und ermahnte ihn, sich in seinen Ausdrücken zu mäßigen und in die Umstände gütlich zu fügen. Jn eben dem Maasse aber mehrte sich seine Er- eiferung; und plötzlich hub er an, in gutem Eng- lisch seinem verbitterten Herzen auf eine Weise Luft zu machen, wobei König und Alles, was Preussisch war, gar übel wegkam. Hatt' er sich aber vielleicht darauf verlassen, daß seine Zuhörer, aus Mangel an Verständniß, ihm nicht das Wi- derpart halten würden, so war er um so mehr verwundert, als ich, der ich diese Lästerung nicht länger geduldig anhören konnte, ihn in gleicher Sprache bedeutete: daß, wenn er jene Worte zu Deutsch über seine Lippen gehen lassen, ich ihm nicht dafür bürgen möchte, ob sie ihm nicht Kopf und Kragen kosten sollten. Er werde also wohl- thun, sich Zaum und Gebiß anzulegen.
Kaum hörte der Wüthende die ersten engli- schen Sylben aus meinem Munde, so ward er urplötzlich ein ganz andrer Mann. Er fiel mir entzückt um den Hals; küßte mich, und be- theuerte, für Alles, was nur einen englischen Klang habe, lasse er Leib und Leben. Sofort auch waren und blieben wir die besten Freunde; da ihm indeß sein Unmuth immer wieder von neuem aufstieg, so forderte er Feder und Papier, um an den Commandanten zu schreiben und Be- schwerde über die ihm widerfahrne Behandlung zu führen. Beides ward ihm gereicht, um seine Lebensgeister zu beruhigen. Die Feder tanzte
und ermahnte ihn, ſich in ſeinen Ausdruͤcken zu maͤßigen und in die Umſtaͤnde guͤtlich zu fuͤgen. Jn eben dem Maaſſe aber mehrte ſich ſeine Er- eiferung; und ploͤtzlich hub er an, in gutem Eng- liſch ſeinem verbitterten Herzen auf eine Weiſe Luft zu machen, wobei Koͤnig und Alles, was Preuſſiſch war, gar uͤbel wegkam. Hatt’ er ſich aber vielleicht darauf verlaſſen, daß ſeine Zuhoͤrer, aus Mangel an Verſtaͤndniß, ihm nicht das Wi- derpart halten wuͤrden, ſo war er um ſo mehr verwundert, als ich, der ich dieſe Laͤſterung nicht laͤnger geduldig anhoͤren konnte, ihn in gleicher Sprache bedeutete: daß, wenn er jene Worte zu Deutſch uͤber ſeine Lippen gehen laſſen, ich ihm nicht dafuͤr buͤrgen moͤchte, ob ſie ihm nicht Kopf und Kragen koſten ſollten. Er werde alſo wohl- thun, ſich Zaum und Gebiß anzulegen.
Kaum hoͤrte der Wuͤthende die erſten engli- ſchen Sylben aus meinem Munde, ſo ward er urploͤtzlich ein ganz andrer Mann. Er fiel mir entzuͤckt um den Hals; kuͤßte mich, und be- theuerte, fuͤr Alles, was nur einen engliſchen Klang habe, laſſe er Leib und Leben. Sofort auch waren und blieben wir die beſten Freunde; da ihm indeß ſein Unmuth immer wieder von neuem aufſtieg, ſo forderte er Feder und Papier, um an den Commandanten zu ſchreiben und Be- ſchwerde uͤber die ihm widerfahrne Behandlung zu fuͤhren. Beides ward ihm gereicht, um ſeine Lebensgeiſter zu beruhigen. Die Feder tanzte
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und ermahnte ihn, ſich in ſeinen Ausdruͤcken zu
maͤßigen und in die Umſtaͤnde guͤtlich zu fuͤgen.
Jn eben dem Maaſſe aber mehrte ſich ſeine Er-
eiferung; und ploͤtzlich hub er an, in gutem Eng-
liſch ſeinem verbitterten Herzen auf eine Weiſe
Luft zu machen, wobei Koͤnig und Alles, was
Preuſſiſch war, gar uͤbel wegkam. Hatt’ er ſich
aber vielleicht darauf verlaſſen, daß ſeine Zuhoͤrer,
aus Mangel an Verſtaͤndniß, ihm nicht das Wi-
derpart halten wuͤrden, ſo war er um ſo mehr
verwundert, als ich, der ich dieſe Laͤſterung nicht
laͤnger geduldig anhoͤren konnte, ihn in gleicher
Sprache bedeutete: daß, wenn er jene Worte zu
Deutſch uͤber ſeine Lippen gehen laſſen, ich ihm
nicht dafuͤr buͤrgen moͤchte, ob ſie ihm nicht Kopf
und Kragen koſten ſollten. Er werde alſo wohl-
thun, ſich Zaum und Gebiß anzulegen.
Kaum hoͤrte der Wuͤthende die erſten engli-
ſchen Sylben aus meinem Munde, ſo ward er
urploͤtzlich ein ganz andrer Mann. Er fiel mir
entzuͤckt um den Hals; kuͤßte mich, und be-
theuerte, fuͤr Alles, was nur einen engliſchen
Klang habe, laſſe er Leib und Leben. Sofort
auch waren und blieben wir die beſten Freunde;
da ihm indeß ſein Unmuth immer wieder von
neuem aufſtieg, ſo forderte er Feder und Papier,
um an den Commandanten zu ſchreiben und Be-
ſchwerde uͤber die ihm widerfahrne Behandlung
zu fuͤhren. Beides ward ihm gereicht, um ſeine
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/114>, abgerufen am 17.06.2024.
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