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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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wenn man uns recht zu belohnen denkt, sobald man
uns auf eine Universität schickt, wo wir unsere nöthige
Einkünfte von dem Wohlwollen einer unwissenden
und ungezähmten Jugend suchen müssen, oder uns in
ein Amt verstößt, wo uns alles was wir gelernt ha-
ben, unnütz ist, und wo uns die edle Empfindsamkeit,
welche durch die Wissenschaften in unsern Seelen ver-
breitet worden, die Ausübung dieses Amts weit be-
schwerlicher macht, als einem rohen Diener der Ab-
sichten jedes Gewaltigen im Lande.

Seb. Jch bin ganz außer mir, über alles ich
hören muß. So schlecht siehet es mit der Gelehr-
samkeit in Deutschland aus? Wohin soll es mit Wahr-
heit und Tugend kommen, wenn die Gelehrten, die
derselben Herolde seyn solten, nur Eigennutz und Eigen-
lob suchen? Wie soll unser Vaterland durch die Wis-
senschaften erleuchtet werden, wenn man sie zu einem
niedrigen Gewerbe misbraucht? Nein! dis ist mir
ein unerträglicher Gedanke.

Mag. Geben Sie sich zufrieden! Was ist der
deutschen Gelehrsamkeit damit geholfen, wenn ein paar
arme Correctoren eine unruhige Nacht haben. Wir
wollen uns die Fehler unserer Litteratur und unserer
Gelehrten nicht verhelen, aber wir wollen auch das
entschuldigen, was, ohne die Schuld unserer Ge-
lehrten, nicht anders seyn kann.

Hier-



wenn man uns recht zu belohnen denkt, ſobald man
uns auf eine Univerſitaͤt ſchickt, wo wir unſere noͤthige
Einkuͤnfte von dem Wohlwollen einer unwiſſenden
und ungezaͤhmten Jugend ſuchen muͤſſen, oder uns in
ein Amt verſtoͤßt, wo uns alles was wir gelernt ha-
ben, unnuͤtz iſt, und wo uns die edle Empfindſamkeit,
welche durch die Wiſſenſchaften in unſern Seelen ver-
breitet worden, die Ausuͤbung dieſes Amts weit be-
ſchwerlicher macht, als einem rohen Diener der Ab-
ſichten jedes Gewaltigen im Lande.

Seb. Jch bin ganz außer mir, uͤber alles ich
hoͤren muß. So ſchlecht ſiehet es mit der Gelehr-
ſamkeit in Deutſchland aus? Wohin ſoll es mit Wahr-
heit und Tugend kommen, wenn die Gelehrten, die
derſelben Herolde ſeyn ſolten, nur Eigennutz und Eigen-
lob ſuchen? Wie ſoll unſer Vaterland durch die Wiſ-
ſenſchaften erleuchtet werden, wenn man ſie zu einem
niedrigen Gewerbe misbraucht? Nein! dis iſt mir
ein unertraͤglicher Gedanke.

Mag. Geben Sie ſich zufrieden! Was iſt der
deutſchen Gelehrſamkeit damit geholfen, wenn ein paar
arme Correctoren eine unruhige Nacht haben. Wir
wollen uns die Fehler unſerer Litteratur und unſerer
Gelehrten nicht verhelen, aber wir wollen auch das
entſchuldigen, was, ohne die Schuld unſerer Ge-
lehrten, nicht anders ſeyn kann.

Hier-
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[109/0133] wenn man uns recht zu belohnen denkt, ſobald man uns auf eine Univerſitaͤt ſchickt, wo wir unſere noͤthige Einkuͤnfte von dem Wohlwollen einer unwiſſenden und ungezaͤhmten Jugend ſuchen muͤſſen, oder uns in ein Amt verſtoͤßt, wo uns alles was wir gelernt ha- ben, unnuͤtz iſt, und wo uns die edle Empfindſamkeit, welche durch die Wiſſenſchaften in unſern Seelen ver- breitet worden, die Ausuͤbung dieſes Amts weit be- ſchwerlicher macht, als einem rohen Diener der Ab- ſichten jedes Gewaltigen im Lande. Seb. Jch bin ganz außer mir, uͤber alles ich hoͤren muß. So ſchlecht ſiehet es mit der Gelehr- ſamkeit in Deutſchland aus? Wohin ſoll es mit Wahr- heit und Tugend kommen, wenn die Gelehrten, die derſelben Herolde ſeyn ſolten, nur Eigennutz und Eigen- lob ſuchen? Wie ſoll unſer Vaterland durch die Wiſ- ſenſchaften erleuchtet werden, wenn man ſie zu einem niedrigen Gewerbe misbraucht? Nein! dis iſt mir ein unertraͤglicher Gedanke. Mag. Geben Sie ſich zufrieden! Was iſt der deutſchen Gelehrſamkeit damit geholfen, wenn ein paar arme Correctoren eine unruhige Nacht haben. Wir wollen uns die Fehler unſerer Litteratur und unſerer Gelehrten nicht verhelen, aber wir wollen auch das entſchuldigen, was, ohne die Schuld unſerer Ge- lehrten, nicht anders ſeyn kann. Hier-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/133>, abgerufen am 28.04.2024.