Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

seyn scheinet, den die Natur allen fein or-
ganisirten Geschöpfen eingepflanzt hat. Wer
sieht nicht, daß zwey fremde Hähn' auf ei-
nem Hofe, eh sie ihren Wettstreit anheben,
und in der Zwischenzeit der Ruhe, bevor sie
einen neuen Gang beginnen, einander aufs
schärfste physiognomisiren? Die Katzen des-
gleichen, sind die unverdrossendsten aushar-
rendesten Physiognomisten, die wahresten
Gegenstände der Kunst, eines besondern
Fragments, oder eines ganzen Bandes
würdig, pflegen zu gewissen Zeiten Stun-
denlang mit halbzublinzenden Augen einan-
der zu beobachten, und ihre physiognomi-
schen Entdeckungen sich wechselseitig entge-
gen zu miaulen. Widder, Stiere, Hirsche
und andere Thiere, tragen ihren Fehdebrief,
mit Buchstaben, die ihrer Gegenpart leser-
lich gnug sind, an der Stirn. Nur das
Hundegeschlecht weicht von dieser allgemei-
nen Regel ab, pflegt unter seines Gleichen,

und
J

ſeyn ſcheinet, den die Natur allen fein or-
ganiſirten Geſchoͤpfen eingepflanzt hat. Wer
ſieht nicht, daß zwey fremde Haͤhn’ auf ei-
nem Hofe, eh ſie ihren Wettſtreit anheben,
und in der Zwiſchenzeit der Ruhe, bevor ſie
einen neuen Gang beginnen, einander aufs
ſchaͤrfſte phyſiognomiſiren? Die Katzen des-
gleichen, ſind die unverdroſſendſten aushar-
rendeſten Phyſiognomiſten, die wahreſten
Gegenſtaͤnde der Kunſt, eines beſondern
Fragments, oder eines ganzen Bandes
wuͤrdig, pflegen zu gewiſſen Zeiten Stun-
denlang mit halbzublinzenden Augen einan-
der zu beobachten, und ihre phyſiognomi-
ſchen Entdeckungen ſich wechſelſeitig entge-
gen zu miaulen. Widder, Stiere, Hirſche
und andere Thiere, tragen ihren Fehdebrief,
mit Buchſtaben, die ihrer Gegenpart leſer-
lich gnug ſind, an der Stirn. Nur das
Hundegeſchlecht weicht von dieſer allgemei-
nen Regel ab, pflegt unter ſeines Gleichen,

und
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="129"/>
&#x017F;eyn &#x017F;cheinet, den die Natur allen fein or-<lb/>
gani&#x017F;irten Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen eingepflanzt hat. Wer<lb/>
&#x017F;ieht nicht, daß zwey fremde Ha&#x0364;hn&#x2019; auf ei-<lb/>
nem Hofe, eh &#x017F;ie ihren Wett&#x017F;treit anheben,<lb/>
und in der Zwi&#x017F;chenzeit der Ruhe, bevor &#x017F;ie<lb/>
einen neuen Gang beginnen, einander aufs<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;te phy&#x017F;iognomi&#x017F;iren? Die Katzen des-<lb/>
gleichen, &#x017F;ind die unverdro&#x017F;&#x017F;end&#x017F;ten aushar-<lb/>
rende&#x017F;ten Phy&#x017F;iognomi&#x017F;ten, die wahre&#x017F;ten<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde der Kun&#x017F;t, eines be&#x017F;ondern<lb/>
Fragments, oder eines ganzen Bandes<lb/>
wu&#x0364;rdig, pflegen zu gewi&#x017F;&#x017F;en Zeiten Stun-<lb/>
denlang mit halbzublinzenden Augen einan-<lb/>
der zu beobachten, und ihre phy&#x017F;iognomi-<lb/>
&#x017F;chen Entdeckungen &#x017F;ich wech&#x017F;el&#x017F;eitig entge-<lb/>
gen zu miaulen. Widder, Stiere, Hir&#x017F;che<lb/>
und andere Thiere, tragen ihren Fehdebrief,<lb/>
mit Buch&#x017F;taben, die ihrer Gegenpart le&#x017F;er-<lb/>
lich gnug &#x017F;ind, an der Stirn. Nur das<lb/>
Hundege&#x017F;chlecht weicht von die&#x017F;er allgemei-<lb/>
nen Regel ab, pflegt unter &#x017F;eines Gleichen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0129] ſeyn ſcheinet, den die Natur allen fein or- ganiſirten Geſchoͤpfen eingepflanzt hat. Wer ſieht nicht, daß zwey fremde Haͤhn’ auf ei- nem Hofe, eh ſie ihren Wettſtreit anheben, und in der Zwiſchenzeit der Ruhe, bevor ſie einen neuen Gang beginnen, einander aufs ſchaͤrfſte phyſiognomiſiren? Die Katzen des- gleichen, ſind die unverdroſſendſten aushar- rendeſten Phyſiognomiſten, die wahreſten Gegenſtaͤnde der Kunſt, eines beſondern Fragments, oder eines ganzen Bandes wuͤrdig, pflegen zu gewiſſen Zeiten Stun- denlang mit halbzublinzenden Augen einan- der zu beobachten, und ihre phyſiognomi- ſchen Entdeckungen ſich wechſelſeitig entge- gen zu miaulen. Widder, Stiere, Hirſche und andere Thiere, tragen ihren Fehdebrief, mit Buchſtaben, die ihrer Gegenpart leſer- lich gnug ſind, an der Stirn. Nur das Hundegeſchlecht weicht von dieſer allgemei- nen Regel ab, pflegt unter ſeines Gleichen, und J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/129
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/129>, abgerufen am 29.04.2024.