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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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verschlossenen Thüren regiert wird, und wo, we-
nige glückliche Staaten ausgenommen, die Re-
gierungsbeschlüsse über die Häupter uneingewei-
heter Unterthanen hergehen, wie der Wind und
die Wolken, von denen niemand sagen kann,
woher sie kommen, und wohin sie fahren, oder
was sie bedeuten -- muß diese Spaltung noch
viel größer seyn, als in England, wo die Ver-
fassung, die hinreißende Gewalt, die Sichtbar-
keit und Zugänglichkeit des öffentlichen Lebens
einen eigentlichen Theoretiker nicht einmal auf-
kommen läßt. Das berühmte Buch von Adam
Smith
ist eins von den wenigen Büchern der
Britten, welche man theoretisch nennen könnte,
weil es sich nicht in praktischen Schranken bewegt,
weil die Lehre der Handels- und Gewerbs-Frei-
heit, die darin aufgestellt ist, auf die geschlossene
Persönlichkeit der Staaten, auf ihren abgeson-
derten Charakter, und auf ihre nothwendige krie-
gerische Stellung unter einander, zu wenig Rück-
sicht nimmt. Indeß, wie viele Spuren eines
reichen, thätigen Lebens dieses Buch enthält,
fühlt man erst, wenn man es in der magern Ge-
stalt Deutscher vermeintlicher Bearbeitungen wie-
dersieht, wo die Resultate von Adam Smith's
Leben nur systematisch aufgestutzt und zierlich
in Reihe und Glied erscheinen. Es ging Adam

verſchloſſenen Thuͤren regiert wird, und wo, we-
nige gluͤckliche Staaten ausgenommen, die Re-
gierungsbeſchluͤſſe uͤber die Haͤupter uneingewei-
heter Unterthanen hergehen, wie der Wind und
die Wolken, von denen niemand ſagen kann,
woher ſie kommen, und wohin ſie fahren, oder
was ſie bedeuten — muß dieſe Spaltung noch
viel groͤßer ſeyn, als in England, wo die Ver-
faſſung, die hinreißende Gewalt, die Sichtbar-
keit und Zugaͤnglichkeit des oͤffentlichen Lebens
einen eigentlichen Theoretiker nicht einmal auf-
kommen laͤßt. Das beruͤhmte Buch von Adam
Smith
iſt eins von den wenigen Buͤchern der
Britten, welche man theoretiſch nennen koͤnnte,
weil es ſich nicht in praktiſchen Schranken bewegt,
weil die Lehre der Handels- und Gewerbs-Frei-
heit, die darin aufgeſtellt iſt, auf die geſchloſſene
Perſoͤnlichkeit der Staaten, auf ihren abgeſon-
derten Charakter, und auf ihre nothwendige krie-
geriſche Stellung unter einander, zu wenig Ruͤck-
ſicht nimmt. Indeß, wie viele Spuren eines
reichen, thaͤtigen Lebens dieſes Buch enthaͤlt,
fuͤhlt man erſt, wenn man es in der magern Ge-
ſtalt Deutſcher vermeintlicher Bearbeitungen wie-
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Leben nur ſyſtematiſch aufgeſtutzt und zierlich
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[18/0052] verſchloſſenen Thuͤren regiert wird, und wo, we- nige gluͤckliche Staaten ausgenommen, die Re- gierungsbeſchluͤſſe uͤber die Haͤupter uneingewei- heter Unterthanen hergehen, wie der Wind und die Wolken, von denen niemand ſagen kann, woher ſie kommen, und wohin ſie fahren, oder was ſie bedeuten — muß dieſe Spaltung noch viel groͤßer ſeyn, als in England, wo die Ver- faſſung, die hinreißende Gewalt, die Sichtbar- keit und Zugaͤnglichkeit des oͤffentlichen Lebens einen eigentlichen Theoretiker nicht einmal auf- kommen laͤßt. Das beruͤhmte Buch von Adam Smith iſt eins von den wenigen Buͤchern der Britten, welche man theoretiſch nennen koͤnnte, weil es ſich nicht in praktiſchen Schranken bewegt, weil die Lehre der Handels- und Gewerbs-Frei- heit, die darin aufgeſtellt iſt, auf die geſchloſſene Perſoͤnlichkeit der Staaten, auf ihren abgeſon- derten Charakter, und auf ihre nothwendige krie- geriſche Stellung unter einander, zu wenig Ruͤck- ſicht nimmt. Indeß, wie viele Spuren eines reichen, thaͤtigen Lebens dieſes Buch enthaͤlt, fuͤhlt man erſt, wenn man es in der magern Ge- ſtalt Deutſcher vermeintlicher Bearbeitungen wie- derſieht, wo die Reſultate von Adam Smith’s Leben nur ſyſtematiſch aufgeſtutzt und zierlich in Reihe und Glied erſcheinen. Es ging Adam

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/52>, abgerufen am 27.04.2024.