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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Historischer Theil.
bei Homer nie mythische Gegenstände, sondern aus dem bürgerli-
chen und Landleben genommene enthalten (was die übersahn, die
die beiden Städte für Eleusis u. Athen erklärten), ausgenommen
etwa die über das Volk vorragenden ganz goldnen Figuren des
Ares u. der Athena. Eris, Kydoimos haben sich in Menschen
verwandelt. Der Schild des Herakles, wenn auch zum Theil
roher gedacht und phantastischer ausgeschmückt, steht doch in vielen
Stücken den wirklichen Kunstwerken, namentlich den ältesten Vasen-
gemälden, so wie dem Kasten des Kypselos, näher (das Drachen-
bild in der Mitte, die Eber u. Löwen, die Ker [Scut. 237. Paus.
v, 19, 1.] die Kentaurenschlacht, Perseus u. die Gorgonen).


166. Was nun aber das Götterbild betrifft: so macht
dies von Anfang an durchaus nicht den Anspruch ein Bild
(eikon) des Gottes zu sein, sondern ist nur ein symbo-
lisches Zeichen (§. 32.) seiner Gegenwart, wozu die Fröm-
migkeit alter Zeiten um so weniger Aeußeres bedarf, je
mehr sie innerlich von dem Glauben an diese Gegenwart
erfüllt ist. Daher Nichts gewöhnlicher als rohe Steine,
Steinpfeiler, Holzpfähle u. dgl. als Cultusbilder aufgestellt
2zu finden. Zum Gegenstande der Verehrung wird alles dies
weniger durch die Form als durch die Consecration (idru-
3sis). Wird das Zeichen zur Ehre des Gottes kostbarer
und zierlicher ausgebildet, so heißt es ein agalma,
wie auch Kessel, Dreifüße und andere Zierden der Tempel.

1. Argoi lithoi besonders bei großen Naturgöttern, Eros
von Thespiä, Chariten in Orchomenos. Paus. ix, 27, 1. 35, 1.
vgl. vii, 22, 3.

'Ermaia Steinhaufen durch welche man zugleich die Wege
reinigt. Die alterthümliche Frömmigkeit erfüllt zwei Zwecke zu-
zugleich. Eustath. zur Od. xvi, 471. Suidas 'Ermaion. Otto
de diis vialibus c. 7. p. 112. sq.
Die liparoi lithoi an
den Dreiwegen, Theophrast Charakt. 16. vgl. Casaub. Der Zeus
kappotas in Lakonien, Paus. iii, 22. Jupiter lapis als Rö-
mischer Schwurgott.

Die dreißig Pfeiler zu Pharä als Bildsäulen eben so
vieler Götter Paus. vii, 22, 3. Von solchen Steinpfeilern spricht
ausführlich Zoega de Obeliscis p. 225 ff.

Hiſtoriſcher Theil.
bei Homer nie mythiſche Gegenſtände, ſondern aus dem bürgerli-
chen und Landleben genommene enthalten (was die überſahn, die
die beiden Städte für Eleuſis u. Athen erklärten), ausgenommen
etwa die über das Volk vorragenden ganz goldnen Figuren des
Ares u. der Athena. Eris, Kydoimos haben ſich in Menſchen
verwandelt. Der Schild des Herakles, wenn auch zum Theil
roher gedacht und phantaſtiſcher ausgeſchmückt, ſteht doch in vielen
Stücken den wirklichen Kunſtwerken, namentlich den älteſten Vaſen-
gemälden, ſo wie dem Kaſten des Kypſelos, näher (das Drachen-
bild in der Mitte, die Eber u. Löwen, die Ker [Scut. 237. Pauſ.
v, 19, 1.] die Kentaurenſchlacht, Perſeus u. die Gorgonen).


166. Was nun aber das Goͤtterbild betrifft: ſo macht
dies von Anfang an durchaus nicht den Anſpruch ein Bild
(εἰκὼν) des Gottes zu ſein, ſondern iſt nur ein ſymbo-
liſches Zeichen (§. 32.) ſeiner Gegenwart, wozu die Froͤm-
migkeit alter Zeiten um ſo weniger Aeußeres bedarf, je
mehr ſie innerlich von dem Glauben an dieſe Gegenwart
erfuͤllt iſt. Daher Nichts gewoͤhnlicher als rohe Steine,
Steinpfeiler, Holzpfaͤhle u. dgl. als Cultusbilder aufgeſtellt
2zu finden. Zum Gegenſtande der Verehrung wird alles dies
weniger durch die Form als durch die Conſecration (ἵδρυ-
3σις). Wird das Zeichen zur Ehre des Gottes koſtbarer
und zierlicher ausgebildet, ſo heißt es ein ἄγαλμα,
wie auch Keſſel, Dreifuͤße und andere Zierden der Tempel.

1. Ἀργοὶ λίϑοι beſonders bei großen Naturgöttern, Eros
von Theſpiä, Chariten in Orchomenos. Pauſ. ix, 27, 1. 35, 1.
vgl. vii, 22, 3.

‘Ερμαῖα Steinhaufen durch welche man zugleich die Wege
reinigt. Die alterthümliche Frömmigkeit erfüllt zwei Zwecke zu-
zugleich. Euſtath. zur Od. xvi, 471. Suidas ‘Ερμαῖον. Otto
de diis vialibus c. 7. p. 112. sq.
Die λιπαροὶ λίϑοι an
den Dreiwegen, Theophraſt Charakt. 16. vgl. Caſaub. Der Ζεὺς
καππώτας in Lakonien, Pauſ. iii, 22. Jupiter lapis als Rö-
miſcher Schwurgott.

Die dreißig Pfeiler zu Pharä als Bildſäulen eben ſo
vieler Götter Pauſ. vii, 22, 3. Von ſolchen Steinpfeilern ſpricht
ausführlich Zoëga de Obeliscis p. 225 ff.

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[42/0064] Hiſtoriſcher Theil. bei Homer nie mythiſche Gegenſtände, ſondern aus dem bürgerli- chen und Landleben genommene enthalten (was die überſahn, die die beiden Städte für Eleuſis u. Athen erklärten), ausgenommen etwa die über das Volk vorragenden ganz goldnen Figuren des Ares u. der Athena. Eris, Kydoimos haben ſich in Menſchen verwandelt. Der Schild des Herakles, wenn auch zum Theil roher gedacht und phantaſtiſcher ausgeſchmückt, ſteht doch in vielen Stücken den wirklichen Kunſtwerken, namentlich den älteſten Vaſen- gemälden, ſo wie dem Kaſten des Kypſelos, näher (das Drachen- bild in der Mitte, die Eber u. Löwen, die Ker [Scut. 237. Pauſ. v, 19, 1.] die Kentaurenſchlacht, Perſeus u. die Gorgonen). 66. Was nun aber das Goͤtterbild betrifft: ſo macht dies von Anfang an durchaus nicht den Anſpruch ein Bild (εἰκὼν) des Gottes zu ſein, ſondern iſt nur ein ſymbo- liſches Zeichen (§. 32.) ſeiner Gegenwart, wozu die Froͤm- migkeit alter Zeiten um ſo weniger Aeußeres bedarf, je mehr ſie innerlich von dem Glauben an dieſe Gegenwart erfuͤllt iſt. Daher Nichts gewoͤhnlicher als rohe Steine, Steinpfeiler, Holzpfaͤhle u. dgl. als Cultusbilder aufgeſtellt zu finden. Zum Gegenſtande der Verehrung wird alles dies weniger durch die Form als durch die Conſecration (ἵδρυ- σις). Wird das Zeichen zur Ehre des Gottes koſtbarer und zierlicher ausgebildet, ſo heißt es ein ἄγαλμα, wie auch Keſſel, Dreifuͤße und andere Zierden der Tempel. 1 2 3 1. Ἀργοὶ λίϑοι beſonders bei großen Naturgöttern, Eros von Theſpiä, Chariten in Orchomenos. Pauſ. ix, 27, 1. 35, 1. vgl. vii, 22, 3. ‘Ερμαῖα Steinhaufen durch welche man zugleich die Wege reinigt. Die alterthümliche Frömmigkeit erfüllt zwei Zwecke zu- zugleich. Euſtath. zur Od. xvi, 471. Suidas ‘Ερμαῖον. Otto de diis vialibus c. 7. p. 112. sq. Die λιπαροὶ λίϑοι an den Dreiwegen, Theophraſt Charakt. 16. vgl. Caſaub. Der Ζεὺς καππώτας in Lakonien, Pauſ. iii, 22. Jupiter lapis als Rö- miſcher Schwurgott. Die dreißig Pfeiler zu Pharä als Bildſäulen eben ſo vieler Götter Pauſ. vii, 22, 3. Von ſolchen Steinpfeilern ſpricht ausführlich Zoëga de Obeliscis p. 225 ff.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/64>, abgerufen am 29.04.2024.