ne Gegenfrage war: "Hätte der Herr Obriste in der That etwas dagegen?" -- Jch sah mich nach ihm um in dem Gedränge, fand ihn auf, und wiederholte nun Wort für Wort, was damals zwischen ihm, seinen Begleitern und mir verhan- delt worden. Der Mann, zum Läugnen zu ehr- lich, spielte hiebei eine etwas einfältige Rolle; während der Auditeur frischweg protokollirte und sich fast die Finger lahm schrieb. -- Nun endlich noch die Gewissensfrage: "Ob ich diese Erzäh- lungen dem Verfasser der Feuerbrände mitgetheilt hätte?" -- Das konnt' ich mit Wahrheit ver- neinen; und so nahm das gestrenge Jnquisitions- Gericht ein Ende, ohne daß weiter Gutes oder Böses dabei herausgekommen wäre. Auch hab' ich mich ferner nicht darum gekümmert.
Ueberhaupt muß gesagt werden, daß, seit Gneisenau's Abschiede, zwischen dem Militair und der Bürgerschaft in meiner Vaterstadt sich ein Verhältniß gebildet hatte, welches mit der jüngst verflossenen Zeit gemeinschaftlichen Be- drängnisses in einem traurigen Gegensatz stand und mir, wie jedem patriotisch gesinnten Herzen, unendlich viel Unmuth, Kummer und Sorge er- weckt hat, wenn wir bedachten, wie wir unsern Feinden und Neidern dadurch das empörende Schauspiel gäben, daß wir, nachdem wir Gefahr und Ungemach mit einander getragen, nun in der Ruhe des Friedens -- oder Halb-Friedens wenigstens -- einander nicht mehr ertragen könn-
ne Gegenfrage war: „Haͤtte der Herr Obriſte in der That etwas dagegen?‟ — Jch ſah mich nach ihm um in dem Gedraͤnge, fand ihn auf, und wiederholte nun Wort fuͤr Wort, was damals zwiſchen ihm, ſeinen Begleitern und mir verhan- delt worden. Der Mann, zum Laͤugnen zu ehr- lich, ſpielte hiebei eine etwas einfaͤltige Rolle; waͤhrend der Auditeur friſchweg protokollirte und ſich faſt die Finger lahm ſchrieb. — Nun endlich noch die Gewiſſensfrage: „Ob ich dieſe Erzaͤh- lungen dem Verfaſſer der Feuerbraͤnde mitgetheilt haͤtte?‟ — Das konnt’ ich mit Wahrheit ver- neinen; und ſo nahm das geſtrenge Jnquiſitions- Gericht ein Ende, ohne daß weiter Gutes oder Boͤſes dabei herausgekommen waͤre. Auch hab’ ich mich ferner nicht darum gekuͤmmert.
Ueberhaupt muß geſagt werden, daß, ſeit Gneiſenau’s Abſchiede, zwiſchen dem Militair und der Buͤrgerſchaft in meiner Vaterſtadt ſich ein Verhaͤltniß gebildet hatte, welches mit der juͤngſt verfloſſenen Zeit gemeinſchaftlichen Be- draͤngniſſes in einem traurigen Gegenſatz ſtand und mir, wie jedem patriotiſch geſinnten Herzen, unendlich viel Unmuth, Kummer und Sorge er- weckt hat, wenn wir bedachten, wie wir unſern Feinden und Neidern dadurch das empoͤrende Schauſpiel gaͤben, daß wir, nachdem wir Gefahr und Ungemach mit einander getragen, nun in der Ruhe des Friedens — oder Halb-Friedens wenigſtens — einander nicht mehr ertragen koͤnn-
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ne Gegenfrage war: „Haͤtte der Herr Obriſte in
der That etwas dagegen?‟ — Jch ſah mich nach
ihm um in dem Gedraͤnge, fand ihn auf, und
wiederholte nun Wort fuͤr Wort, was damals
zwiſchen ihm, ſeinen Begleitern und mir verhan-
delt worden. Der Mann, zum Laͤugnen zu ehr-
lich, ſpielte hiebei eine etwas einfaͤltige Rolle;
waͤhrend der Auditeur friſchweg protokollirte und
ſich faſt die Finger lahm ſchrieb. — Nun endlich
noch die Gewiſſensfrage: „Ob ich dieſe Erzaͤh-
lungen dem Verfaſſer der Feuerbraͤnde mitgetheilt
haͤtte?‟ — Das konnt’ ich mit Wahrheit ver-
neinen; und ſo nahm das geſtrenge Jnquiſitions-
Gericht ein Ende, ohne daß weiter Gutes oder
Boͤſes dabei herausgekommen waͤre. Auch hab’
ich mich ferner nicht darum gekuͤmmert.
Ueberhaupt muß geſagt werden, daß, ſeit
Gneiſenau’s Abſchiede, zwiſchen dem Militair
und der Buͤrgerſchaft in meiner Vaterſtadt ſich
ein Verhaͤltniß gebildet hatte, welches mit der
juͤngſt verfloſſenen Zeit gemeinſchaftlichen Be-
draͤngniſſes in einem traurigen Gegenſatz ſtand
und mir, wie jedem patriotiſch geſinnten Herzen,
unendlich viel Unmuth, Kummer und Sorge er-
weckt hat, wenn wir bedachten, wie wir unſern
Feinden und Neidern dadurch das empoͤrende
Schauſpiel gaͤben, daß wir, nachdem wir Gefahr
und Ungemach mit einander getragen, nun in
der Ruhe des Friedens — oder Halb-Friedens
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/201>, abgerufen am 13.06.2024.
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