sammt ihrem Geschütze, freien Abzug in die Fe- stung erhielt.
Der Verlust dieses Postens konnte von ent- scheidenden Folgen für unser Schicksal werden; weshalb der Commandant für nothwendig hielt, von diesem Ereigniß den schleunigsten Bericht an den König zu erstatten. Der Schiffer Stechow lag eben auf der Rheede zum Absegeln nach Me- mel fertig; und ich erhielt den Auftrag, seine Abfahrt solange zu verzögern, bis die neuen De- peschen für ihn fertig geworden. Nachdem ich ausgerichtet, was mir befohlen worden, und mich eben auf dem Rückwege zur Stadt befand, erhob sich, mir zur Seite, plötzlich ein furchtbares Ka- nonen- und Bombenfeuer von unsern Wällen herab, das sämmtlich gegen die kaum verlassene Wolfsschanze gerichtet war; und wenige Minuten später ward es auch aus den feindlichen Werken jener Gegend mit einem Ungestüm erwiedert, daß mir Hören und Sehen vergieng und ich mich wacker zu sputen hatte, um nicht in die Schuß- linie zu gerathen. Der Erdboden unter mir bebte, und die Schüsse fielen mit einer Schnelle, daß sie kaum mehr zu zählen waren.
Was konnte dies zu bedeuten haben? War doch bis zum nächsten Morgen ein Waffenstill- stand in Kraft! -- Doch eben diesen hatte der Feind, wie ich nun erst vom Commandanten er- fuhr, gebrochen, indem er augenblicklich die Aus- besserung der eroberten Schanze, vertragswidrig,
ſammt ihrem Geſchuͤtze, freien Abzug in die Fe- ſtung erhielt.
Der Verluſt dieſes Poſtens konnte von ent- ſcheidenden Folgen fuͤr unſer Schickſal werden; weshalb der Commandant fuͤr nothwendig hielt, von dieſem Ereigniß den ſchleunigſten Bericht an den Koͤnig zu erſtatten. Der Schiffer Stechow lag eben auf der Rheede zum Abſegeln nach Me- mel fertig; und ich erhielt den Auftrag, ſeine Abfahrt ſolange zu verzoͤgern, bis die neuen De- peſchen fuͤr ihn fertig geworden. Nachdem ich ausgerichtet, was mir befohlen worden, und mich eben auf dem Ruͤckwege zur Stadt befand, erhob ſich, mir zur Seite, ploͤtzlich ein furchtbares Ka- nonen- und Bombenfeuer von unſern Waͤllen herab, das ſaͤmmtlich gegen die kaum verlaſſene Wolfsſchanze gerichtet war; und wenige Minuten ſpaͤter ward es auch aus den feindlichen Werken jener Gegend mit einem Ungeſtuͤm erwiedert, daß mir Hoͤren und Sehen vergieng und ich mich wacker zu ſputen hatte, um nicht in die Schuß- linie zu gerathen. Der Erdboden unter mir bebte, und die Schuͤſſe fielen mit einer Schnelle, daß ſie kaum mehr zu zaͤhlen waren.
Was konnte dies zu bedeuten haben? War doch bis zum naͤchſten Morgen ein Waffenſtill- ſtand in Kraft! — Doch eben dieſen hatte der Feind, wie ich nun erſt vom Commandanten er- fuhr, gebrochen, indem er augenblicklich die Aus- beſſerung der eroberten Schanze, vertragswidrig,
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ſammt ihrem Geſchuͤtze, freien Abzug in die Fe-
ſtung erhielt.
Der Verluſt dieſes Poſtens konnte von ent-
ſcheidenden Folgen fuͤr unſer Schickſal werden;
weshalb der Commandant fuͤr nothwendig hielt,
von dieſem Ereigniß den ſchleunigſten Bericht an
den Koͤnig zu erſtatten. Der Schiffer Stechow
lag eben auf der Rheede zum Abſegeln nach Me-
mel fertig; und ich erhielt den Auftrag, ſeine
Abfahrt ſolange zu verzoͤgern, bis die neuen De-
peſchen fuͤr ihn fertig geworden. Nachdem ich
ausgerichtet, was mir befohlen worden, und mich
eben auf dem Ruͤckwege zur Stadt befand, erhob
ſich, mir zur Seite, ploͤtzlich ein furchtbares Ka-
nonen- und Bombenfeuer von unſern Waͤllen
herab, das ſaͤmmtlich gegen die kaum verlaſſene
Wolfsſchanze gerichtet war; und wenige Minuten
ſpaͤter ward es auch aus den feindlichen Werken
jener Gegend mit einem Ungeſtuͤm erwiedert, daß
mir Hoͤren und Sehen vergieng und ich mich
wacker zu ſputen hatte, um nicht in die Schuß-
linie zu gerathen. Der Erdboden unter mir bebte,
und die Schuͤſſe fielen mit einer Schnelle, daß
ſie kaum mehr zu zaͤhlen waren.
Was konnte dies zu bedeuten haben? War
doch bis zum naͤchſten Morgen ein Waffenſtill-
ſtand in Kraft! — Doch eben dieſen hatte der
Feind, wie ich nun erſt vom Commandanten er-
fuhr, gebrochen, indem er augenblicklich die Aus-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/144>, abgerufen am 16.06.2024.
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