Vollmacht durch die Clauſel, deren Hinzufuͤgung man den Koͤnigen Theopomp und Polydoros beimaß: “Wenn aber das Volk eine krumme Meinung ergreifen ſollte (σκολιὰν αἱροῖτο), ſollen die Vaͤter der Stadt (πρεσβυγενέες) 4 und die Fuͤrſten Abwender ſein. Plutarch erklaͤrt dieſe Worte ſo, daß, im Fall das Volk den Vorſchlag weder geradezu billigt noch verwirft, ſondern daran abaͤndert und verdreht, die Koͤnige und Geronten deſſen Verſammlung aufloͤſen und ihren Beſchluß fuͤr unguͤltig erklaͤren ſollten. Sonach hat dieſelbe freilich in ſofern die hoͤchſte Gewalt, als nichts ohne ihre Einwilligung zum Geſetze werden kann, nicht aber ſo weit, daß aus ihrer Mitte Geſetze und Beſchluͤſſe hervorgehen koͤnnen; welches dem ariſtokrati- ſchen Geiſte der Verfaſſung durchaus zuwider geweſen 1 Διὸς Ἑλλανίου καὶ Αϑηνᾶς Ἑλλανίας iſt wohl mit Bryan zu leſen. 2 ὥϱας ἐξ ὥϱας ἀπελλάζειν i. e. in con- cionem vocare, (vgl. Heſych, Valcken. ad Adon. p. 209. Lennep Etym. 1. p. 152. Plutarch leitet das Wort offenbar von Ἀπέλ- λων, Apoll, her). Die erſten Worte ſind faſt unerklaͤrlich, und Mazochis Aenderung Tab. Heracl. T. 1. p. 149. ὠβὰς (od. ὠβὰν) giebt nicht viel Troſt. 3 δάμῳ δὲ κυϱἰαν ἦμεν (ein Cod. γυϱιανἠμην) καὶ κϱάτος liest man wohl am beſten. Valckenaer p. 291. δάμῳ δ᾿ ἀνωγὰν ἦμεν. 4 Vgl. Plut. an seni 10.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/91
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/91>, abgerufen am 29.04.2024.