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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Masse über die kleinere, der Begriff der militä-
rischen Gewalt über alle anderen Begriffe Herr
werden, und der ewigen Stadt die Unterdrük-
kung der Welt gelingen.

Aber die erste Idee, die sich wieder regte,
war auch nicht mehr Rom unterthan, trat aus
dem Umkreise der Universal-Herrschaft der Rö-
mer heraus, und gründete eine neue, viel schönere
Welt. Der Schein der Universal-Herrschaft
kommt mitunter in die Welt, um den Völkern
ihre Abgestorbenheit sichtbar zu machen, um
jeder einzelnen Nation ihr höchstes Gut, das sie
vor allem todten Besitze vergessen hat, nehmlich
die Idee ihrer Eigenthümlichkeit, wie einen Kranz
des Sieges, den sie erst erobern muß, vorzu-
halten. --

Diese Eigenthümlichkeit der Gesetze, der Ver-
fassung und der Sitten gering zu schätzen, war
auch der Charakter der Kosmopoliten in unsern
Tagen, die, weil die Figur der einzelnen Euro-
päischen Staaten gewissen geometrischen Begrif-
fen, die Gesetzessammlungen derselben gewissen
Systemen, und die ganze Haushaltung der Staa-
ten gewissen arithmetischen Exempeln und ge-
wissen Vorstellungen einer äußeren Symmetrie
nicht angemessen waren, nun nichts Höheres er-
schwingen konnten, als den armseligen Begriff:

Maſſe uͤber die kleinere, der Begriff der militaͤ-
riſchen Gewalt uͤber alle anderen Begriffe Herr
werden, und der ewigen Stadt die Unterdruͤk-
kung der Welt gelingen.

Aber die erſte Idee, die ſich wieder regte,
war auch nicht mehr Rom unterthan, trat aus
dem Umkreiſe der Univerſal-Herrſchaft der Roͤ-
mer heraus, und gruͤndete eine neue, viel ſchoͤnere
Welt. Der Schein der Univerſal-Herrſchaft
kommt mitunter in die Welt, um den Voͤlkern
ihre Abgeſtorbenheit ſichtbar zu machen, um
jeder einzelnen Nation ihr hoͤchſtes Gut, das ſie
vor allem todten Beſitze vergeſſen hat, nehmlich
die Idee ihrer Eigenthuͤmlichkeit, wie einen Kranz
des Sieges, den ſie erſt erobern muß, vorzu-
halten. —

Dieſe Eigenthuͤmlichkeit der Geſetze, der Ver-
faſſung und der Sitten gering zu ſchaͤtzen, war
auch der Charakter der Kosmopoliten in unſern
Tagen, die, weil die Figur der einzelnen Euro-
paͤiſchen Staaten gewiſſen geometriſchen Begrif-
fen, die Geſetzesſammlungen derſelben gewiſſen
Syſtemen, und die ganze Haushaltung der Staa-
ten gewiſſen arithmetiſchen Exempeln und ge-
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nicht angemeſſen waren, nun nichts Hoͤheres er-
ſchwingen konnten, als den armſeligen Begriff:

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[110/0144] Maſſe uͤber die kleinere, der Begriff der militaͤ- riſchen Gewalt uͤber alle anderen Begriffe Herr werden, und der ewigen Stadt die Unterdruͤk- kung der Welt gelingen. Aber die erſte Idee, die ſich wieder regte, war auch nicht mehr Rom unterthan, trat aus dem Umkreiſe der Univerſal-Herrſchaft der Roͤ- mer heraus, und gruͤndete eine neue, viel ſchoͤnere Welt. Der Schein der Univerſal-Herrſchaft kommt mitunter in die Welt, um den Voͤlkern ihre Abgeſtorbenheit ſichtbar zu machen, um jeder einzelnen Nation ihr hoͤchſtes Gut, das ſie vor allem todten Beſitze vergeſſen hat, nehmlich die Idee ihrer Eigenthuͤmlichkeit, wie einen Kranz des Sieges, den ſie erſt erobern muß, vorzu- halten. — Dieſe Eigenthuͤmlichkeit der Geſetze, der Ver- faſſung und der Sitten gering zu ſchaͤtzen, war auch der Charakter der Kosmopoliten in unſern Tagen, die, weil die Figur der einzelnen Euro- paͤiſchen Staaten gewiſſen geometriſchen Begrif- fen, die Geſetzesſammlungen derſelben gewiſſen Syſtemen, und die ganze Haushaltung der Staa- ten gewiſſen arithmetiſchen Exempeln und ge- wiſſen Vorſtellungen einer aͤußeren Symmetrie nicht angemeſſen waren, nun nichts Hoͤheres er- ſchwingen konnten, als den armſeligen Begriff:

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/144>, abgerufen am 30.04.2024.