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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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darauf, daß der Missionsberuf Lebensberuf sein solle.
Der Missionar, welchem es aus irgend welchen Ursachen
nicht vergönnt war, dieser Forderung zu genügen,
empfindet, wenn anders er ehrlich gegen sich selbst ist,
die Berechtigung dieser Forderung selbst am schmerz-
lichsten. 1)

Auf dem Missionsfeld ist es keine leere Phrase,
von der streitenden Kirche zu sprechen. Der Missionar
draußen steht im Felde, er ist ein Kämpfer, ein Krieger.
Der Preis, um den er kämpft, sind Menschenseelen.
Bei diesem Ringen um Seelen aber besteht die Gefahr,
daß auch das Seelenleben des Kämpfers nicht bloß an-
geregt, sondern aufgerieben wird. Was die Kräfte
christlicher Sendboten in Japan verzehrt und ihre
Gesundheit vor der Zeit bricht, sind nicht äußere Ein-
flüsse; das ist vielmehr die Schwere der inneren Er-
fahrungen. Es giebt gegenwärtig kein Schlachtfeld, wo
die Geister heftiger aufeinander stoßen, kein Missions-
feld, wo der Kampf zwischen Altem und Neuem, zwischen
Aufklärung und Religion, zwischen Heidentum und
Christentum so heiß tobt und so leidenschaftlich geführt
wird wie in Japan. Es giebt kein Gebiet, wo so viele

1) Das gilt auch von dem Verfasser selbst. Von Anfang
1890 war er während 51/2 Jahren in Japan thätig. Zerrüttete
Gesundheitsverhältnisse nötigten ihn zur Erholung in der Heimat
und haben es ihm nicht wieder gestattet, wie er gewollt, nach
Japan zurückzukehren. Aber innerlich konnte er sich nicht so rasch
von dort losreißen, im Geiste unternahm er noch manche Wan-
derung in das eigenartig anziehende Leben dort drüben und so
entstanden in der friedlichen Stille einer kleinen pfälzischen Dorf-
pfarre diese Skizzen -- zwischen Ähren und Reben.
Die Schilderungen beruhen auf eigenen Anschauungen. An
wenigen Stellen sind Bücher zurate gezogen worden, weshalb die
Litteraturangaben beschränkt sind.

darauf, daß der Miſſionsberuf Lebensberuf ſein ſolle.
Der Miſſionar, welchem es aus irgend welchen Urſachen
nicht vergönnt war, dieſer Forderung zu genügen,
empfindet, wenn anders er ehrlich gegen ſich ſelbſt iſt,
die Berechtigung dieſer Forderung ſelbſt am ſchmerz-
lichſten. 1)

Auf dem Miſſionsfeld iſt es keine leere Phraſe,
von der ſtreitenden Kirche zu ſprechen. Der Miſſionar
draußen ſteht im Felde, er iſt ein Kämpfer, ein Krieger.
Der Preis, um den er kämpft, ſind Menſchenſeelen.
Bei dieſem Ringen um Seelen aber beſteht die Gefahr,
daß auch das Seelenleben des Kämpfers nicht bloß an-
geregt, ſondern aufgerieben wird. Was die Kräfte
chriſtlicher Sendboten in Japan verzehrt und ihre
Geſundheit vor der Zeit bricht, ſind nicht äußere Ein-
flüſſe; das iſt vielmehr die Schwere der inneren Er-
fahrungen. Es giebt gegenwärtig kein Schlachtfeld, wo
die Geiſter heftiger aufeinander ſtoßen, kein Miſſions-
feld, wo der Kampf zwiſchen Altem und Neuem, zwiſchen
Aufklärung und Religion, zwiſchen Heidentum und
Chriſtentum ſo heiß tobt und ſo leidenſchaftlich geführt
wird wie in Japan. Es giebt kein Gebiet, wo ſo viele

1) Das gilt auch von dem Verfaſſer ſelbſt. Von Anfang
1890 war er während 5½ Jahren in Japan thätig. Zerrüttete
Geſundheitsverhältniſſe nötigten ihn zur Erholung in der Heimat
und haben es ihm nicht wieder geſtattet, wie er gewollt, nach
Japan zurückzukehren. Aber innerlich konnte er ſich nicht ſo raſch
von dort losreißen, im Geiſte unternahm er noch manche Wan-
derung in das eigenartig anziehende Leben dort drüben und ſo
entſtanden in der friedlichen Stille einer kleinen pfälziſchen Dorf-
pfarre dieſe Skizzen — zwiſchen Ähren und Reben.
Die Schilderungen beruhen auf eigenen Anſchauungen. An
wenigen Stellen ſind Bücher zurate gezogen worden, weshalb die
Litteraturangaben beſchränkt ſind.
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[22/0036] darauf, daß der Miſſionsberuf Lebensberuf ſein ſolle. Der Miſſionar, welchem es aus irgend welchen Urſachen nicht vergönnt war, dieſer Forderung zu genügen, empfindet, wenn anders er ehrlich gegen ſich ſelbſt iſt, die Berechtigung dieſer Forderung ſelbſt am ſchmerz- lichſten. 1) Auf dem Miſſionsfeld iſt es keine leere Phraſe, von der ſtreitenden Kirche zu ſprechen. Der Miſſionar draußen ſteht im Felde, er iſt ein Kämpfer, ein Krieger. Der Preis, um den er kämpft, ſind Menſchenſeelen. Bei dieſem Ringen um Seelen aber beſteht die Gefahr, daß auch das Seelenleben des Kämpfers nicht bloß an- geregt, ſondern aufgerieben wird. Was die Kräfte chriſtlicher Sendboten in Japan verzehrt und ihre Geſundheit vor der Zeit bricht, ſind nicht äußere Ein- flüſſe; das iſt vielmehr die Schwere der inneren Er- fahrungen. Es giebt gegenwärtig kein Schlachtfeld, wo die Geiſter heftiger aufeinander ſtoßen, kein Miſſions- feld, wo der Kampf zwiſchen Altem und Neuem, zwiſchen Aufklärung und Religion, zwiſchen Heidentum und Chriſtentum ſo heiß tobt und ſo leidenſchaftlich geführt wird wie in Japan. Es giebt kein Gebiet, wo ſo viele 1) Das gilt auch von dem Verfaſſer ſelbſt. Von Anfang 1890 war er während 5½ Jahren in Japan thätig. Zerrüttete Geſundheitsverhältniſſe nötigten ihn zur Erholung in der Heimat und haben es ihm nicht wieder geſtattet, wie er gewollt, nach Japan zurückzukehren. Aber innerlich konnte er ſich nicht ſo raſch von dort losreißen, im Geiſte unternahm er noch manche Wan- derung in das eigenartig anziehende Leben dort drüben und ſo entſtanden in der friedlichen Stille einer kleinen pfälziſchen Dorf- pfarre dieſe Skizzen — zwiſchen Ähren und Reben. Die Schilderungen beruhen auf eigenen Anſchauungen. An wenigen Stellen ſind Bücher zurate gezogen worden, weshalb die Litteraturangaben beſchränkt ſind.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/36>, abgerufen am 30.04.2024.