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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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mischen Wissenschaft, zu Beförderung der
Menschenkunde und Menschenliebe. Diese
Knospe, hat als ein köstliches Auge, der
Mann Gottes Lavater, aus dem Treib-
haus seines Genies hergenommen, solches
auf den Stamm der allgemeinen Gelehr-
samkeit mit seiner fruchtbaren Hand ein-
geimpft, welches denn herrlich geschoben,
und reiche Früchte trägt zum Nutz der Men-
schen. Für solchen herrlichen Zweig, des
ganzen Baumes Zier, wollt' ich alle Aeste
der spekulatifen' Philosophie, die ohnehin
schon ziemlich verdruckt und kahl da stehen,
ohn' Bedauerniß absägen sehen, wenn sie
ienem im Weg stünden und seinen Wachs-
thum hinderten. Wird auch wohl noch
dahin kommen. -- Was sagt der Herr
dazu?

M. Gr. Daß Sie eine schlimme
Sache mit vieler Wärme vertheidigen:
doch ich will Jhnen über ieden Punkt be-
sonders meine Meinung sagen. Ueber den
Zustand unsrer schönen Litteratur, wähle
ich das weise epekhein unsrer alten Theolo-
gen vor der Hand: eine Parallele zwischen
den Produkten der Alten und unsern Natio-
nalprodukten wäre hier zu weitläuftig, das

Resultat

miſchen Wiſſenſchaft, zu Befoͤrderung der
Menſchenkunde und Menſchenliebe. Dieſe
Knoſpe, hat als ein koͤſtliches Auge, der
Mann Gottes Lavater, aus dem Treib-
haus ſeines Genies hergenommen, ſolches
auf den Stamm der allgemeinen Gelehr-
ſamkeit mit ſeiner fruchtbaren Hand ein-
geimpft, welches denn herrlich geſchoben,
und reiche Fruͤchte traͤgt zum Nutz der Men-
ſchen. Fuͤr ſolchen herrlichen Zweig, des
ganzen Baumes Zier, wollt’ ich alle Aeſte
der ſpekulatifen’ Philoſophie, die ohnehin
ſchon ziemlich verdruckt und kahl da ſtehen,
ohn’ Bedauerniß abſaͤgen ſehen, wenn ſie
ienem im Weg ſtuͤnden und ſeinen Wachs-
thum hinderten. Wird auch wohl noch
dahin kommen. — Was ſagt der Herr
dazu?

M. Gr. Daß Sie eine ſchlimme
Sache mit vieler Waͤrme vertheidigen:
doch ich will Jhnen uͤber ieden Punkt be-
ſonders meine Meinung ſagen. Ueber den
Zuſtand unſrer ſchoͤnen Litteratur, waͤhle
ich das weiſe ἐπεχειν unſrer alten Theolo-
gen vor der Hand: eine Parallele zwiſchen
den Produkten der Alten und unſern Natio-
nalprodukten waͤre hier zu weitlaͤuftig, das

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[172/0178] miſchen Wiſſenſchaft, zu Befoͤrderung der Menſchenkunde und Menſchenliebe. Dieſe Knoſpe, hat als ein koͤſtliches Auge, der Mann Gottes Lavater, aus dem Treib- haus ſeines Genies hergenommen, ſolches auf den Stamm der allgemeinen Gelehr- ſamkeit mit ſeiner fruchtbaren Hand ein- geimpft, welches denn herrlich geſchoben, und reiche Fruͤchte traͤgt zum Nutz der Men- ſchen. Fuͤr ſolchen herrlichen Zweig, des ganzen Baumes Zier, wollt’ ich alle Aeſte der ſpekulatifen’ Philoſophie, die ohnehin ſchon ziemlich verdruckt und kahl da ſtehen, ohn’ Bedauerniß abſaͤgen ſehen, wenn ſie ienem im Weg ſtuͤnden und ſeinen Wachs- thum hinderten. Wird auch wohl noch dahin kommen. — Was ſagt der Herr dazu? M. Gr. Daß Sie eine ſchlimme Sache mit vieler Waͤrme vertheidigen: doch ich will Jhnen uͤber ieden Punkt be- ſonders meine Meinung ſagen. Ueber den Zuſtand unſrer ſchoͤnen Litteratur, waͤhle ich das weiſe ἐπεχειν unſrer alten Theolo- gen vor der Hand: eine Parallele zwiſchen den Produkten der Alten und unſern Natio- nalprodukten waͤre hier zu weitlaͤuftig, das Reſultat

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/178>, abgerufen am 19.05.2024.