Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte. Im Hotel war es noch ziemlich lebendig,
auf dem Flur traf sie den kleinen Laufburschen, der
im Sommer ihrem Manne den Thee besorgen mußte,
und der auch jedenfalls damals das Zwiegespräch mit
einem Kameraden gehalten.

Wo ist mein Mann? fragte Klärchen.

In seiner Stube, ich muß ihm wieder Thee ko¬
chen, sagte der Junge spöttisch.

Erschrocken lief Klärchen dahin und fand ihren
Mann in einem Zustande, wie sie ihn noch nie gese¬
hen hatte. Er saß vor dem Tisch, schlug mit beiden
Fäusten darauf und lallte: Zehn tausend Thaler, --
fünf tausend Thaler, -- das soll gehen, -- das muß
gehen. -- Klärchen schloß schnell die Thür hinter sich.
Um Gottes Willen, Günther! rief sie: Du bist be¬
trunken !

Betrunken? wiederholte Günther erschrocken und
wollte sich in gewohnter Weise zusammennehmen, aber
es ging nicht, er fiel zusammen und lallte wieder un¬
verständliche Worte. Jetzt klopfte es an der Thür.
Klärchen fragte, wer da sei.

Ich bringe den Thee, rief der Laufbursche, und
Herr Reinhard will den Herrn Eduard sprechen.

Klärchen verließ die Stube, nahm dem Burschen
den Thee ab und wechselte mit Herrn Reinhard einige
Worte. Der schien die Fabel von dem Unwohlsein
zu glauben und entfernte sich. Klärchen aber warf
ihrem Mann einen Paletot um, setzte ihm den Hut
auf und führte ihn, nachdem sie gelauscht, ob Nie¬
mand auf der Treppe und auf dem Flur sei, zum
Hause hinaus. In ihrer Wohnung aber brachen ihre

konnte. Im Hotel war es noch ziemlich lebendig,
auf dem Flur traf ſie den kleinen Laufburſchen, der
im Sommer ihrem Manne den Thee beſorgen mußte,
und der auch jedenfalls damals das Zwiegeſpräch mit
einem Kameraden gehalten.

Wo iſt mein Mann? fragte Klärchen.

In ſeiner Stube, ich muß ihm wieder Thee ko¬
chen, ſagte der Junge ſpöttiſch.

Erſchrocken lief Klärchen dahin und fand ihren
Mann in einem Zuſtande, wie ſie ihn noch nie geſe¬
hen hatte. Er ſaß vor dem Tiſch, ſchlug mit beiden
Fäuſten darauf und lallte: Zehn tauſend Thaler, —
fünf tauſend Thaler, — das ſoll gehen, — das muß
gehen. — Klärchen ſchloß ſchnell die Thür hinter ſich.
Um Gottes Willen, Günther! rief ſie: Du biſt be¬
trunken !

Betrunken? wiederholte Günther erſchrocken und
wollte ſich in gewohnter Weiſe zuſammennehmen, aber
es ging nicht, er fiel zuſammen und lallte wieder un¬
verſtändliche Worte. Jetzt klopfte es an der Thür.
Klärchen fragte, wer da ſei.

Ich bringe den Thee, rief der Laufburſche, und
Herr Reinhard will den Herrn Eduard ſprechen.

Klärchen verließ die Stube, nahm dem Burſchen
den Thee ab und wechſelte mit Herrn Reinhard einige
Worte. Der ſchien die Fabel von dem Unwohlſein
zu glauben und entfernte ſich. Klärchen aber warf
ihrem Mann einen Paletot um, ſetzte ihm den Hut
auf und führte ihn, nachdem ſie gelauſcht, ob Nie¬
mand auf der Treppe und auf dem Flur ſei, zum
Hauſe hinaus. In ihrer Wohnung aber brachen ihre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0106" n="100"/>
konnte. Im Hotel war es noch ziemlich lebendig,<lb/>
auf dem Flur traf &#x017F;ie den kleinen Laufbur&#x017F;chen, der<lb/>
im Sommer ihrem Manne den Thee be&#x017F;orgen mußte,<lb/>
und der auch jedenfalls damals das Zwiege&#x017F;präch mit<lb/>
einem Kameraden gehalten.</p><lb/>
      <p>Wo i&#x017F;t mein Mann? fragte Klärchen.</p><lb/>
      <p>In &#x017F;einer Stube, ich muß ihm wieder Thee ko¬<lb/>
chen, &#x017F;agte der Junge &#x017F;pötti&#x017F;ch.</p><lb/>
      <p>Er&#x017F;chrocken lief Klärchen dahin und fand ihren<lb/>
Mann in einem Zu&#x017F;tande, wie &#x017F;ie ihn noch nie ge&#x017F;<lb/>
hen hatte. Er &#x017F;aß vor dem Ti&#x017F;ch, &#x017F;chlug mit beiden<lb/>
Fäu&#x017F;ten darauf und lallte: Zehn tau&#x017F;end Thaler, &#x2014;<lb/>
fünf tau&#x017F;end Thaler, &#x2014; das &#x017F;oll gehen, &#x2014; das muß<lb/>
gehen. &#x2014; Klärchen &#x017F;chloß &#x017F;chnell die Thür hinter &#x017F;ich.<lb/>
Um Gottes Willen, Günther! rief &#x017F;ie: Du bi&#x017F;t be¬<lb/>
trunken !</p><lb/>
      <p>Betrunken? wiederholte Günther er&#x017F;chrocken und<lb/>
wollte &#x017F;ich in gewohnter Wei&#x017F;e zu&#x017F;ammennehmen, aber<lb/>
es ging nicht, er fiel zu&#x017F;ammen und lallte wieder un¬<lb/>
ver&#x017F;tändliche Worte. Jetzt klopfte es an der Thür.<lb/>
Klärchen fragte, wer da &#x017F;ei.</p><lb/>
      <p>Ich bringe den Thee, rief der Laufbur&#x017F;che, und<lb/>
Herr Reinhard will den Herrn Eduard &#x017F;prechen.</p><lb/>
      <p>Klärchen verließ die Stube, nahm dem Bur&#x017F;chen<lb/>
den Thee ab und wech&#x017F;elte mit Herrn Reinhard einige<lb/>
Worte. Der &#x017F;chien die Fabel von dem Unwohl&#x017F;ein<lb/>
zu glauben und entfernte &#x017F;ich. Klärchen aber warf<lb/>
ihrem Mann einen Paletot um, &#x017F;etzte ihm den Hut<lb/>
auf und führte ihn, nachdem &#x017F;ie gelau&#x017F;cht, ob Nie¬<lb/>
mand auf der Treppe und auf dem Flur &#x017F;ei, zum<lb/>
Hau&#x017F;e hinaus. In ihrer Wohnung aber brachen ihre<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0106] konnte. Im Hotel war es noch ziemlich lebendig, auf dem Flur traf ſie den kleinen Laufburſchen, der im Sommer ihrem Manne den Thee beſorgen mußte, und der auch jedenfalls damals das Zwiegeſpräch mit einem Kameraden gehalten. Wo iſt mein Mann? fragte Klärchen. In ſeiner Stube, ich muß ihm wieder Thee ko¬ chen, ſagte der Junge ſpöttiſch. Erſchrocken lief Klärchen dahin und fand ihren Mann in einem Zuſtande, wie ſie ihn noch nie geſe¬ hen hatte. Er ſaß vor dem Tiſch, ſchlug mit beiden Fäuſten darauf und lallte: Zehn tauſend Thaler, — fünf tauſend Thaler, — das ſoll gehen, — das muß gehen. — Klärchen ſchloß ſchnell die Thür hinter ſich. Um Gottes Willen, Günther! rief ſie: Du biſt be¬ trunken ! Betrunken? wiederholte Günther erſchrocken und wollte ſich in gewohnter Weiſe zuſammennehmen, aber es ging nicht, er fiel zuſammen und lallte wieder un¬ verſtändliche Worte. Jetzt klopfte es an der Thür. Klärchen fragte, wer da ſei. Ich bringe den Thee, rief der Laufburſche, und Herr Reinhard will den Herrn Eduard ſprechen. Klärchen verließ die Stube, nahm dem Burſchen den Thee ab und wechſelte mit Herrn Reinhard einige Worte. Der ſchien die Fabel von dem Unwohlſein zu glauben und entfernte ſich. Klärchen aber warf ihrem Mann einen Paletot um, ſetzte ihm den Hut auf und führte ihn, nachdem ſie gelauſcht, ob Nie¬ mand auf der Treppe und auf dem Flur ſei, zum Hauſe hinaus. In ihrer Wohnung aber brachen ihre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/106
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/106>, abgerufen am 03.05.2024.