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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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ter und den Agirenden, den Staatsgelehrten und
den Staatsmann, immer außerhalb des Staa-
tes, denselben mit Händen begreifend und
befühlend, denkt, und daß man den großen Sinn
des Archimedischen Wortes nicht ergründet hat,
welches auf die physikalische und die politische
Mechanik gleich-richtig paßt? --

Dem dreifachen Irrthume, den ich hier dar-
gestellt habe, wollen wir eine dreifache Wahrheit
entgegenstellen, und dergestalt unsre Staatsan-
sicht auf die Natur der Sache gründen.

1) So wie jedes Geschöpf der Natur in der
Mitte der Natur zu stehen meint; wie jede Crea-
tur, wenn sie die Wahrheit gestehen will, sich einbil-
det, die ganze Welt bewege sich um sie her; wie
keine Seele außer der Natur, oder auf ihrer un-
tersten Stufe zu stehen glaubt; wie kein Wurm
schlecht von sich denkt: -- so steht jeder Mensch
in der Mitte des bürgerlichen Lebens, von allen
Seiten in den Staat verflochten, da; und so
wenig er aus sich selbst heraustreten kann, eben
so wenig aus dem Staate.

2) So wie ferner niemand, wenn er sich
nicht ziert und den Propheten oder den Tacitus
spielen will, im Grunde des Herzens von seiner
Zeit schlecht denkt, und am Anfang oder am
Ende der Welt, an threm Morgen oder ihrem

ter und den Agirenden, den Staatsgelehrten und
den Staatsmann, immer außerhalb des Staa-
tes, denſelben mit Haͤnden begreifend und
befuͤhlend, denkt, und daß man den großen Sinn
des Archimediſchen Wortes nicht ergruͤndet hat,
welches auf die phyſikaliſche und die politiſche
Mechanik gleich-richtig paßt? —

Dem dreifachen Irrthume, den ich hier dar-
geſtellt habe, wollen wir eine dreifache Wahrheit
entgegenſtellen, und dergeſtalt unſre Staatsan-
ſicht auf die Natur der Sache gruͤnden.

1) So wie jedes Geſchoͤpf der Natur in der
Mitte der Natur zu ſtehen meint; wie jede Crea-
tur, wenn ſie die Wahrheit geſtehen will, ſich einbil-
det, die ganze Welt bewege ſich um ſie her; wie
keine Seele außer der Natur, oder auf ihrer un-
terſten Stufe zu ſtehen glaubt; wie kein Wurm
ſchlecht von ſich denkt: — ſo ſteht jeder Menſch
in der Mitte des buͤrgerlichen Lebens, von allen
Seiten in den Staat verflochten, da; und ſo
wenig er aus ſich ſelbſt heraustreten kann, eben
ſo wenig aus dem Staate.

2) So wie ferner niemand, wenn er ſich
nicht ziert und den Propheten oder den Tacitus
ſpielen will, im Grunde des Herzens von ſeiner
Zeit ſchlecht denkt, und am Anfang oder am
Ende der Welt, an threm Morgen oder ihrem

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[38/0072] ter und den Agirenden, den Staatsgelehrten und den Staatsmann, immer außerhalb des Staa- tes, denſelben mit Haͤnden begreifend und befuͤhlend, denkt, und daß man den großen Sinn des Archimediſchen Wortes nicht ergruͤndet hat, welches auf die phyſikaliſche und die politiſche Mechanik gleich-richtig paßt? — Dem dreifachen Irrthume, den ich hier dar- geſtellt habe, wollen wir eine dreifache Wahrheit entgegenſtellen, und dergeſtalt unſre Staatsan- ſicht auf die Natur der Sache gruͤnden. 1) So wie jedes Geſchoͤpf der Natur in der Mitte der Natur zu ſtehen meint; wie jede Crea- tur, wenn ſie die Wahrheit geſtehen will, ſich einbil- det, die ganze Welt bewege ſich um ſie her; wie keine Seele außer der Natur, oder auf ihrer un- terſten Stufe zu ſtehen glaubt; wie kein Wurm ſchlecht von ſich denkt: — ſo ſteht jeder Menſch in der Mitte des buͤrgerlichen Lebens, von allen Seiten in den Staat verflochten, da; und ſo wenig er aus ſich ſelbſt heraustreten kann, eben ſo wenig aus dem Staate. 2) So wie ferner niemand, wenn er ſich nicht ziert und den Propheten oder den Tacitus ſpielen will, im Grunde des Herzens von ſeiner Zeit ſchlecht denkt, und am Anfang oder am Ende der Welt, an threm Morgen oder ihrem

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/72>, abgerufen am 27.04.2024.