Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

denn Gagliani bewies eben, daß jede Regel nur
auf einen bestimmten Fall anwendbar sey, daß
es keine bestimmte Regel von unbestimmten Fäl-
len gebe, und setzte den Staatswirth, der ihn
verstand, in die klare und muthige Disposition,
nun seines Orts zu thun, was noth war. --
Diesen wichtigen Unterschied zwischen der Idee
und dem Begriff, auf den ich in jedem Ab-
schnitte meiner Darstellung zurückkommen werde,
zu erkennen, giebt es kein gefälligeres Mittel,
als die Lectüre der Dialogues sur le commerce
des bles
. --

So nun im großen, freien Styl, so ideen-
weise
, lernt sich die Staatswissenschaft in Bur-
ke's
Werken. Weder vom bloßen Verstande
ausgehend, noch bloß von der Noth des Augen-
blicks und dem Drange der Umstände, sind sie
eine ewig offne und doch freie Schule der Welt;
der ganze Mensch, verflochten mit seinem Leben
und allen seinen Schicksalen in die Schicksale
der Welt und des Vaterlandes, spricht zum gan-
zen Leser, und reißt ihn mit sich fort in die Be-
wegung, indem er ihm den Muth und den Geist
giebt, zu tragen, zu dulden, zu trotzen und zu
helfen, zu bessern und weiter zu begeistern, wo
es von nöthen ist.

Der bestimmte Fall kommt nicht wieder, die

denn Gagliani bewies eben, daß jede Regel nur
auf einen beſtimmten Fall anwendbar ſey, daß
es keine beſtimmte Regel von unbeſtimmten Faͤl-
len gebe, und ſetzte den Staatswirth, der ihn
verſtand, in die klare und muthige Dispoſition,
nun ſeines Orts zu thun, was noth war. —
Dieſen wichtigen Unterſchied zwiſchen der Idee
und dem Begriff, auf den ich in jedem Ab-
ſchnitte meiner Darſtellung zuruͤckkommen werde,
zu erkennen, giebt es kein gefaͤlligeres Mittel,
als die Lectuͤre der Dialogues sur le commerce
des blés
. —

So nun im großen, freien Styl, ſo ideen-
weiſe
, lernt ſich die Staatswiſſenſchaft in Bur-
ke’s
Werken. Weder vom bloßen Verſtande
ausgehend, noch bloß von der Noth des Augen-
blicks und dem Drange der Umſtaͤnde, ſind ſie
eine ewig offne und doch freie Schule der Welt;
der ganze Menſch, verflochten mit ſeinem Leben
und allen ſeinen Schickſalen in die Schickſale
der Welt und des Vaterlandes, ſpricht zum gan-
zen Leſer, und reißt ihn mit ſich fort in die Be-
wegung, indem er ihm den Muth und den Geiſt
giebt, zu tragen, zu dulden, zu trotzen und zu
helfen, zu beſſern und weiter zu begeiſtern, wo
es von noͤthen iſt.

Der beſtimmte Fall kommt nicht wieder, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0063" n="29"/>
denn Gagliani bewies eben, daß jede Regel nur<lb/>
auf einen be&#x017F;timmten Fall anwendbar &#x017F;ey, daß<lb/>
es keine be&#x017F;timmte Regel von unbe&#x017F;timmten Fa&#x0364;l-<lb/>
len gebe, und &#x017F;etzte den Staatswirth, der ihn<lb/>
ver&#x017F;tand, in die klare und muthige Dispo&#x017F;ition,<lb/>
nun &#x017F;eines Orts zu thun, was noth war. &#x2014;<lb/>
Die&#x017F;en wichtigen Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen der <hi rendition="#g">Idee</hi><lb/>
und dem <hi rendition="#g">Begriff</hi>, auf den ich in jedem Ab-<lb/>
&#x017F;chnitte meiner Dar&#x017F;tellung zuru&#x0364;ckkommen werde,<lb/>
zu erkennen, giebt es kein gefa&#x0364;lligeres Mittel,<lb/>
als die Lectu&#x0364;re der <hi rendition="#aq">Dialogues sur le commerce<lb/>
des blés</hi>. &#x2014;</p><lb/>
            <p>So nun im großen, freien Styl, &#x017F;o <hi rendition="#g">ideen-<lb/>
wei&#x017F;e</hi>, lernt &#x017F;ich die Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft in <hi rendition="#g">Bur-<lb/>
ke&#x2019;s</hi> Werken. Weder vom bloßen Ver&#x017F;tande<lb/>
ausgehend, noch bloß von der Noth des Augen-<lb/>
blicks und dem Drange der Um&#x017F;ta&#x0364;nde, &#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
eine ewig offne und doch freie Schule der Welt;<lb/>
der ganze Men&#x017F;ch, verflochten mit &#x017F;einem Leben<lb/>
und allen &#x017F;einen Schick&#x017F;alen in die Schick&#x017F;ale<lb/>
der Welt und des Vaterlandes, &#x017F;pricht zum gan-<lb/>
zen Le&#x017F;er, und reißt ihn mit &#x017F;ich fort in die Be-<lb/>
wegung, indem er ihm den Muth und den Gei&#x017F;t<lb/>
giebt, zu tragen, zu dulden, zu trotzen und zu<lb/>
helfen, zu be&#x017F;&#x017F;ern und weiter zu begei&#x017F;tern, wo<lb/>
es von no&#x0364;then i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Der be&#x017F;timmte Fall kommt nicht wieder, die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0063] denn Gagliani bewies eben, daß jede Regel nur auf einen beſtimmten Fall anwendbar ſey, daß es keine beſtimmte Regel von unbeſtimmten Faͤl- len gebe, und ſetzte den Staatswirth, der ihn verſtand, in die klare und muthige Dispoſition, nun ſeines Orts zu thun, was noth war. — Dieſen wichtigen Unterſchied zwiſchen der Idee und dem Begriff, auf den ich in jedem Ab- ſchnitte meiner Darſtellung zuruͤckkommen werde, zu erkennen, giebt es kein gefaͤlligeres Mittel, als die Lectuͤre der Dialogues sur le commerce des blés. — So nun im großen, freien Styl, ſo ideen- weiſe, lernt ſich die Staatswiſſenſchaft in Bur- ke’s Werken. Weder vom bloßen Verſtande ausgehend, noch bloß von der Noth des Augen- blicks und dem Drange der Umſtaͤnde, ſind ſie eine ewig offne und doch freie Schule der Welt; der ganze Menſch, verflochten mit ſeinem Leben und allen ſeinen Schickſalen in die Schickſale der Welt und des Vaterlandes, ſpricht zum gan- zen Leſer, und reißt ihn mit ſich fort in die Be- wegung, indem er ihm den Muth und den Geiſt giebt, zu tragen, zu dulden, zu trotzen und zu helfen, zu beſſern und weiter zu begeiſtern, wo es von noͤthen iſt. Der beſtimmte Fall kommt nicht wieder, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/63
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/63>, abgerufen am 27.04.2024.