auch, fragte er, hinlängliche Beweise für die Avthenti- cität der Bücher des alten Testaments? Doch, setzte er hinzu, darnach brauche ich nicht zu fragen. Jst das neue Testament wahr, so muß es das alte auch seyn. Jch bete nun oft zu Gott um Erleuchtung und Befesti- gung in der Wahrheit, und ich bin gewiß, er wird mein Gebet erhören und meine Bemühungen segnen.
Eilfte Unterredung, den 22sten März.
Jch wußte, daß der Graf nun eine Zeitlang durch Ge- schäffte, die seine ehemalige Situation und seinen Proceß angiengen, sehr zerstreut werden würde. Jch beschloß deswegen erst eine ruhigere Zeit für ihn abzu- warten, ehe ich zu den übrigen Hauptlehren des Chri- stenthums in der Ordnung fortgienge, die ich mir vorge- schrieben hatte. Die nöthige Zeit, sahe ich, würde uns nicht mangeln, und es konnte ihm auch nützlich seyn, etwas auf dem Wege, auf welchem wir bis hieher so glücklich fortgegangen waren, stille zu stehen, und sich an alles wieder zu erinnern, was er auf demselben bessern- des für seinen Verstand und für sein Herz gefunden hatte. Unterdessen besuchte ich ihn doch fast täglich, theils um ihn zu beobachten, und aus seinem Reden und Verhal- ten zu schließen, wie Gnade und Wahrheit bey ihm würkten; theils, nach der Veranlassung, die ich finden würde, an der Beförderung meiner Absicht bey ihm un- vermerkt fortzuarbeiten.
Er beschäfftigte sich, als ich zu ihm kam, mit dem Leßischen Buche, welches ich ihm das letzte mahl gebracht hatte. Es wäre doch bedenklich, sagte er, daß aus dem ersten Jahrhundert so wenige Zeugnisse für die Avthenticität der neutestamentlichen Bücher vorhanden wären. Doch, setzte er hinzu, erinnere ich das gar
nicht,
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auch, fragte er, hinlaͤngliche Beweiſe fuͤr die Avthenti- citaͤt der Buͤcher des alten Teſtaments? Doch, ſetzte er hinzu, darnach brauche ich nicht zu fragen. Jſt das neue Teſtament wahr, ſo muß es das alte auch ſeyn. Jch bete nun oft zu Gott um Erleuchtung und Befeſti- gung in der Wahrheit, und ich bin gewiß, er wird mein Gebet erhoͤren und meine Bemuͤhungen ſegnen.
Eilfte Unterredung, den 22ſten Maͤrz.
Jch wußte, daß der Graf nun eine Zeitlang durch Ge- ſchaͤffte, die ſeine ehemalige Situation und ſeinen Proceß angiengen, ſehr zerſtreut werden wuͤrde. Jch beſchloß deswegen erſt eine ruhigere Zeit fuͤr ihn abzu- warten, ehe ich zu den uͤbrigen Hauptlehren des Chri- ſtenthums in der Ordnung fortgienge, die ich mir vorge- ſchrieben hatte. Die noͤthige Zeit, ſahe ich, wuͤrde uns nicht mangeln, und es konnte ihm auch nuͤtzlich ſeyn, etwas auf dem Wege, auf welchem wir bis hieher ſo gluͤcklich fortgegangen waren, ſtille zu ſtehen, und ſich an alles wieder zu erinnern, was er auf demſelben beſſern- des fuͤr ſeinen Verſtand und fuͤr ſein Herz gefunden hatte. Unterdeſſen beſuchte ich ihn doch faſt taͤglich, theils um ihn zu beobachten, und aus ſeinem Reden und Verhal- ten zu ſchließen, wie Gnade und Wahrheit bey ihm wuͤrkten; theils, nach der Veranlaſſung, die ich finden wuͤrde, an der Befoͤrderung meiner Abſicht bey ihm un- vermerkt fortzuarbeiten.
Er beſchaͤfftigte ſich, als ich zu ihm kam, mit dem Leßiſchen Buche, welches ich ihm das letzte mahl gebracht hatte. Es waͤre doch bedenklich, ſagte er, daß aus dem erſten Jahrhundert ſo wenige Zeugniſſe fuͤr die Avthenticitaͤt der neuteſtamentlichen Buͤcher vorhanden waͤren. Doch, ſetzte er hinzu, erinnere ich das gar
nicht,
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auch, fragte er, hinlaͤngliche Beweiſe fuͤr die Avthenti-
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er hinzu, darnach brauche ich nicht zu fragen. Jſt das
neue Teſtament wahr, ſo muß es das alte auch ſeyn.
Jch bete nun oft zu Gott um Erleuchtung und Befeſti-
gung in der Wahrheit, und ich bin gewiß, er wird mein
Gebet erhoͤren und meine Bemuͤhungen ſegnen.
Eilfte Unterredung, den 22ſten Maͤrz.
Jch wußte, daß der Graf nun eine Zeitlang durch Ge-
ſchaͤffte, die ſeine ehemalige Situation und ſeinen
Proceß angiengen, ſehr zerſtreut werden wuͤrde. Jch
beſchloß deswegen erſt eine ruhigere Zeit fuͤr ihn abzu-
warten, ehe ich zu den uͤbrigen Hauptlehren des Chri-
ſtenthums in der Ordnung fortgienge, die ich mir vorge-
ſchrieben hatte. Die noͤthige Zeit, ſahe ich, wuͤrde uns
nicht mangeln, und es konnte ihm auch nuͤtzlich ſeyn,
etwas auf dem Wege, auf welchem wir bis hieher ſo
gluͤcklich fortgegangen waren, ſtille zu ſtehen, und ſich
an alles wieder zu erinnern, was er auf demſelben beſſern-
des fuͤr ſeinen Verſtand und fuͤr ſein Herz gefunden hatte.
Unterdeſſen beſuchte ich ihn doch faſt taͤglich, theils um
ihn zu beobachten, und aus ſeinem Reden und Verhal-
ten zu ſchließen, wie Gnade und Wahrheit bey ihm
wuͤrkten; theils, nach der Veranlaſſung, die ich finden
wuͤrde, an der Befoͤrderung meiner Abſicht bey ihm un-
vermerkt fortzuarbeiten.
Er beſchaͤfftigte ſich, als ich zu ihm kam, mit
dem Leßiſchen Buche, welches ich ihm das letzte mahl
gebracht hatte. Es waͤre doch bedenklich, ſagte er, daß
aus dem erſten Jahrhundert ſo wenige Zeugniſſe fuͤr die
Avthenticitaͤt der neuteſtamentlichen Buͤcher vorhanden
waͤren. Doch, ſetzte er hinzu, erinnere ich das gar
nicht,
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/131>, abgerufen am 12.08.2022.
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