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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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II. Bildende Kunst. Gegenstände.
sehn Ant. Erc. vi, 9. Einen trotzigen Charakter auch der Kopf
einer Mediceischen Statue Winck. W. iv. S. 324. Tf. 8 a. Ei-
nen milderen dagegen (placidum caput in der sinnvollen Stelle
Virgils) manche Köpfe auf M., z. B. auf der der Bruttier, Nöh-
den 1. P. hat hier ein Diadem, wie öfter, Tassie Catal. p. 180.

355. Doch sind grade bei Poseidon die Modificatio-1
nen des Grundcharakters auch schon in Werken der alt-
griechischen Kunst so bedeutend, daß man das Allgemeine
nicht immer leicht festhalten kann. Sie hängen eng mit
den verschiednen Stellungen des Poseidonbildes zusammen.
Hauptformen sind, wenn wir die allgemeinen und ge-
wöhnlichen Stellungen, die grade stehende und thronende,
bei Seite lassen: 1) Der nackte, heftig schreitende,2
den Dreizack schwingende Poseidon; der Erderschütterer,
ennosigaios, seisikhthon. 2) Der bekleidete, und3
schnell aber sanft über die Meeresfläche hinschreitende; ein
friedlicher Beherrscher des Wellenreichs. 3) Der, nakt,4
das rechte Bein auf einen Fels, eine Prora, oder einen
Delphin setzende, sich darauf lehnende und darüber hin-
ausschauende; ein Sieger im Kampf und Beherrscher des
Unterworfenen. 4) Der, halbbekleidet, mit geringerer5
Erhebung des Fußes, ein wenig zurückgelehnt in ruhi-
ger Würde stehende; wohl ein Befestiger und Beruhiger,
asphalios.

1. Ein P. orthos war der von Kenchreä (§. 252, 3.), wel-
cher den Delphin in der R., Dreizack in der L. hielt. Statue
PCl. i, 33. G. M. 91. nicht völlig sicher restaurirt. P. sitzend,
auf M. der Böoter, mit Delphin auf der R., Triäna in der
L., bekränzt. Mionn. pl. 72, 7. Meyer Tf. 30 D. Auch
auf M. des Demetrios, mit Aplustre, Mionn. pl. 70, 9.

2. Rexei goun o P. te triaine ta ore, Philostr. ii, 14.
"Die rechte Seite war dabei zugleich eingezogen und vorgeschoben;
nicht blos die Hand, auch der ganze Körper drohte den Stoß."
Die Sprengung der Berge war, nach dem Geiste der alten Kunst, auf
diesem Gemählde anticipirt. Vgl. Claudian R. P. ii, 179.
Eben so erscheint Poseidon, alterthümlich, chlamyde clupeans
brachium
(§. 337, 6.) auf den numis incusis von Poseidonia:
Paoli R. di Pesto t. 58 -- 62. G. M. 62, 293.

II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ſehn Ant. Erc. vi, 9. Einen trotzigen Charakter auch der Kopf
einer Mediceiſchen Statue Winck. W. iv. S. 324. Tf. 8 a. Ei-
nen milderen dagegen (placidum caput in der ſinnvollen Stelle
Virgils) manche Köpfe auf M., z. B. auf der der Bruttier, Nöh-
den 1. P. hat hier ein Diadem, wie öfter, Taſſie Catal. p. 180.

355. Doch ſind grade bei Poſeidon die Modificatio-1
nen des Grundcharakters auch ſchon in Werken der alt-
griechiſchen Kunſt ſo bedeutend, daß man das Allgemeine
nicht immer leicht feſthalten kann. Sie haͤngen eng mit
den verſchiednen Stellungen des Poſeidonbildes zuſammen.
Hauptformen ſind, wenn wir die allgemeinen und ge-
woͤhnlichen Stellungen, die grade ſtehende und thronende,
bei Seite laſſen: 1) Der nackte, heftig ſchreitende,2
den Dreizack ſchwingende Poſeidon; der Erderſchuͤtterer,
ἐννοσίγαιος, σεισίχϑων. 2) Der bekleidete, und3
ſchnell aber ſanft uͤber die Meeresflaͤche hinſchreitende; ein
friedlicher Beherrſcher des Wellenreichs. 3) Der, nakt,4
das rechte Bein auf einen Fels, eine Prora, oder einen
Delphin ſetzende, ſich darauf lehnende und daruͤber hin-
ausſchauende; ein Sieger im Kampf und Beherrſcher des
Unterworfenen. 4) Der, halbbekleidet, mit geringerer5
Erhebung des Fußes, ein wenig zuruͤckgelehnt in ruhi-
ger Wuͤrde ſtehende; wohl ein Befeſtiger und Beruhiger,
ἀσφάλιος.

1. Ein P. ὀρϑὸς war der von Kenchreä (§. 252, 3.), wel-
cher den Delphin in der R., Dreizack in der L. hielt. Statue
PCl. i, 33. G. M. 91. nicht völlig ſicher reſtaurirt. P. ſitzend,
auf M. der Böoter, mit Delphin auf der R., Triäna in der
L., bekränzt. Mionn. pl. 72, 7. Meyer Tf. 30 D. Auch
auf M. des Demetrios, mit Apluſtre, Mionn. pl. 70, 9.

2. Ῥήξει γοῦν ὁ Π. τῇ τριαίνῃ τὰ ὄρη, Philoſtr. ii, 14.
„Die rechte Seite war dabei zugleich eingezogen und vorgeſchoben;
nicht blos die Hand, auch der ganze Körper drohte den Stoß.„
Die Sprengung der Berge war, nach dem Geiſte der alten Kunſt, auf
dieſem Gemählde anticipirt. Vgl. Claudian R. P. ii, 179.
Eben ſo erſcheint Poſeidon, alterthümlich, chlamyde clupeans
brachium
(§. 337, 6.) auf den numis incusis von Poſeidonia:
Paoli R. di Pesto t. 58 — 62. G. M. 62, 293.

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[453/0475] II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde. ſehn Ant. Erc. vi, 9. Einen trotzigen Charakter auch der Kopf einer Mediceiſchen Statue Winck. W. iv. S. 324. Tf. 8 a. Ei- nen milderen dagegen (placidum caput in der ſinnvollen Stelle Virgils) manche Köpfe auf M., z. B. auf der der Bruttier, Nöh- den 1. P. hat hier ein Diadem, wie öfter, Taſſie Catal. p. 180. 355. Doch ſind grade bei Poſeidon die Modificatio- nen des Grundcharakters auch ſchon in Werken der alt- griechiſchen Kunſt ſo bedeutend, daß man das Allgemeine nicht immer leicht feſthalten kann. Sie haͤngen eng mit den verſchiednen Stellungen des Poſeidonbildes zuſammen. Hauptformen ſind, wenn wir die allgemeinen und ge- woͤhnlichen Stellungen, die grade ſtehende und thronende, bei Seite laſſen: 1) Der nackte, heftig ſchreitende, den Dreizack ſchwingende Poſeidon; der Erderſchuͤtterer, ἐννοσίγαιος, σεισίχϑων. 2) Der bekleidete, und ſchnell aber ſanft uͤber die Meeresflaͤche hinſchreitende; ein friedlicher Beherrſcher des Wellenreichs. 3) Der, nakt, das rechte Bein auf einen Fels, eine Prora, oder einen Delphin ſetzende, ſich darauf lehnende und daruͤber hin- ausſchauende; ein Sieger im Kampf und Beherrſcher des Unterworfenen. 4) Der, halbbekleidet, mit geringerer Erhebung des Fußes, ein wenig zuruͤckgelehnt in ruhi- ger Wuͤrde ſtehende; wohl ein Befeſtiger und Beruhiger, ἀσφάλιος. 1 2 3 4 5 1. Ein P. ὀρϑὸς war der von Kenchreä (§. 252, 3.), wel- cher den Delphin in der R., Dreizack in der L. hielt. Statue PCl. i, 33. G. M. 91. nicht völlig ſicher reſtaurirt. P. ſitzend, auf M. der Böoter, mit Delphin auf der R., Triäna in der L., bekränzt. Mionn. pl. 72, 7. Meyer Tf. 30 D. Auch auf M. des Demetrios, mit Apluſtre, Mionn. pl. 70, 9. 2. Ῥήξει γοῦν ὁ Π. τῇ τριαίνῃ τὰ ὄρη, Philoſtr. ii, 14. „Die rechte Seite war dabei zugleich eingezogen und vorgeſchoben; nicht blos die Hand, auch der ganze Körper drohte den Stoß.„ Die Sprengung der Berge war, nach dem Geiſte der alten Kunſt, auf dieſem Gemählde anticipirt. Vgl. Claudian R. P. ii, 179. Eben ſo erſcheint Poſeidon, alterthümlich, chlamyde clupeans brachium (§. 337, 6.) auf den numis incusis von Poſeidonia: Paoli R. di Pesto t. 58 — 62. G. M. 62, 293.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/475>, abgerufen am 27.04.2024.