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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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menschliche Verstand edles schönes und wissenswür-
diges hervorbringen kann, zu erforschen, und es zur
Aufklärung des menschlichen Geschlechts in ihren
Büchern öffentlich bekannt zu machen. Nun-thut
es mir weh, daß ich sie als einen Haufen ge-
schäftiger Schmierer ansehen soll, die Wahrheit und
Einsicht zu einem schimpflichen Gewerbe machen, das
blos ihren eigenen Ruhm, Nutzen oder Nahrung zum
Zwecke hat.

Hier. Und es thut ihnen um desto weher, weil
sie selbst in die Zahl der Schriftsteller zu treten geden-
ken! -- Nicht wahr? -- Aber trösten sie sich, alle Schrift-
steller und Uebersetzer sind nicht so beschaffen, wie sie
Jhr Magister beschrieben hat. Er hat nur von neun
Zehentheilen geredet. Es ist noch das zehnte Zehen-
theil übrig, würdige gelehrte Männer, die es wirk-
lich mit dem Fortgange der Wissenschaften gut
meinen, welche der Eitelkeit und den Vergnü-
gungen der Jugend entsagen, um sich gründliche
Kenntnisse zu erwerben, und welche Nächte durchwa-
chen um ihre Nebenmenschen, klüger, weiser, erleuch-
teter und gesitteter zu machen. Jn deren Gesellschaft
zu treten, dürfen Sie sich nicht schämen.

Seb. Und dieser wäre nur eine so geringe Anzahl?
Wenn Sie die Anzahl der nützlichen Bücher so gering

machen,



menſchliche Verſtand edles ſchoͤnes und wiſſenswuͤr-
diges hervorbringen kann, zu erforſchen, und es zur
Aufklaͤrung des menſchlichen Geſchlechts in ihren
Buͤchern oͤffentlich bekannt zu machen. Nun-thut
es mir weh, daß ich ſie als einen Haufen ge-
ſchaͤftiger Schmierer anſehen ſoll, die Wahrheit und
Einſicht zu einem ſchimpflichen Gewerbe machen, das
blos ihren eigenen Ruhm, Nutzen oder Nahrung zum
Zwecke hat.

Hier. Und es thut ihnen um deſto weher, weil
ſie ſelbſt in die Zahl der Schriftſteller zu treten geden-
ken! — Nicht wahr? — Aber troͤſten ſie ſich, alle Schrift-
ſteller und Ueberſetzer ſind nicht ſo beſchaffen, wie ſie
Jhr Magiſter beſchrieben hat. Er hat nur von neun
Zehentheilen geredet. Es iſt noch das zehnte Zehen-
theil uͤbrig, wuͤrdige gelehrte Maͤnner, die es wirk-
lich mit dem Fortgange der Wiſſenſchaften gut
meinen, welche der Eitelkeit und den Vergnuͤ-
gungen der Jugend entſagen, um ſich gruͤndliche
Kenntniſſe zu erwerben, und welche Naͤchte durchwa-
chen um ihre Nebenmenſchen, kluͤger, weiſer, erleuch-
teter und geſitteter zu machen. Jn deren Geſellſchaft
zu treten, duͤrfen Sie ſich nicht ſchaͤmen.

Seb. Und dieſer waͤre nur eine ſo geringe Anzahl?
Wenn Sie die Anzahl der nuͤtzlichen Buͤcher ſo gering

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[111/0135] menſchliche Verſtand edles ſchoͤnes und wiſſenswuͤr- diges hervorbringen kann, zu erforſchen, und es zur Aufklaͤrung des menſchlichen Geſchlechts in ihren Buͤchern oͤffentlich bekannt zu machen. Nun-thut es mir weh, daß ich ſie als einen Haufen ge- ſchaͤftiger Schmierer anſehen ſoll, die Wahrheit und Einſicht zu einem ſchimpflichen Gewerbe machen, das blos ihren eigenen Ruhm, Nutzen oder Nahrung zum Zwecke hat. Hier. Und es thut ihnen um deſto weher, weil ſie ſelbſt in die Zahl der Schriftſteller zu treten geden- ken! — Nicht wahr? — Aber troͤſten ſie ſich, alle Schrift- ſteller und Ueberſetzer ſind nicht ſo beſchaffen, wie ſie Jhr Magiſter beſchrieben hat. Er hat nur von neun Zehentheilen geredet. Es iſt noch das zehnte Zehen- theil uͤbrig, wuͤrdige gelehrte Maͤnner, die es wirk- lich mit dem Fortgange der Wiſſenſchaften gut meinen, welche der Eitelkeit und den Vergnuͤ- gungen der Jugend entſagen, um ſich gruͤndliche Kenntniſſe zu erwerben, und welche Naͤchte durchwa- chen um ihre Nebenmenſchen, kluͤger, weiſer, erleuch- teter und geſitteter zu machen. Jn deren Geſellſchaft zu treten, duͤrfen Sie ſich nicht ſchaͤmen. Seb. Und dieſer waͤre nur eine ſo geringe Anzahl? Wenn Sie die Anzahl der nuͤtzlichen Buͤcher ſo gering machen,

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/135>, abgerufen am 28.04.2024.