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Neumark, Georg: Poetisch- und Musikalisches Lustwäldchen. Hamburg, 1652.

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wäldchens andere Abtheilung.
Bey ihm das schwartze Blut/ die Augen sind ihm roht
Vom scharffen Zährensaltz'/ er gehet wie halb tod/
Weil ihm der Menschenfraß das Hertze hat zerstükket
Durch einen starken Hieb/ die Sinnen sind entzükket/
Und kaum kaum bey sich selbst. Ach weh/ der gute Mann
Hat Uhrsach gnug darzu/ so viel ich merken kan:
Schaut diesen Cörper an/ aus welchen ist geflogen
Der wehrte Gast die Seel' und Himmel- auffgezogen/
Der reget sich nicht mehr. Da liegt der kensche Leib
Das Wohnhauß aller Zucht/ da liegt das schöne Weib/
Die andre Biblia die sich der leichten Jugend
(Ja auch den Alten wol) in aller ädlen Tugend
Zum Beyspiel vorgestellt/ da ligt Placidia
Da ligt Penelope/ da liegt Zenobia.
Das Gottgeliebte Mensch war niemals nicht ergeben/
Der schnöden Eitelkeit; in ihrem gantzen Leben
Hielt sie die Gottesfurcht für ihren höchsten Ruhm
Die fromme Höfligkeit die war ihr Eigenthum.
Sie war kein' Acco nicht/ wie manche stoltze Pfauen
Die sich vom Morgen an biß in die Nacht beschauen/
Die vor dem Spiegel mehr/ als vor der Bibelstehn/
(Ach möchten sie doch auch bißweilen nur besehn
Jhr grobes Lasterstük!) bedenket was für Schmertzen/
Jhr hinterlasner Herr in seinem matten Hertzen/
Anietzs fühlen mag/ wenn er dieß wol bedenkt
Ach mein bedenket doch wie dieses ihn doch kränkt/
Wenn er sein liebstes Hertz da sieht entgeistert liegen
Die vor sein' höchste Lust/ sein einiges Vergnügen/
Sein' andre Seele selbst/ und seine Sonne war/
Wenn/ sag' ich/ er sie sieht in dieser Todenbahr.
Ach bittres Hertzeleid/ Es schmertzt ihn auch nicht minder
Daß er üm sich herüm die unerzogne Kinder
Des Stammes Pflantzen sieht; hier steht das Ein' und
weint
Nach seiner Mutter Schoß die es nur schlaffen meint.
Das andre winselt dort/ das dritte Seelchen lebet
Jm schönen Paradies' alwo anitzo schwebet
Der
waͤldchens andere Abtheilung.
Bey ihm das ſchwartze Blut/ die Augen ſind ihm roht
Vom ſcharffen Zaͤhrenſaltz’/ er gehet wie halb tod/
Weil ihm der Menſchenfraß das Hertze hat zerſtuͤkket
Durch einen ſtarken Hieb/ die Sinnen ſind entzuͤkket/
Und kaum kaum bey ſich ſelbſt. Ach weh/ der gute Mann
Hat Uhrſach gnug darzu/ ſo viel ich merken kan:
Schaut dieſen Coͤrper an/ aus welchen iſt geflogen
Der wehrte Gaſt die Seel’ und Himmel- auffgezogen/
Der reget ſich nicht mehr. Da liegt der kenſche Leib
Das Wohnhauß aller Zucht/ da liegt das ſchoͤne Weib/
Die andre Biblia die ſich der leichten Jugend
(Ja auch den Alten wol) in aller aͤdlen Tugend
Zum Beyſpiel vorgeſtellt/ da ligt Placidia
Da ligt Penelope/ da liegt Zenobia.
Das Gottgeliebte Menſch war niemals nicht ergeben/
Der ſchnoͤden Eitelkeit; in ihrem gantzen Leben
Hielt ſie die Gottesfurcht fuͤr ihren hoͤchſten Ruhm
Die fromme Hoͤfligkeit die war ihr Eigenthum.
Sie war kein’ Acco nicht/ wie manche ſtoltze Pfauen
Die ſich vom Morgen an biß in die Nacht beſchauen/
Die vor dem Spiegel mehr/ als vor der Bibelſtehn/
(Ach moͤchten ſie doch auch bißweilen nur beſehn
Jhr grobes Laſterſtuͤk!) bedenket was fuͤr Schmertzen/
Jhr hinterlaſner Herr in ſeinem matten Hertzen/
Anietzs fuͤhlen mag/ wenn er dieß wol bedenkt
Ach mein bedenket doch wie dieſes ihn doch kraͤnkt/
Wenn er ſein liebſtes Hertz da ſieht entgeiſtert liegen
Die vor ſein’ hoͤchſte Luſt/ ſein einiges Vergnuͤgen/
Sein’ andre Seele ſelbſt/ und ſeine Sonne war/
Wenn/ ſag’ ich/ er ſie ſieht in dieſer Todenbahr.
Ach bittres Hertzeleid/ Es ſchmertzt ihn auch nicht minder
Daß er uͤm ſich heruͤm die unerzogne Kinder
Des Stammes Pflantzen ſieht; hier ſteht das Ein’ und
weint
Nach ſeiner Mutter Schoß die es nur ſchlaffen meint.
Das andre winſelt dort/ das dritte Seelchen lebet
Jm ſchoͤnen Paradieſ’ alwo anitzo ſchwebet
Der
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[189[199]/0225] waͤldchens andere Abtheilung. Bey ihm das ſchwartze Blut/ die Augen ſind ihm roht Vom ſcharffen Zaͤhrenſaltz’/ er gehet wie halb tod/ Weil ihm der Menſchenfraß das Hertze hat zerſtuͤkket Durch einen ſtarken Hieb/ die Sinnen ſind entzuͤkket/ Und kaum kaum bey ſich ſelbſt. Ach weh/ der gute Mann Hat Uhrſach gnug darzu/ ſo viel ich merken kan: Schaut dieſen Coͤrper an/ aus welchen iſt geflogen Der wehrte Gaſt die Seel’ und Himmel- auffgezogen/ Der reget ſich nicht mehr. Da liegt der kenſche Leib Das Wohnhauß aller Zucht/ da liegt das ſchoͤne Weib/ Die andre Biblia die ſich der leichten Jugend (Ja auch den Alten wol) in aller aͤdlen Tugend Zum Beyſpiel vorgeſtellt/ da ligt Placidia Da ligt Penelope/ da liegt Zenobia. Das Gottgeliebte Menſch war niemals nicht ergeben/ Der ſchnoͤden Eitelkeit; in ihrem gantzen Leben Hielt ſie die Gottesfurcht fuͤr ihren hoͤchſten Ruhm Die fromme Hoͤfligkeit die war ihr Eigenthum. Sie war kein’ Acco nicht/ wie manche ſtoltze Pfauen Die ſich vom Morgen an biß in die Nacht beſchauen/ Die vor dem Spiegel mehr/ als vor der Bibelſtehn/ (Ach moͤchten ſie doch auch bißweilen nur beſehn Jhr grobes Laſterſtuͤk!) bedenket was fuͤr Schmertzen/ Jhr hinterlaſner Herr in ſeinem matten Hertzen/ Anietzs fuͤhlen mag/ wenn er dieß wol bedenkt Ach mein bedenket doch wie dieſes ihn doch kraͤnkt/ Wenn er ſein liebſtes Hertz da ſieht entgeiſtert liegen Die vor ſein’ hoͤchſte Luſt/ ſein einiges Vergnuͤgen/ Sein’ andre Seele ſelbſt/ und ſeine Sonne war/ Wenn/ ſag’ ich/ er ſie ſieht in dieſer Todenbahr. Ach bittres Hertzeleid/ Es ſchmertzt ihn auch nicht minder Daß er uͤm ſich heruͤm die unerzogne Kinder Des Stammes Pflantzen ſieht; hier ſteht das Ein’ und weint Nach ſeiner Mutter Schoß die es nur ſchlaffen meint. Das andre winſelt dort/ das dritte Seelchen lebet Jm ſchoͤnen Paradieſ’ alwo anitzo ſchwebet Der

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Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch- und Musikalisches Lustwäldchen. Hamburg, 1652, S. 189[199]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustwaeldchen_1652/225>, abgerufen am 28.04.2024.