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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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vermeintlicher natürlicher Grenzen abgesteckten
Schranken der Staaten in großen unübersteig-
lichen Mauern ausbauen, kurz, Fichte und --
die Kosmopoliten unseres Jahrhunderts sind die
beiden Extreme, mit denen unsre Staatswissen-
schaft ewig nichts zu schaffen haben kann. Leben-
dige Grenzen hat jeder Staat, unzählige freie
Berührungspunkte des Lebens; und daraus ent-
stehen die Verhältnisse, welche wir, im Gegensatze
seines eignen inneren Lebens, auswärtige
Verhältnisse
nennen.

Die Natur will die Idee des Staates, und
keinen Begriff desselben: deshalb hat sie mehrere
Staaten erschaffen; jeder von ihnen an und für
sich schon zu groß für den Zwang und die Zucht-
ruthe des Begriffs, und die absolute Vereini-
gung aller unmöglich. Die Thorheit aller Be-
griffe vom ewigen Frieden, denen man einen
Thron über allen diesen Staaten hat erbauen,
die man durch einen Universal-Monarchen oder
permanenten Völker-Congreß hat repräsentiren
lassen wollen, braucht nicht erst bewiesen zu wer-
den; ihre Unausführbarkeit leuchtet ein, und --
hoffe ich, nach allen meinen Prämissen -- auch
das Unglück der Welt, und der Stillstand der
bürgerlichen Gesellschaft, welche der Ausführung
auf dem Fuße folgen würden. Kriege sind, aus

dem

vermeintlicher natuͤrlicher Grenzen abgeſteckten
Schranken der Staaten in großen unuͤberſteig-
lichen Mauern ausbauen, kurz, Fichte und —
die Kosmopoliten unſeres Jahrhunderts ſind die
beiden Extreme, mit denen unſre Staatswiſſen-
ſchaft ewig nichts zu ſchaffen haben kann. Leben-
dige Grenzen hat jeder Staat, unzaͤhlige freie
Beruͤhrungspunkte des Lebens; und daraus ent-
ſtehen die Verhaͤltniſſe, welche wir, im Gegenſatze
ſeines eignen inneren Lebens, auswaͤrtige
Verhaͤltniſſe
nennen.

Die Natur will die Idee des Staates, und
keinen Begriff deſſelben: deshalb hat ſie mehrere
Staaten erſchaffen; jeder von ihnen an und fuͤr
ſich ſchon zu groß fuͤr den Zwang und die Zucht-
ruthe des Begriffs, und die abſolute Vereini-
gung aller unmoͤglich. Die Thorheit aller Be-
griffe vom ewigen Frieden, denen man einen
Thron uͤber allen dieſen Staaten hat erbauen,
die man durch einen Univerſal-Monarchen oder
permanenten Voͤlker-Congreß hat repraͤſentiren
laſſen wollen, braucht nicht erſt bewieſen zu wer-
den; ihre Unausfuͤhrbarkeit leuchtet ein, und —
hoffe ich, nach allen meinen Praͤmiſſen — auch
das Ungluͤck der Welt, und der Stillſtand der
buͤrgerlichen Geſellſchaft, welche der Ausfuͤhrung
auf dem Fuße folgen wuͤrden. Kriege ſind, aus

dem
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[112/0146] vermeintlicher natuͤrlicher Grenzen abgeſteckten Schranken der Staaten in großen unuͤberſteig- lichen Mauern ausbauen, kurz, Fichte und — die Kosmopoliten unſeres Jahrhunderts ſind die beiden Extreme, mit denen unſre Staatswiſſen- ſchaft ewig nichts zu ſchaffen haben kann. Leben- dige Grenzen hat jeder Staat, unzaͤhlige freie Beruͤhrungspunkte des Lebens; und daraus ent- ſtehen die Verhaͤltniſſe, welche wir, im Gegenſatze ſeines eignen inneren Lebens, auswaͤrtige Verhaͤltniſſe nennen. Die Natur will die Idee des Staates, und keinen Begriff deſſelben: deshalb hat ſie mehrere Staaten erſchaffen; jeder von ihnen an und fuͤr ſich ſchon zu groß fuͤr den Zwang und die Zucht- ruthe des Begriffs, und die abſolute Vereini- gung aller unmoͤglich. Die Thorheit aller Be- griffe vom ewigen Frieden, denen man einen Thron uͤber allen dieſen Staaten hat erbauen, die man durch einen Univerſal-Monarchen oder permanenten Voͤlker-Congreß hat repraͤſentiren laſſen wollen, braucht nicht erſt bewieſen zu wer- den; ihre Unausfuͤhrbarkeit leuchtet ein, und — hoffe ich, nach allen meinen Praͤmiſſen — auch das Ungluͤck der Welt, und der Stillſtand der buͤrgerlichen Geſellſchaft, welche der Ausfuͤhrung auf dem Fuße folgen wuͤrden. Kriege ſind, aus dem

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/146>, abgerufen am 30.04.2024.