Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht seine Ideale im Ewigen und Unvergänglichen
gewurzelt sind. Und darum sage ich: Die Götzen, die
scheinbar so harmlos dumm grinsend in die Welt
hineinschauen, sie sind die bösen Geister der Heiden, sie
hängen sich mit ihrer ganzen materiellen Schwere an
die Seelen der Heiden, daß sie den Flug nach oben
nicht thun können. Die Götzen schaffen immer auf das
Neue wieder die materielle Weltanschauung der Heiden
und halten sie fest in geistiger Beschränktheit und sitt-
licher Verkommenheit. Was kann aus einem Volke
werden, dessen höchste Ideale in diesen Götzen verkörpert
sind! Da erklärt sich leicht, warum die Heilige Schrift
so sehr gegen den Götzendienst eifert, warum der Apostel
Paulus von den Götzen nicht nur als von toten und
nichtseienden (1. Kor. 8, 4), sondern auch als von
Dämonen, d. h. bösen Geistern und Göttern redet
(1. Kor. 10, 20). Die Götzen, wenn sie gleich schwach
und armselig sind (Gal. 4, 9), sind die Urheber des
ganzen geistigen Elendes der Heidenwelt und die wich-
tigste Erkenntnis, die es für diese giebt, heißt: "Gott
ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und
in der Wahrheit anbeten".

Gegenüber diesem Einen sind alle äußeren Ge-
brechen des Heidentums, wie die Witwenverbrennungen
in Indien, die Kinderaussetzung in China und selbst
der Kannibalismus der Südseeinsulaner, nur Neben-
sachen. Sie sind nur die Folgen der Götzenverehrung,
und wenn sie auch zu ihrer Zeit treffliche Illustrationen
abgeben, so ist doch nicht auf sie, sondern auf die geistige
Not des Götzendienstes das Hauptgewicht zu legen. Es
ist eine Erfahrung, die durch die Urteile vieler und
nicht der schlechtesten Laien bestätigt wird, daß gerade
die Missionskreise in dieser Beziehung manches gefehlt

nicht ſeine Ideale im Ewigen und Unvergänglichen
gewurzelt ſind. Und darum ſage ich: Die Götzen, die
ſcheinbar ſo harmlos dumm grinſend in die Welt
hineinſchauen, ſie ſind die böſen Geiſter der Heiden, ſie
hängen ſich mit ihrer ganzen materiellen Schwere an
die Seelen der Heiden, daß ſie den Flug nach oben
nicht thun können. Die Götzen ſchaffen immer auf das
Neue wieder die materielle Weltanſchauung der Heiden
und halten ſie feſt in geiſtiger Beſchränktheit und ſitt-
licher Verkommenheit. Was kann aus einem Volke
werden, deſſen höchſte Ideale in dieſen Götzen verkörpert
ſind! Da erklärt ſich leicht, warum die Heilige Schrift
ſo ſehr gegen den Götzendienſt eifert, warum der Apoſtel
Paulus von den Götzen nicht nur als von toten und
nichtſeienden (1. Kor. 8, 4), ſondern auch als von
Dämonen, d. h. böſen Geiſtern und Göttern redet
(1. Kor. 10, 20). Die Götzen, wenn ſie gleich ſchwach
und armſelig ſind (Gal. 4, 9), ſind die Urheber des
ganzen geiſtigen Elendes der Heidenwelt und die wich-
tigſte Erkenntnis, die es für dieſe giebt, heißt: „Gott
iſt Geiſt, und die ihn anbeten, müſſen ihn im Geiſt und
in der Wahrheit anbeten“.

Gegenüber dieſem Einen ſind alle äußeren Ge-
brechen des Heidentums, wie die Witwenverbrennungen
in Indien, die Kinderausſetzung in China und ſelbſt
der Kannibalismus der Südſeeinſulaner, nur Neben-
ſachen. Sie ſind nur die Folgen der Götzenverehrung,
und wenn ſie auch zu ihrer Zeit treffliche Illuſtrationen
abgeben, ſo iſt doch nicht auf ſie, ſondern auf die geiſtige
Not des Götzendienſtes das Hauptgewicht zu legen. Es
iſt eine Erfahrung, die durch die Urteile vieler und
nicht der ſchlechteſten Laien beſtätigt wird, daß gerade
die Miſſionskreiſe in dieſer Beziehung manches gefehlt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="237"/>
nicht &#x017F;eine Ideale im Ewigen und Unvergänglichen<lb/>
gewurzelt &#x017F;ind. Und darum &#x017F;age ich: Die Götzen, die<lb/>
&#x017F;cheinbar &#x017F;o harmlos dumm grin&#x017F;end in die Welt<lb/>
hinein&#x017F;chauen, &#x017F;ie &#x017F;ind die bö&#x017F;en Gei&#x017F;ter der Heiden, &#x017F;ie<lb/>
hängen &#x017F;ich mit ihrer ganzen materiellen Schwere an<lb/>
die Seelen der Heiden, daß &#x017F;ie den Flug nach oben<lb/>
nicht thun können. Die Götzen &#x017F;chaffen immer auf das<lb/>
Neue wieder die materielle Weltan&#x017F;chauung der Heiden<lb/>
und halten &#x017F;ie fe&#x017F;t in gei&#x017F;tiger Be&#x017F;chränktheit und &#x017F;itt-<lb/>
licher Verkommenheit. Was kann aus einem Volke<lb/>
werden, de&#x017F;&#x017F;en höch&#x017F;te Ideale in die&#x017F;en Götzen verkörpert<lb/>
&#x017F;ind! Da erklärt &#x017F;ich leicht, warum die Heilige Schrift<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr gegen den Götzendien&#x017F;t eifert, warum der Apo&#x017F;tel<lb/>
Paulus von den Götzen nicht nur als von toten und<lb/>
nicht&#x017F;eienden (1. Kor. 8, 4), &#x017F;ondern auch als von<lb/>
Dämonen, d. h. bö&#x017F;en Gei&#x017F;tern und Göttern redet<lb/>
(1. Kor. 10, 20). Die Götzen, wenn &#x017F;ie gleich &#x017F;chwach<lb/>
und arm&#x017F;elig &#x017F;ind (Gal. 4, 9), &#x017F;ind die Urheber des<lb/>
ganzen gei&#x017F;tigen Elendes der Heidenwelt und die wich-<lb/>
tig&#x017F;te Erkenntnis, die es für die&#x017F;e giebt, heißt: &#x201E;Gott<lb/>
i&#x017F;t Gei&#x017F;t, und die ihn anbeten, mü&#x017F;&#x017F;en ihn im Gei&#x017F;t und<lb/>
in der Wahrheit anbeten&#x201C;.</p><lb/>
        <p>Gegenüber die&#x017F;em Einen &#x017F;ind alle äußeren Ge-<lb/>
brechen des Heidentums, wie die Witwenverbrennungen<lb/>
in Indien, die Kinderaus&#x017F;etzung in China und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
der Kannibalismus der Süd&#x017F;eein&#x017F;ulaner, nur Neben-<lb/>
&#x017F;achen. Sie &#x017F;ind nur die Folgen der Götzenverehrung,<lb/>
und wenn &#x017F;ie auch zu ihrer Zeit treffliche Illu&#x017F;trationen<lb/>
abgeben, &#x017F;o i&#x017F;t doch nicht auf &#x017F;ie, &#x017F;ondern auf die gei&#x017F;tige<lb/>
Not des Götzendien&#x017F;tes das Hauptgewicht zu legen. Es<lb/>
i&#x017F;t eine Erfahrung, die durch die Urteile vieler und<lb/>
nicht der &#x017F;chlechte&#x017F;ten Laien be&#x017F;tätigt wird, daß gerade<lb/>
die Mi&#x017F;&#x017F;ionskrei&#x017F;e in die&#x017F;er Beziehung manches gefehlt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0251] nicht ſeine Ideale im Ewigen und Unvergänglichen gewurzelt ſind. Und darum ſage ich: Die Götzen, die ſcheinbar ſo harmlos dumm grinſend in die Welt hineinſchauen, ſie ſind die böſen Geiſter der Heiden, ſie hängen ſich mit ihrer ganzen materiellen Schwere an die Seelen der Heiden, daß ſie den Flug nach oben nicht thun können. Die Götzen ſchaffen immer auf das Neue wieder die materielle Weltanſchauung der Heiden und halten ſie feſt in geiſtiger Beſchränktheit und ſitt- licher Verkommenheit. Was kann aus einem Volke werden, deſſen höchſte Ideale in dieſen Götzen verkörpert ſind! Da erklärt ſich leicht, warum die Heilige Schrift ſo ſehr gegen den Götzendienſt eifert, warum der Apoſtel Paulus von den Götzen nicht nur als von toten und nichtſeienden (1. Kor. 8, 4), ſondern auch als von Dämonen, d. h. böſen Geiſtern und Göttern redet (1. Kor. 10, 20). Die Götzen, wenn ſie gleich ſchwach und armſelig ſind (Gal. 4, 9), ſind die Urheber des ganzen geiſtigen Elendes der Heidenwelt und die wich- tigſte Erkenntnis, die es für dieſe giebt, heißt: „Gott iſt Geiſt, und die ihn anbeten, müſſen ihn im Geiſt und in der Wahrheit anbeten“. Gegenüber dieſem Einen ſind alle äußeren Ge- brechen des Heidentums, wie die Witwenverbrennungen in Indien, die Kinderausſetzung in China und ſelbſt der Kannibalismus der Südſeeinſulaner, nur Neben- ſachen. Sie ſind nur die Folgen der Götzenverehrung, und wenn ſie auch zu ihrer Zeit treffliche Illuſtrationen abgeben, ſo iſt doch nicht auf ſie, ſondern auf die geiſtige Not des Götzendienſtes das Hauptgewicht zu legen. Es iſt eine Erfahrung, die durch die Urteile vieler und nicht der ſchlechteſten Laien beſtätigt wird, daß gerade die Miſſionskreiſe in dieſer Beziehung manches gefehlt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/251
Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/251>, abgerufen am 13.06.2024.