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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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so verderblich würde die Vergangenheit auf ihn
zurückwirken und sich an ihm rächen, wenn er,
einem ökonomischen Begriffe zu gefallen, sein Auge
ausschließend auf die Zukunft und ihre Bedürf-
nisse zu richten wagte. -- Aber das Gesetz, oder
die Vergangenheit, und die Oekonomie, oder die
Zukunft, nehmen ihn beide wechselsweise unauf-
hörlich in Anspruch, so daß er sich keinem von
beiden ausschließend hingeben kann, und von
selbst schon auf eine dritte höhere Stelle getragen
wird, von wo aus er zwischen den beiden ewig
streitenden Partheien unaufhörlich vermitteln und
ideenweise agiren muß. Wollte er bloß in einem
kritischen Falle die Geschichte seines Landes nach-
sehen, und fragen: wie hat der und der bei
einer ähnlichen Gelegenheit gehandelt? und nun
dieses Handeln nachmachen: so würde er mit
einem solchen, von ganz anders gestalteten Zei-
ten und Personen entlehnten, Begriff unmöglich
eingreifen können in die Begebenheiten seiner Zeit.
Berathschlagte er hingegen mit der Geschichte,
bloß, um sich in den freien, muthigen und natio-
nellen Tact des Handelns zu versetzen, ohne ir-
gend etwas Bestimmtes als Copier-Muster für
sein Handeln aus dem Zusammenhange der Ge-
schichte herauszureißen; verlangte er von der
Geschichte weiter nichts, als daß sie ihn bestärke

Müllers Elemente. I. [7]

ſo verderblich wuͤrde die Vergangenheit auf ihn
zuruͤckwirken und ſich an ihm raͤchen, wenn er,
einem oͤkonomiſchen Begriffe zu gefallen, ſein Auge
ausſchließend auf die Zukunft und ihre Beduͤrf-
niſſe zu richten wagte. — Aber das Geſetz, oder
die Vergangenheit, und die Oekonomie, oder die
Zukunft, nehmen ihn beide wechſelsweiſe unauf-
hoͤrlich in Anſpruch, ſo daß er ſich keinem von
beiden ausſchließend hingeben kann, und von
ſelbſt ſchon auf eine dritte hoͤhere Stelle getragen
wird, von wo aus er zwiſchen den beiden ewig
ſtreitenden Partheien unaufhoͤrlich vermitteln und
ideenweiſe agiren muß. Wollte er bloß in einem
kritiſchen Falle die Geſchichte ſeines Landes nach-
ſehen, und fragen: wie hat der und der bei
einer aͤhnlichen Gelegenheit gehandelt? und nun
dieſes Handeln nachmachen: ſo wuͤrde er mit
einem ſolchen, von ganz anders geſtalteten Zei-
ten und Perſonen entlehnten, Begriff unmoͤglich
eingreifen koͤnnen in die Begebenheiten ſeiner Zeit.
Berathſchlagte er hingegen mit der Geſchichte,
bloß, um ſich in den freien, muthigen und natio-
nellen Tact des Handelns zu verſetzen, ohne ir-
gend etwas Beſtimmtes als Copier-Muſter fuͤr
ſein Handeln aus dem Zuſammenhange der Ge-
ſchichte herauszureißen; verlangte er von der
Geſchichte weiter nichts, als daß ſie ihn beſtaͤrke

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[97/0131] ſo verderblich wuͤrde die Vergangenheit auf ihn zuruͤckwirken und ſich an ihm raͤchen, wenn er, einem oͤkonomiſchen Begriffe zu gefallen, ſein Auge ausſchließend auf die Zukunft und ihre Beduͤrf- niſſe zu richten wagte. — Aber das Geſetz, oder die Vergangenheit, und die Oekonomie, oder die Zukunft, nehmen ihn beide wechſelsweiſe unauf- hoͤrlich in Anſpruch, ſo daß er ſich keinem von beiden ausſchließend hingeben kann, und von ſelbſt ſchon auf eine dritte hoͤhere Stelle getragen wird, von wo aus er zwiſchen den beiden ewig ſtreitenden Partheien unaufhoͤrlich vermitteln und ideenweiſe agiren muß. Wollte er bloß in einem kritiſchen Falle die Geſchichte ſeines Landes nach- ſehen, und fragen: wie hat der und der bei einer aͤhnlichen Gelegenheit gehandelt? und nun dieſes Handeln nachmachen: ſo wuͤrde er mit einem ſolchen, von ganz anders geſtalteten Zei- ten und Perſonen entlehnten, Begriff unmoͤglich eingreifen koͤnnen in die Begebenheiten ſeiner Zeit. Berathſchlagte er hingegen mit der Geſchichte, bloß, um ſich in den freien, muthigen und natio- nellen Tact des Handelns zu verſetzen, ohne ir- gend etwas Beſtimmtes als Copier-Muſter fuͤr ſein Handeln aus dem Zuſammenhange der Ge- ſchichte herauszureißen; verlangte er von der Geſchichte weiter nichts, als daß ſie ihn beſtaͤrke Müllers Elemente. I. [7]

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/131>, abgerufen am 30.04.2024.