Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Klärchen, ich hätte geglaubt, du hättest uns nicht
so sehr überrascht mit einer so wichtigen Sache, sagte
sie mit einem leisen Vorwurf im Tone.

Klärchen entschuldigte sich damit, daß es so schnell
gekommen, und mit Aehnlichem. Der Bräutigam hatte
während dessen seine Fassung vollständig wieder gewon¬
nen und spielte den Beleidigten.

Ich hoffe, daß Sie gegen meine Person nichts
einzuwenden haben, -- sagte er gereizt, -- und daß
ich Ihnen ein willkommener Neffe bin. Meine Ver¬
hältnisse sind von der Art, daß ich mich Ihnen getrost
als solcher nahen darf.

Verzeihen Sie, Herr Günther, entgegnete die
Tante sanft, ich wünschte nur, Klärchen hätte mehr
Zutrauen zu mir gehabt. Gegen Sie bin ich ganz
unpartheiisch, denn ich versichere Sie, daß Sie uns
ganz unbekannt sind; weder ich noch meine Tochter
haben je Ihren Namen gehört.

Ich kenne den Herrn wohl, -- sagte Gretchen
jetzt leise, aber mit unverkennbarem scharfem Aus¬
druck.

Ich wüßte nicht, stotterte Eduard; vielleicht so
vorübergehend, vielleicht im Theater oder in einem
Kaffeegarten.

Gretchen schüttelte den Kopf und schwieg, und
Eduard ging leicht darüber hin und knüpfte eine leb¬
hafte Unterhaltung an. Tante Rieke aber blieb ziem¬
lich schweigsam, und Gretchen und Klärchen schwiegen
auch, bis zu aller Erleichterung der Besuch ein Ende
hatte.

6 *

Klärchen, ich hätte geglaubt, du hätteſt uns nicht
ſo ſehr überraſcht mit einer ſo wichtigen Sache, ſagte
ſie mit einem leiſen Vorwurf im Tone.

Klärchen entſchuldigte ſich damit, daß es ſo ſchnell
gekommen, und mit Aehnlichem. Der Bräutigam hatte
während deſſen ſeine Faſſung vollſtändig wieder gewon¬
nen und ſpielte den Beleidigten.

Ich hoffe, daß Sie gegen meine Perſon nichts
einzuwenden haben, — ſagte er gereizt, — und daß
ich Ihnen ein willkommener Neffe bin. Meine Ver¬
hältniſſe ſind von der Art, daß ich mich Ihnen getroſt
als ſolcher nahen darf.

Verzeihen Sie, Herr Günther, entgegnete die
Tante ſanft, ich wünſchte nur, Klärchen hätte mehr
Zutrauen zu mir gehabt. Gegen Sie bin ich ganz
unpartheiiſch, denn ich verſichere Sie, daß Sie uns
ganz unbekannt ſind; weder ich noch meine Tochter
haben je Ihren Namen gehört.

Ich kenne den Herrn wohl, — ſagte Gretchen
jetzt leiſe, aber mit unverkennbarem ſcharfem Aus¬
druck.

Ich wüßte nicht, ſtotterte Eduard; vielleicht ſo
vorübergehend, vielleicht im Theater oder in einem
Kaffeegarten.

Gretchen ſchüttelte den Kopf und ſchwieg, und
Eduard ging leicht darüber hin und knüpfte eine leb¬
hafte Unterhaltung an. Tante Rieke aber blieb ziem¬
lich ſchweigſam, und Gretchen und Klärchen ſchwiegen
auch, bis zu aller Erleichterung der Beſuch ein Ende
hatte.

6 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0089" n="83"/>
      <p>Klärchen, ich hätte geglaubt, du hätte&#x017F;t uns nicht<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr überra&#x017F;cht mit einer &#x017F;o wichtigen Sache, &#x017F;agte<lb/>
&#x017F;ie mit einem lei&#x017F;en Vorwurf im Tone.</p><lb/>
      <p>Klärchen ent&#x017F;chuldigte &#x017F;ich damit, daß es &#x017F;o &#x017F;chnell<lb/>
gekommen, und mit Aehnlichem. Der Bräutigam hatte<lb/>
während de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine Fa&#x017F;&#x017F;ung voll&#x017F;tändig wieder gewon¬<lb/>
nen und &#x017F;pielte den Beleidigten.</p><lb/>
      <p>Ich hoffe, daß Sie gegen meine Per&#x017F;on nichts<lb/>
einzuwenden haben, &#x2014; &#x017F;agte er gereizt, &#x2014; und daß<lb/>
ich Ihnen ein willkommener Neffe bin. Meine Ver¬<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind von der Art, daß ich mich Ihnen getro&#x017F;t<lb/>
als &#x017F;olcher nahen darf.</p><lb/>
      <p>Verzeihen Sie, Herr Günther, entgegnete die<lb/>
Tante &#x017F;anft, ich wün&#x017F;chte nur, Klärchen hätte mehr<lb/>
Zutrauen zu mir gehabt. Gegen Sie bin ich ganz<lb/>
unpartheii&#x017F;ch, denn ich ver&#x017F;ichere Sie, daß Sie uns<lb/>
ganz unbekannt &#x017F;ind; weder ich noch meine Tochter<lb/>
haben je Ihren Namen gehört.</p><lb/>
      <p>Ich kenne den Herrn wohl, &#x2014; &#x017F;agte Gretchen<lb/>
jetzt lei&#x017F;e, aber mit unverkennbarem &#x017F;charfem Aus¬<lb/>
druck.</p><lb/>
      <p>Ich wüßte nicht, &#x017F;totterte Eduard; vielleicht &#x017F;o<lb/>
vorübergehend, vielleicht im Theater oder in einem<lb/>
Kaffeegarten.</p><lb/>
      <p>Gretchen &#x017F;chüttelte den Kopf und &#x017F;chwieg, und<lb/>
Eduard ging leicht darüber hin und knüpfte eine leb¬<lb/>
hafte Unterhaltung an. Tante Rieke aber blieb ziem¬<lb/>
lich &#x017F;chweig&#x017F;am, und Gretchen und Klärchen &#x017F;chwiegen<lb/>
auch, bis zu aller Erleichterung der Be&#x017F;uch ein Ende<lb/>
hatte.<lb/></p>
      <fw place="bottom" type="sig">6 *<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0089] Klärchen, ich hätte geglaubt, du hätteſt uns nicht ſo ſehr überraſcht mit einer ſo wichtigen Sache, ſagte ſie mit einem leiſen Vorwurf im Tone. Klärchen entſchuldigte ſich damit, daß es ſo ſchnell gekommen, und mit Aehnlichem. Der Bräutigam hatte während deſſen ſeine Faſſung vollſtändig wieder gewon¬ nen und ſpielte den Beleidigten. Ich hoffe, daß Sie gegen meine Perſon nichts einzuwenden haben, — ſagte er gereizt, — und daß ich Ihnen ein willkommener Neffe bin. Meine Ver¬ hältniſſe ſind von der Art, daß ich mich Ihnen getroſt als ſolcher nahen darf. Verzeihen Sie, Herr Günther, entgegnete die Tante ſanft, ich wünſchte nur, Klärchen hätte mehr Zutrauen zu mir gehabt. Gegen Sie bin ich ganz unpartheiiſch, denn ich verſichere Sie, daß Sie uns ganz unbekannt ſind; weder ich noch meine Tochter haben je Ihren Namen gehört. Ich kenne den Herrn wohl, — ſagte Gretchen jetzt leiſe, aber mit unverkennbarem ſcharfem Aus¬ druck. Ich wüßte nicht, ſtotterte Eduard; vielleicht ſo vorübergehend, vielleicht im Theater oder in einem Kaffeegarten. Gretchen ſchüttelte den Kopf und ſchwieg, und Eduard ging leicht darüber hin und knüpfte eine leb¬ hafte Unterhaltung an. Tante Rieke aber blieb ziem¬ lich ſchweigſam, und Gretchen und Klärchen ſchwiegen auch, bis zu aller Erleichterung der Beſuch ein Ende hatte. 6 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/89
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/89>, abgerufen am 13.05.2024.