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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Nun begann Janes auch noch zu predigen, und bald
wurden die Schüler so bewegt, daß vierzig von ihnen
sich zum Christentum bekannten. Im Anfang 1876
loderte die Glaubensglut zu hellen Flammen auf. Die
christlichen Schüler zogen auf einen Hügel in der Nähe
der Stadt und schlossen unter Schwüren der Treue einen
Bund. Aber die Nachricht davon verbreitete sich rasch,
und nun begann eine regelrechte Verfolgung. Die meisten
Väter holten ihre Söhne heim, durch Drohungen und
Bitten suchte man sie zum Abfall zu bewegen. Manche
waren drei und vier Monate lang eingesperrt und er-
litten eine grausame Behandlung. Eine Mutter war
nur schwer davon abzubringen, Harakiri zu begehen, um
das Verbrechen ihres Sohnes zu sühnen. Aber nur
wenige verleugneten ihren Glauben, die andern blieben
treu, ob sie gleich, von Vater und Mutter verflucht,
aus ihrem Elternhaus verstoßen wurden. Im Herbste
1876 mußte Kapitain Janes, dessen Leben mehr als
einmal in Gefahr war, Kumamoto verlassen; seine treuen
Schüler aber bezogen die kurz zuvor gegründete Doshisha.

Kein Wunder, daß mit solchen Schülern und mit
einem Nishima an der Spitze der Ruf der Doshisha
bald über das ganze Land hin verbreitet war. Kein
Wunder auch, daß die übrigen Missionsgesellschaften sehr
bald mit ähnlichen Gründungen nachfolgten. Die nächsten
waren die Presbyterianer, die sich im Jahre 1877 mit
den ihnen verwandten Gesellschaften, unter welchen be-
sonders die Dutch Reformed Church (D. R. C.) hervorragt,
zu einer gemeinsamen Kirche unter dem Namen Nippon
Kristo Ichi Kyokwai
(Vereinigte Kirche Christi in Japan)
zusammengeschlossen hatten. Noch in demselben Jahre
eröffneten sie die Theological Union School, welche sich
später zu der blühenden Meiji Gaku-in entwickelte. Auch

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Nun begann Janes auch noch zu predigen, und bald
wurden die Schüler ſo bewegt, daß vierzig von ihnen
ſich zum Chriſtentum bekannten. Im Anfang 1876
loderte die Glaubensglut zu hellen Flammen auf. Die
chriſtlichen Schüler zogen auf einen Hügel in der Nähe
der Stadt und ſchloſſen unter Schwüren der Treue einen
Bund. Aber die Nachricht davon verbreitete ſich raſch,
und nun begann eine regelrechte Verfolgung. Die meiſten
Väter holten ihre Söhne heim, durch Drohungen und
Bitten ſuchte man ſie zum Abfall zu bewegen. Manche
waren drei und vier Monate lang eingeſperrt und er-
litten eine grauſame Behandlung. Eine Mutter war
nur ſchwer davon abzubringen, Harakiri zu begehen, um
das Verbrechen ihres Sohnes zu ſühnen. Aber nur
wenige verleugneten ihren Glauben, die andern blieben
treu, ob ſie gleich, von Vater und Mutter verflucht,
aus ihrem Elternhaus verſtoßen wurden. Im Herbſte
1876 mußte Kapitain Janes, deſſen Leben mehr als
einmal in Gefahr war, Kumamoto verlaſſen; ſeine treuen
Schüler aber bezogen die kurz zuvor gegründete Doſhiſha.

Kein Wunder, daß mit ſolchen Schülern und mit
einem Niſhima an der Spitze der Ruf der Doſhiſha
bald über das ganze Land hin verbreitet war. Kein
Wunder auch, daß die übrigen Miſſionsgeſellſchaften ſehr
bald mit ähnlichen Gründungen nachfolgten. Die nächſten
waren die Presbyterianer, die ſich im Jahre 1877 mit
den ihnen verwandten Geſellſchaften, unter welchen be-
ſonders die Dutch Reformed Church (D. R. C.) hervorragt,
zu einer gemeinſamen Kirche unter dem Namen Nippon
Kristo Ichi Kyokwai
(Vereinigte Kirche Chriſti in Japan)
zuſammengeſchloſſen hatten. Noch in demſelben Jahre
eröffneten ſie die Theological Union School, welche ſich
ſpäter zu der blühenden Meiji Gaku-in entwickelte. Auch

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[273/0287] Nun begann Janes auch noch zu predigen, und bald wurden die Schüler ſo bewegt, daß vierzig von ihnen ſich zum Chriſtentum bekannten. Im Anfang 1876 loderte die Glaubensglut zu hellen Flammen auf. Die chriſtlichen Schüler zogen auf einen Hügel in der Nähe der Stadt und ſchloſſen unter Schwüren der Treue einen Bund. Aber die Nachricht davon verbreitete ſich raſch, und nun begann eine regelrechte Verfolgung. Die meiſten Väter holten ihre Söhne heim, durch Drohungen und Bitten ſuchte man ſie zum Abfall zu bewegen. Manche waren drei und vier Monate lang eingeſperrt und er- litten eine grauſame Behandlung. Eine Mutter war nur ſchwer davon abzubringen, Harakiri zu begehen, um das Verbrechen ihres Sohnes zu ſühnen. Aber nur wenige verleugneten ihren Glauben, die andern blieben treu, ob ſie gleich, von Vater und Mutter verflucht, aus ihrem Elternhaus verſtoßen wurden. Im Herbſte 1876 mußte Kapitain Janes, deſſen Leben mehr als einmal in Gefahr war, Kumamoto verlaſſen; ſeine treuen Schüler aber bezogen die kurz zuvor gegründete Doſhiſha. Kein Wunder, daß mit ſolchen Schülern und mit einem Niſhima an der Spitze der Ruf der Doſhiſha bald über das ganze Land hin verbreitet war. Kein Wunder auch, daß die übrigen Miſſionsgeſellſchaften ſehr bald mit ähnlichen Gründungen nachfolgten. Die nächſten waren die Presbyterianer, die ſich im Jahre 1877 mit den ihnen verwandten Geſellſchaften, unter welchen be- ſonders die Dutch Reformed Church (D. R. C.) hervorragt, zu einer gemeinſamen Kirche unter dem Namen Nippon Kristo Ichi Kyokwai (Vereinigte Kirche Chriſti in Japan) zuſammengeſchloſſen hatten. Noch in demſelben Jahre eröffneten ſie die Theological Union School, welche ſich ſpäter zu der blühenden Meiji Gaku-in entwickelte. Auch 18

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/287>, abgerufen am 13.06.2024.