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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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zur Ehre der Idee "Freiheit," in die Schale
der königlichen Gewalt -- damals, als noch
die ganze Welt entweder im ersten Entsetzen vor
der ungeheuren Begebenheit verstummte, oder
im Taumel des Götzendienstes, vom Begriffe
der Freiheit befangen, der National-Versamm-
lung Beifall zujauchzte. Unter allem Tumulte
jenes Augenblickes war ihm der Charakter und
die ganze künftige Bahn dieses Ereignisses so
klar, wie er es in seinen berühmten Betrach-
tungen über die Französische Revolu-
tion
, sich selbst zum Zeugniß und allen kommen-
den Geschlechtern zur Lehre, niedergeschrieben hat.

Das nun ist die Gewalt der lebendigen
Idee
, und ihr erhabener Sieg über den todten
Begriff! In einer ganz veränderten Welt, wie die
vom Jahre 1790, findet sie sich auf der Stelle
wieder; das Chaos selbst kann sie nicht verwirren:
denn sie trägt die Seele aller Ordnung, den
Muth des wahren Regierens, unüberwindlicher
und unauslöschlicher in sich, als die eigne Lebens-
flamme. -- Indeß zerreibt sich der trockne Be-
griff unter den Stößen der Zeit: das Schicksal
treibt unerbittlich seinen Spott mit ihm, und
verdrehet ihn, daß zuletzt die Freiheit von der
Tyrannei nicht mehr zu unterscheiden ist; es
zwingt einen Fox, von sich selbst abtrünnig zu

wer-

zur Ehre der Idee „Freiheit,” in die Schale
der koͤniglichen Gewalt — damals, als noch
die ganze Welt entweder im erſten Entſetzen vor
der ungeheuren Begebenheit verſtummte, oder
im Taumel des Goͤtzendienſtes, vom Begriffe
der Freiheit befangen, der National-Verſamm-
lung Beifall zujauchzte. Unter allem Tumulte
jenes Augenblickes war ihm der Charakter und
die ganze kuͤnftige Bahn dieſes Ereigniſſes ſo
klar, wie er es in ſeinen beruͤhmten Betrach-
tungen uͤber die Franzoͤſiſche Revolu-
tion
, ſich ſelbſt zum Zeugniß und allen kommen-
den Geſchlechtern zur Lehre, niedergeſchrieben hat.

Das nun iſt die Gewalt der lebendigen
Idee
, und ihr erhabener Sieg uͤber den todten
Begriff! In einer ganz veraͤnderten Welt, wie die
vom Jahre 1790, findet ſie ſich auf der Stelle
wieder; das Chaos ſelbſt kann ſie nicht verwirren:
denn ſie traͤgt die Seele aller Ordnung, den
Muth des wahren Regierens, unuͤberwindlicher
und unausloͤſchlicher in ſich, als die eigne Lebens-
flamme. — Indeß zerreibt ſich der trockne Be-
griff unter den Stoͤßen der Zeit: das Schickſal
treibt unerbittlich ſeinen Spott mit ihm, und
verdrehet ihn, daß zuletzt die Freiheit von der
Tyrannei nicht mehr zu unterſcheiden iſt; es
zwingt einen Fox, von ſich ſelbſt abtruͤnnig zu

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[32/0066] zur Ehre der Idee „Freiheit,” in die Schale der koͤniglichen Gewalt — damals, als noch die ganze Welt entweder im erſten Entſetzen vor der ungeheuren Begebenheit verſtummte, oder im Taumel des Goͤtzendienſtes, vom Begriffe der Freiheit befangen, der National-Verſamm- lung Beifall zujauchzte. Unter allem Tumulte jenes Augenblickes war ihm der Charakter und die ganze kuͤnftige Bahn dieſes Ereigniſſes ſo klar, wie er es in ſeinen beruͤhmten Betrach- tungen uͤber die Franzoͤſiſche Revolu- tion, ſich ſelbſt zum Zeugniß und allen kommen- den Geſchlechtern zur Lehre, niedergeſchrieben hat. Das nun iſt die Gewalt der lebendigen Idee, und ihr erhabener Sieg uͤber den todten Begriff! In einer ganz veraͤnderten Welt, wie die vom Jahre 1790, findet ſie ſich auf der Stelle wieder; das Chaos ſelbſt kann ſie nicht verwirren: denn ſie traͤgt die Seele aller Ordnung, den Muth des wahren Regierens, unuͤberwindlicher und unausloͤſchlicher in ſich, als die eigne Lebens- flamme. — Indeß zerreibt ſich der trockne Be- griff unter den Stoͤßen der Zeit: das Schickſal treibt unerbittlich ſeinen Spott mit ihm, und verdrehet ihn, daß zuletzt die Freiheit von der Tyrannei nicht mehr zu unterſcheiden iſt; es zwingt einen Fox, von ſich ſelbſt abtruͤnnig zu wer-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/66>, abgerufen am 27.04.2024.