Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Jemand hatte die ertheilte Anweisung zu ih-
rem Anbau recht begriffen. Wer sie also
nicht geradezu, in seiner getäuschten Erwar-
tung, auf den Kehrichthaufen warf, gieng
doch bei der Auspflanzung so verkehrt, als
möglich, zu Werke. Einige steckten sie hie
und da einzeln in die Erde, ohne sich weiter
um sie zu kümmern; Andre (und darunter
war auch meine liebe Großmutter mit ih-
rem, ihr zugefallenen Viert) glaubten das
Ding noch klüger anzugreifen, wenn sie diese
Kartoffeln beisammen auf Einen Haufen
schütteten und mit etwas Erde bedeckten.
Da wuchsen sie nun zu einem dichten Filz
in einander; und ich sehe noch oft in meinem
Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo
solchergestalt die gute Frau hierinn ihr erstes
Lehrgeld gab.

Nun mochten aber wohl die Herren vom
Rath gar bald in Erfahrung gebracht haben,
daß es unter den Empfängern viele lose Ver-
ächter gegeben, die ihren Schatz gar nicht
einmal der Erde anvertraut hätten. Dar-
um ward in den Sommer-Monaten durch
den Rathsdiener und Feldwächter eine allge-
meine und strenge Kartoffel-Schau ver-
anstaltet und den widerspenstig Befundenen
eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab
wiederum ein großes Geschrei, und diente

Jemand hatte die ertheilte Anweiſung zu ih-
rem Anbau recht begriffen. Wer ſie alſo
nicht geradezu, in ſeiner getaͤuſchten Erwar-
tung, auf den Kehrichthaufen warf, gieng
doch bei der Auspflanzung ſo verkehrt, als
moͤglich, zu Werke. Einige ſteckten ſie hie
und da einzeln in die Erde, ohne ſich weiter
um ſie zu kuͤmmern; Andre (und darunter
war auch meine liebe Großmutter mit ih-
rem, ihr zugefallenen Viert) glaubten das
Ding noch kluͤger anzugreifen, wenn ſie dieſe
Kartoffeln beiſammen auf Einen Haufen
ſchuͤtteten und mit etwas Erde bedeckten.
Da wuchſen ſie nun zu einem dichten Filz
in einander; und ich ſehe noch oft in meinem
Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo
ſolchergeſtalt die gute Frau hierinn ihr erſtes
Lehrgeld gab.

Nun mochten aber wohl die Herren vom
Rath gar bald in Erfahrung gebracht haben,
daß es unter den Empfaͤngern viele loſe Ver-
aͤchter gegeben, die ihren Schatz gar nicht
einmal der Erde anvertraut haͤtten. Dar-
um ward in den Sommer-Monaten durch
den Rathsdiener und Feldwaͤchter eine allge-
meine und ſtrenge Kartoffel-Schau ver-
anſtaltet und den widerſpenſtig Befundenen
eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab
wiederum ein großes Geſchrei, und diente

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="8"/>
Jemand hatte die ertheilte Anwei&#x017F;ung zu ih-<lb/>
rem Anbau recht begriffen. Wer &#x017F;ie al&#x017F;o<lb/>
nicht geradezu, in &#x017F;einer geta&#x0364;u&#x017F;chten Erwar-<lb/>
tung, auf den Kehrichthaufen warf, gieng<lb/>
doch bei der Auspflanzung &#x017F;o verkehrt, als<lb/>
mo&#x0364;glich, zu Werke. Einige &#x017F;teckten &#x017F;ie hie<lb/>
und da einzeln in die Erde, ohne &#x017F;ich weiter<lb/>
um &#x017F;ie zu ku&#x0364;mmern; Andre (und darunter<lb/>
war auch meine liebe Großmutter mit ih-<lb/>
rem, ihr zugefallenen Viert) glaubten das<lb/>
Ding noch klu&#x0364;ger anzugreifen, wenn &#x017F;ie die&#x017F;e<lb/>
Kartoffeln bei&#x017F;ammen auf Einen Haufen<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tteten und mit etwas Erde bedeckten.<lb/>
Da wuch&#x017F;en &#x017F;ie nun zu einem dichten Filz<lb/>
in einander; und ich &#x017F;ehe noch oft in meinem<lb/>
Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo<lb/>
&#x017F;olcherge&#x017F;talt die gute Frau hierinn ihr er&#x017F;tes<lb/>
Lehrgeld gab.</p><lb/>
        <p>Nun mochten aber wohl die Herren vom<lb/>
Rath gar bald in Erfahrung gebracht haben,<lb/>
daß es unter den Empfa&#x0364;ngern viele lo&#x017F;e Ver-<lb/>
a&#x0364;chter gegeben, die ihren Schatz gar nicht<lb/>
einmal der Erde anvertraut ha&#x0364;tten. Dar-<lb/>
um ward in den Sommer-Monaten durch<lb/>
den Rathsdiener und Feldwa&#x0364;chter eine allge-<lb/>
meine und &#x017F;trenge <hi rendition="#g">Kartoffel-Schau</hi> ver-<lb/>
an&#x017F;taltet und den wider&#x017F;pen&#x017F;tig Befundenen<lb/>
eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab<lb/>
wiederum ein großes Ge&#x017F;chrei, und diente<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0024] Jemand hatte die ertheilte Anweiſung zu ih- rem Anbau recht begriffen. Wer ſie alſo nicht geradezu, in ſeiner getaͤuſchten Erwar- tung, auf den Kehrichthaufen warf, gieng doch bei der Auspflanzung ſo verkehrt, als moͤglich, zu Werke. Einige ſteckten ſie hie und da einzeln in die Erde, ohne ſich weiter um ſie zu kuͤmmern; Andre (und darunter war auch meine liebe Großmutter mit ih- rem, ihr zugefallenen Viert) glaubten das Ding noch kluͤger anzugreifen, wenn ſie dieſe Kartoffeln beiſammen auf Einen Haufen ſchuͤtteten und mit etwas Erde bedeckten. Da wuchſen ſie nun zu einem dichten Filz in einander; und ich ſehe noch oft in meinem Garten nachdenklich den Fleck drauf an, wo ſolchergeſtalt die gute Frau hierinn ihr erſtes Lehrgeld gab. Nun mochten aber wohl die Herren vom Rath gar bald in Erfahrung gebracht haben, daß es unter den Empfaͤngern viele loſe Ver- aͤchter gegeben, die ihren Schatz gar nicht einmal der Erde anvertraut haͤtten. Dar- um ward in den Sommer-Monaten durch den Rathsdiener und Feldwaͤchter eine allge- meine und ſtrenge Kartoffel-Schau ver- anſtaltet und den widerſpenſtig Befundenen eine kleine Geldbuße aufgelegt. Das gab wiederum ein großes Geſchrei, und diente

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/24
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/24>, abgerufen am 12.10.2024.