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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Wenn auch die Meynung wahr seyn sollte, sagte hier der
Graf, daß die Seele während ihrer Trennung vom Leibe,
sich in einem Zustande dunkler Vorstellungen und Em-
pfindungen, oder in einem Schlafe, befinden werde, so
würde mich das gar nicht beunruhigen. Denn, wenn
meine Seele sich ihrer nicht bewußt wäre, und würde
nur sicher aufgehoben, so litte sie ja nichts. Und ob
dieser Schlaf ein oder zehn tausend Jahre daurete, das
machte sie auch nicht unglücklich, denn während des
Schlafs wüßte sie ja von nichts. Aber weit angenehmer
ist es mir, setzte er hinzu, aus den angeführten Schrift-
stellen zu lernen, daß sie gleich nach dem Tode des Lei-
bes zum Genuß und Bewußtseyn ihrer Glückseeligkeit
gelangen wird.

Gott hat es verheißen, sagte ich hierauf, daß
die Seelen der Gerechten während ihrer Trennung vom
Leibe es gut haben sollen: so wird es also auch der Jhri-
gen in dieser Zwischenzeit nicht an Freude und Zufrieden-
heit fehlen. Gott wird sie in seinen Schutz und unter
seine Bewahrung nehmen. Und welcher Feind, welcher
Zufall wird ihr dann schaden können! Sie wird von
allem Uebel befreyt seyn. Also von aller Unruhe, von
allen unangenehmen Gemüthsbewegungen, von aller
Angst des Gewissens, vornemlich von aller Sünde. Jtzt
sind Sie noch immer in einiger Ungewißheit, ob Sie
auch standhaft in Jhrer heilsamen Verbesserung beharren
werden, Sie müssen sich immer noch vor dem Betruge
des Jrrthums und der Sünde in Acht nehmen, was
Paulus Phil. 3, 12-14. sagt, das müssen auch Sie noch
sagen. Aber dann wird Jhre Seele sich Jhres Heils
vollkommen gewiß bewußt seyn, sie wird ihr Kleinod
schon ergriffen haben, es wird nicht mehr möglich seyn,
daß Sie es noch verlieren könnte. Und noch mehr. Sie
wird bey Christo seyn. Also in der Gemeinschaft Jhres

Erlösers,



Wenn auch die Meynung wahr ſeyn ſollte, ſagte hier der
Graf, daß die Seele waͤhrend ihrer Trennung vom Leibe,
ſich in einem Zuſtande dunkler Vorſtellungen und Em-
pfindungen, oder in einem Schlafe, befinden werde, ſo
wuͤrde mich das gar nicht beunruhigen. Denn, wenn
meine Seele ſich ihrer nicht bewußt waͤre, und wuͤrde
nur ſicher aufgehoben, ſo litte ſie ja nichts. Und ob
dieſer Schlaf ein oder zehn tauſend Jahre daurete, das
machte ſie auch nicht ungluͤcklich, denn waͤhrend des
Schlafs wuͤßte ſie ja von nichts. Aber weit angenehmer
iſt es mir, ſetzte er hinzu, aus den angefuͤhrten Schrift-
ſtellen zu lernen, daß ſie gleich nach dem Tode des Lei-
bes zum Genuß und Bewußtſeyn ihrer Gluͤckſeeligkeit
gelangen wird.

Gott hat es verheißen, ſagte ich hierauf, daß
die Seelen der Gerechten waͤhrend ihrer Trennung vom
Leibe es gut haben ſollen: ſo wird es alſo auch der Jhri-
gen in dieſer Zwiſchenzeit nicht an Freude und Zufrieden-
heit fehlen. Gott wird ſie in ſeinen Schutz und unter
ſeine Bewahrung nehmen. Und welcher Feind, welcher
Zufall wird ihr dann ſchaden koͤnnen! Sie wird von
allem Uebel befreyt ſeyn. Alſo von aller Unruhe, von
allen unangenehmen Gemuͤthsbewegungen, von aller
Angſt des Gewiſſens, vornemlich von aller Suͤnde. Jtzt
ſind Sie noch immer in einiger Ungewißheit, ob Sie
auch ſtandhaft in Jhrer heilſamen Verbeſſerung beharren
werden, Sie muͤſſen ſich immer noch vor dem Betruge
des Jrrthums und der Suͤnde in Acht nehmen, was
Paulus Phil. 3, 12-14. ſagt, das muͤſſen auch Sie noch
ſagen. Aber dann wird Jhre Seele ſich Jhres Heils
vollkommen gewiß bewußt ſeyn, ſie wird ihr Kleinod
ſchon ergriffen haben, es wird nicht mehr moͤglich ſeyn,
daß Sie es noch verlieren koͤnnte. Und noch mehr. Sie
wird bey Chriſto ſeyn. Alſo in der Gemeinſchaft Jhres

Erloͤſers,
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[204/0216] Wenn auch die Meynung wahr ſeyn ſollte, ſagte hier der Graf, daß die Seele waͤhrend ihrer Trennung vom Leibe, ſich in einem Zuſtande dunkler Vorſtellungen und Em- pfindungen, oder in einem Schlafe, befinden werde, ſo wuͤrde mich das gar nicht beunruhigen. Denn, wenn meine Seele ſich ihrer nicht bewußt waͤre, und wuͤrde nur ſicher aufgehoben, ſo litte ſie ja nichts. Und ob dieſer Schlaf ein oder zehn tauſend Jahre daurete, das machte ſie auch nicht ungluͤcklich, denn waͤhrend des Schlafs wuͤßte ſie ja von nichts. Aber weit angenehmer iſt es mir, ſetzte er hinzu, aus den angefuͤhrten Schrift- ſtellen zu lernen, daß ſie gleich nach dem Tode des Lei- bes zum Genuß und Bewußtſeyn ihrer Gluͤckſeeligkeit gelangen wird. Gott hat es verheißen, ſagte ich hierauf, daß die Seelen der Gerechten waͤhrend ihrer Trennung vom Leibe es gut haben ſollen: ſo wird es alſo auch der Jhri- gen in dieſer Zwiſchenzeit nicht an Freude und Zufrieden- heit fehlen. Gott wird ſie in ſeinen Schutz und unter ſeine Bewahrung nehmen. Und welcher Feind, welcher Zufall wird ihr dann ſchaden koͤnnen! Sie wird von allem Uebel befreyt ſeyn. Alſo von aller Unruhe, von allen unangenehmen Gemuͤthsbewegungen, von aller Angſt des Gewiſſens, vornemlich von aller Suͤnde. Jtzt ſind Sie noch immer in einiger Ungewißheit, ob Sie auch ſtandhaft in Jhrer heilſamen Verbeſſerung beharren werden, Sie muͤſſen ſich immer noch vor dem Betruge des Jrrthums und der Suͤnde in Acht nehmen, was Paulus Phil. 3, 12-14. ſagt, das muͤſſen auch Sie noch ſagen. Aber dann wird Jhre Seele ſich Jhres Heils vollkommen gewiß bewußt ſeyn, ſie wird ihr Kleinod ſchon ergriffen haben, es wird nicht mehr moͤglich ſeyn, daß Sie es noch verlieren koͤnnte. Und noch mehr. Sie wird bey Chriſto ſeyn. Alſo in der Gemeinſchaft Jhres Erloͤſers,

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/216>, abgerufen am 29.04.2024.