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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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Volck hat um Samaroff Narim und der Orthen
sich ausgebreitet gehabt/ und nahmen diese
Leuthe/ als sie aus Perma kahmen/ unter sie zu
wohnen auf; Man siehet auch noch heutiges Ta-
ges die Rudera von ihren Schantzen bey Sama-
roff,
und in denen Gegenden/ wo sie vorhin ge-
wohnet. Die Ostiacken haben ihre alte Gö-
tzen/ die diese Völcker aus China ihnen ver-
schafft/ von ihnen geerbet/ nunmehro aber ist
dis gantze Volck so ausgegangen/ daß
kaum die Spuhr mehr davon. Die Ursache/
daß sie denen Verstorbenen die Pantzer und
Haußgerath mit in die Grufft werffen/ ist die
eitle Einbildung/ die sie glauben macht/ daß sie
in der andern Welt bey denen Göttern allerley
Haußgerath und Kriegs-Zurüstungen nöthig
hätten. Sonderlich gebrauchten sie die Töpf-
fe und Schüssel dazu/ daß sie ihnen in der an-
dern Welt ihre Speise darin kochen könten/
wenn sie bey ihren Göttern zur Mahlzeit nicht
invitiret wären/ und sey solcher Haußgerath
daselbst nicht gar wol zu bekommen, man müste
ihn denn theuer anschaffen.

§. 22. Sonsten wissen sie von dem Zustan-
de des Menschen nach dem Tode nichts/ ausser
daß es aus den vorigen Umständen schiene/ daß
die Vernunfft die Unsterblichkeit der Seelen ih-
nen gleichwohl kund mache. Gleichwie sie aber
in allen ihren Würckungen im Geistlichen blind
und verfinstert, so stellt sie den Menschen die
Beschaffenheit des andern Lebens in denen blos-

sen

Volck hat um Samaroff Narim und der Orthen
ſich ausgebreitet gehabt/ und nahmen dieſe
Leuthe/ als ſie aus Perma kahmen/ unter ſie zu
wohnen auf; Man ſiehet auch noch heutiges Ta-
ges die Rudera von ihren Schantzen bey Sama-
roff,
und in denen Gegenden/ wo ſie vorhin ge-
wohnet. Die Oſtiacken haben ihre alte Goͤ-
tzen/ die dieſe Voͤlcker aus China ihnen ver-
ſchafft/ von ihnen geerbet/ nunmehro aber iſt
dis gantze Volck ſo ausgegangen/ daß
kaum die Spuhr mehr davon. Die Urſache/
daß ſie denen Verſtorbenen die Pantzer und
Haußgerath mit in die Grufft werffen/ iſt die
eitle Einbildung/ die ſie glauben macht/ daß ſie
in der andern Welt bey denen Goͤttern allerley
Haußgerath und Kriegs-Zuruͤſtungen noͤthig
haͤtten. Sonderlich gebrauchten ſie die Toͤpf-
fe und Schuͤſſel dazu/ daß ſie ihnen in der an-
dern Welt ihre Speiſe darin kochen koͤnten/
wenn ſie bey ihren Goͤttern zur Mahlzeit nicht
invitiret waͤren/ und ſey ſolcher Haußgerath
daſelbſt nicht gar wol zu bekommen, man muͤſte
ihn denn theuer anſchaffen.

§. 22. Sonſten wiſſen ſie von dem Zuſtan-
de des Menſchen nach dem Tode nichts/ auſſer
daß es aus den vorigen Umſtaͤnden ſchiene/ daß
die Vernunfft die Unſterblichkeit der Seelen ih-
nen gleichwohl kund mache. Gleichwie ſie aber
in allen ihren Wuͤrckungen im Geiſtlichen blind
und verfinſtert, ſo ſtellt ſie den Menſchen die
Beſchaffenheit des andern Lebens in denen bloſ-

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[42/0058] Volck hat um Samaroff Narim und der Orthen ſich ausgebreitet gehabt/ und nahmen dieſe Leuthe/ als ſie aus Perma kahmen/ unter ſie zu wohnen auf; Man ſiehet auch noch heutiges Ta- ges die Rudera von ihren Schantzen bey Sama- roff, und in denen Gegenden/ wo ſie vorhin ge- wohnet. Die Oſtiacken haben ihre alte Goͤ- tzen/ die dieſe Voͤlcker aus China ihnen ver- ſchafft/ von ihnen geerbet/ nunmehro aber iſt dis gantze Volck ſo ausgegangen/ daß kaum die Spuhr mehr davon. Die Urſache/ daß ſie denen Verſtorbenen die Pantzer und Haußgerath mit in die Grufft werffen/ iſt die eitle Einbildung/ die ſie glauben macht/ daß ſie in der andern Welt bey denen Goͤttern allerley Haußgerath und Kriegs-Zuruͤſtungen noͤthig haͤtten. Sonderlich gebrauchten ſie die Toͤpf- fe und Schuͤſſel dazu/ daß ſie ihnen in der an- dern Welt ihre Speiſe darin kochen koͤnten/ wenn ſie bey ihren Goͤttern zur Mahlzeit nicht invitiret waͤren/ und ſey ſolcher Haußgerath daſelbſt nicht gar wol zu bekommen, man muͤſte ihn denn theuer anſchaffen. §. 22. Sonſten wiſſen ſie von dem Zuſtan- de des Menſchen nach dem Tode nichts/ auſſer daß es aus den vorigen Umſtaͤnden ſchiene/ daß die Vernunfft die Unſterblichkeit der Seelen ih- nen gleichwohl kund mache. Gleichwie ſie aber in allen ihren Wuͤrckungen im Geiſtlichen blind und verfinſtert, ſo ſtellt ſie den Menſchen die Beſchaffenheit des andern Lebens in denen bloſ- ſen

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/58>, abgerufen am 26.04.2024.