Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Sachen, welche die Sprengel der Finanz- und
der Gerichts-Behörde absonderte, als todte
Mauer nicht weiter bestehen. Der Justiz-Mini-
ster -- so nenne ich den Repräsentanten des
Rechtsstaates -- muß die Persönlichkeit, d. h.
die Rechtsfähigkeit aller Sachen im Staate eben
so wohl als die Rechtsfähigkeit der wirklichen
lebendigen Personen zu erkennen wissen, wenn
er nicht für den bloßen Wortführer eines Be-
griffs, einer Zunft gehalten seyn will. Die Ver-
schwendung irgend eines Theiles von dem Na-
tional-Capitale muß demnach von dem Staats-
manne, der das Ganze repräsentirt, nicht bloß
als unökonomisch, sondern auch im vollen Sinne
des Wortes als unrechtlich angesehen werden,
und in der Gesetzgebung müssen, was im gemei-
nen Leben Recht, und was dort Nutzen ge-
nannt wird, innig verschmolzen erscheinen.

Lassen Sie uns das Wesentlichste dieser Be-
trachtungen zusammen fassen. Jedes Indivi-
duum, welches durch seine Brauchbarkeit zu er-
kennen giebt, daß es zum Staate gehört, also
jedes einzelne, eigne, anscheinend noch so unbe-
deutende Glied des Staates, hat eine Art von
Bürgerrecht im Ganzen, d. h. es ist Per-
son
, und zugleich, im edlen Sinne des Wortes,
Sache. Als Person, besitzt es; als Sache

Sachen, welche die Sprengel der Finanz- und
der Gerichts-Behoͤrde abſonderte, als todte
Mauer nicht weiter beſtehen. Der Juſtiz-Mini-
ſter — ſo nenne ich den Repraͤſentanten des
Rechtsſtaates — muß die Perſoͤnlichkeit, d. h.
die Rechtsfaͤhigkeit aller Sachen im Staate eben
ſo wohl als die Rechtsfaͤhigkeit der wirklichen
lebendigen Perſonen zu erkennen wiſſen, wenn
er nicht fuͤr den bloßen Wortfuͤhrer eines Be-
griffs, einer Zunft gehalten ſeyn will. Die Ver-
ſchwendung irgend eines Theiles von dem Na-
tional-Capitale muß demnach von dem Staats-
manne, der das Ganze repraͤſentirt, nicht bloß
als unoͤkonomiſch, ſondern auch im vollen Sinne
des Wortes als unrechtlich angeſehen werden,
und in der Geſetzgebung muͤſſen, was im gemei-
nen Leben Recht, und was dort Nutzen ge-
nannt wird, innig verſchmolzen erſcheinen.

Laſſen Sie uns das Weſentlichſte dieſer Be-
trachtungen zuſammen faſſen. Jedes Indivi-
duum, welches durch ſeine Brauchbarkeit zu er-
kennen giebt, daß es zum Staate gehoͤrt, alſo
jedes einzelne, eigne, anſcheinend noch ſo unbe-
deutende Glied des Staates, hat eine Art von
Buͤrgerrecht im Ganzen, d. h. es iſt Per-
ſon
, und zugleich, im edlen Sinne des Wortes,
Sache. Als Perſon, beſitzt es; als Sache

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0267" n="233"/>
Sachen, welche die Sprengel der Finanz- und<lb/>
der Gerichts-Beho&#x0364;rde ab&#x017F;onderte, als todte<lb/>
Mauer nicht weiter be&#x017F;tehen. Der Ju&#x017F;tiz-Mini-<lb/>
&#x017F;ter &#x2014; &#x017F;o nenne ich den Repra&#x0364;&#x017F;entanten des<lb/>
Rechts&#x017F;taates &#x2014; muß die Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit, d. h.<lb/>
die Rechtsfa&#x0364;higkeit aller Sachen im Staate eben<lb/>
&#x017F;o wohl als die Rechtsfa&#x0364;higkeit der wirklichen<lb/>
lebendigen Per&#x017F;onen zu erkennen wi&#x017F;&#x017F;en, wenn<lb/>
er nicht fu&#x0364;r den bloßen Wortfu&#x0364;hrer eines Be-<lb/>
griffs, einer Zunft gehalten &#x017F;eyn will. Die Ver-<lb/>
&#x017F;chwendung irgend eines Theiles von dem Na-<lb/>
tional-Capitale muß demnach von dem Staats-<lb/>
manne, der das Ganze repra&#x0364;&#x017F;entirt, nicht bloß<lb/>
als uno&#x0364;konomi&#x017F;ch, &#x017F;ondern auch im vollen Sinne<lb/>
des Wortes als <hi rendition="#g">unrechtlich</hi> ange&#x017F;ehen werden,<lb/>
und in der Ge&#x017F;etzgebung mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, was im gemei-<lb/>
nen Leben <hi rendition="#g">Recht</hi>, und was dort <hi rendition="#g">Nutzen</hi> ge-<lb/>
nannt wird, innig ver&#x017F;chmolzen er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
            <p>La&#x017F;&#x017F;en Sie uns das We&#x017F;entlich&#x017F;te die&#x017F;er Be-<lb/>
trachtungen zu&#x017F;ammen fa&#x017F;&#x017F;en. Jedes Indivi-<lb/>
duum, welches durch &#x017F;eine Brauchbarkeit zu er-<lb/>
kennen giebt, daß es zum Staate geho&#x0364;rt, al&#x017F;o<lb/>
jedes einzelne, eigne, an&#x017F;cheinend noch &#x017F;o unbe-<lb/>
deutende Glied des Staates, hat eine Art von<lb/>
Bu&#x0364;rgerrecht im Ganzen, d. h. es i&#x017F;t <hi rendition="#g">Per-<lb/>
&#x017F;on</hi>, und zugleich, im edlen Sinne des Wortes,<lb/><hi rendition="#g">Sache</hi>. Als Per&#x017F;on, <hi rendition="#g">be&#x017F;itzt</hi> es; als Sache<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0267] Sachen, welche die Sprengel der Finanz- und der Gerichts-Behoͤrde abſonderte, als todte Mauer nicht weiter beſtehen. Der Juſtiz-Mini- ſter — ſo nenne ich den Repraͤſentanten des Rechtsſtaates — muß die Perſoͤnlichkeit, d. h. die Rechtsfaͤhigkeit aller Sachen im Staate eben ſo wohl als die Rechtsfaͤhigkeit der wirklichen lebendigen Perſonen zu erkennen wiſſen, wenn er nicht fuͤr den bloßen Wortfuͤhrer eines Be- griffs, einer Zunft gehalten ſeyn will. Die Ver- ſchwendung irgend eines Theiles von dem Na- tional-Capitale muß demnach von dem Staats- manne, der das Ganze repraͤſentirt, nicht bloß als unoͤkonomiſch, ſondern auch im vollen Sinne des Wortes als unrechtlich angeſehen werden, und in der Geſetzgebung muͤſſen, was im gemei- nen Leben Recht, und was dort Nutzen ge- nannt wird, innig verſchmolzen erſcheinen. Laſſen Sie uns das Weſentlichſte dieſer Be- trachtungen zuſammen faſſen. Jedes Indivi- duum, welches durch ſeine Brauchbarkeit zu er- kennen giebt, daß es zum Staate gehoͤrt, alſo jedes einzelne, eigne, anſcheinend noch ſo unbe- deutende Glied des Staates, hat eine Art von Buͤrgerrecht im Ganzen, d. h. es iſt Per- ſon, und zugleich, im edlen Sinne des Wortes, Sache. Als Perſon, beſitzt es; als Sache

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/267
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/267>, abgerufen am 09.05.2024.